Neue Erkenntnisse über Alterung und Krebs
Aus einer aktuellen Studie geht hervor, dass sich die Zellteilung im Alter signifikant verlangsamt. Diese Erkenntnis liefert weitreichende Rückschlüsse auf den Alterungsprozess und den Verlauf von Krebserkrankungen, denn bislang ging die Wissenschaft davon aus, dass die Zellvermehrungsraten ein Leben lang gleich bleiben.
Forschende des Johns Hopkins Kimmel Cancer Center fanden in einer Analyse heraus, dass sich die Rate der Zellteilung mit zunehmenden Alter deutlich zu verlangsamen scheint. Die Studienergebnisse wurden kürzlich in dem Fachjournal „Proceedings of the National Academy of Sciences“ publiziert und sollen zukünftig helfen, Prozesse des Alterns und deren Auswirkungen auf die Entstehung von Krebs besser zu verstehen.
Falsche Annahme über Jahrzehnte
Frühere Forschungsarbeiten gingen davon aus, dass die Entstehung von Krebs durch eine Ansammlung von Mutationen begünstigt wird und deshalb das Risiko mit zunehmenden Alter steigt. Dies setzte voraus, dass die Geschwindigkeit der Zellteilung auch gleich bleibt. Diesen Zusammenhang hat das Johns Hopkins-Forschungsteam nun näher untersucht und stellte fest, dass diese Vermutung falsch ist. „Die Forschung der letzten Jahrzehnte geht davon aus, dass sich solche Mutationen im Laufe der Zeit konstant ansammeln”, berichtet Onkologie-Professor Dr. Cristian Tomasetti aus dem Studienteam. Dies stimmt der Studie zufolge so nicht – die Anzahl der Mutationen nehme im fortgeschrittenen Alter sogar ab.
Ablauf der Studie
Das Team analysierte Gewebeproben aus Biopsien von mehr als 300 Patientinnen und Patienten mithilfe modernster Computertechnologie. Eine Gruppe bestand dabei aus Teilnehmenden im Alter von rund 20 Jahren, eine weitere Gruppe war durchschnittlich um die 80 Jahre alt. Die Forschenden färbten verschiedene Marker der Zellteilung mit Farbstoffen, um die Vermehrungsraten dokumentieren zu können.
Zellteilung verlangsamt sich signifikant
Ihre Ergebnisse zeigten, dass die Zellteilungsraten im Darmgewebe bei 80-Jährigen um etwa 40 Prozent zurückgingen gegenüber Menschen im Alter von 20 Jahren. Auch in der Speiseröhre verlangsamte sich die Teilungsrate im Schnitt um 25 Prozent. Im hinteren Gewebe der Nase verlangsamte sich die Teilungsrate bei älteren Menschen sogar um 83 Prozent.
Gegen Ende des Lebens sinkt das Krebsrisiko wieder
Laut dem Forschungsteam haben die Ergebnisse zahlreiche Auswirkungen auf ein besseres Verständnis von Krebs und Alterung. Zum Beispiel sei seit langem bekannt, dass die Häufigkeit der meisten menschlichen Krebserkrankungen mit zunehmenden Alter stark zunimmt. Gegen Ende des Lebens verringert sich dieses Risiko jedoch wieder für viele Krebsarten. Ein Phänomen, dass bislang keinen Sinn ergab. „Wenn die Zellteilungsrate mit dem Alter abnimmt, werden die Zellen am Ende des Lebens wahrscheinlich weniger krebserregende Mutationen anhäufen“, erklärt Tomasetti.
Weitere Forschung notwendig
Warum menschliche Zellen ihre Replikation am Ende des Lebens verlangsamen, ist derzeit unbekannt und wird die Grundlage für zukünftige Studien bilden. „Die Tatsache, dass menschliche Zellen ihre Teilungsrate verlangsamen, war zwar nicht unerwartet, aber unsere Studie bestätigt es erstmalig“, resümiert der Professor. Dies könnte wichtige Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und auf zukünftige Studien haben. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Cristian Tomasetti, Justin Poling, Nicholas J. Roberts, u.a.: Cell division rates decrease with age, providing a potential explanation for the age-dependent deceleration in cancer incidence, Proceedings of the National Academy of Sciences, 2019, pnas.org
- Johns Hopkins Medicine: Novel Study Documents Marked Slowdown of Cell Division Rates in Old Age (Abruf: 22.10.2019), hopkinsmedicine.org
Wichtiger Hinweis:
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