Jüngere Demenz Patienten haben es besonders schwer
Allein in Deutschland leiden rund 1,5 Millionen Menschen an Demenz. Obwohl Früherkennung einer der wichtigsten Punkte ist, um der Krankheit entgegen zu wirken, wird Demenz oft zu spät erkannt. Ein Anzeichen für Alzheimer können unter anderem auch Halluzinationen sein. Experten beklagen, dass Hilfsangebote für Betroffene unter 65 Jahren noch rar sind.
Auch Jüngere leiden an Demenz
Nach Angaben der Deutschen Alzheimer Gesellschaft (DAG) leiden hierzulande rund 1,5 Millionen – insbesondere ältere – Menschen an Demenz. Die Zahl der Demenzkranken wird enorm steigen warnte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) vor wenigen Monaten. So könnte sich die Zahl der Erkrankten Schätzungen zufolge bis zum Jahr 2050 verdoppeln, sofern kein Durchbruch in der Therapie gelingt. Jüngere sind allgemein seltener betroffen. In Deutschland leben laut der DAG etwa 24.000 Menschen unter 65 Jahren mit einer Demenz. Wie die Nachrichtenagentur dpa berichtet, gibt es nach Angaben des EU-Projekts „Rhapsody“ pro Jahr 4.800 neue Fälle. Bei dem Vorhaben wird von Experten unter anderem verglichen, wie sich verschiedene Länder auf die Bedürfnisse junger Patienten einrichten. Die DAG-Geschäftsführerin, Sabine Jansen, erklärte, dass man auch wegen der verbesserten Diagnostik auf das Thema aufmerksam geworden sei. Die DAG ist ein Projektpartner.
Halluzinationen können auf Alzheimer hinweisen
In dem US-amerikanisch-französischen Filmdrama „Still Alice“ aus dem Jahr 2014 joggt die Schauspielerin Juliane Moore in ihrer Rolle durch die Stadt und wirkt nach außen hin körperlich topfit. Doch dann bleibt sie unvermittelt stehen, dreht sich mehrmals im Kreis und blickt unruhig um sich und macht sich erst nach einer Weile wieder auf den Heimweg. Auf diese Weise werden in dem Film die ersten Anzeichen von Demenz gezeigt. In relativ jungem Alter ist der Gehirnverfall zwar selten, doch nicht weniger dramatisch als bei älteren Menschen. Die dpa berichtet über die Münchnerin Gudrun T, deren Diagnose vier Jahre zurückliegt. Nachdem die Erkrankung festgestellt wurde, schloss sie sich eine Woche ein, erzählte die inzwischen 66-Jährige. Die Krankheit begann bei ihr mit Halluzinationen: Dabei hatte sie einen Scheich als Mann und 18 Kinder. „Es war schrecklich.“ Eines Tages wurde sie schließlich orientierungslos in einem Park gefunden. Experten untersuchten sie daraufhin und durch eine Computertomografie zeigte sich, dass sie Alzheimer hat. Den Angaben zufolge verläuft die Krankheit bei der allein lebenden, ehemaligen Heimerzieherin sehr, sehr langsam.
Oft werden falsche Diagnosen gestellt
Bislang ist noch immer unklar, was die genauen Auslöser der Krankheit sind. Allerdings wurden eine Reihe von Faktoren identifiziert, die bei der Entstehung und Entwicklung der Alzheimer-Krankheit eine Rolle spielen. Neben dem hohen Lebensalter zählen dazu unter anderem eine genetische Veranlagung, Erkrankungen wie Diabetes mellitus Typ 2, Metabolisches Syndrom, Oxidativer Stress oder Entzündungen. Zur Frage, was speziell auch Jüngere krank macht, erläuterte Prof. Frank Jessen (Uniklinik Köln/Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen), dass bei einem Teil der Betroffenen genetische Ursachen den Ausschlag geben. Neben der familiären Alzheimer-Erkrankung, die den Angaben zufolge auf einzelne Genmutationen zurückgehe, seien Jüngere auch oft von der sogenannten frontotemporalen Demenz (FTD) betroffen. Wie es heißt sterben dabei Nervenzellen zunächst in jenen Teilen des Gehirns ab, die Gefühle und Sozialverhalten steuern. „Beide Formen werden von Experten, etwa in Gedächtnisambulanzen, inzwischen gut diagnostiziert“, so Jessen. Jedoch nicht immer beim Hausarzt, wie Sabine Jansen feststellte: „Bei Patienten in dem Alter werden Gedächtnisschwächen eher mit Stress oder Burn-out verbunden.“
Obstsalat in der Wohnung seit Weihnachten nicht auffindbar
Gudrun T. erzählte am Telefon, dass sie bei ihrem ersten Besuch einer Demenzgruppe der Arbeiterwohlfahrt das fitte „Küken“ gewesen sei. Von dort wurde sie wenige Monate nach der Diagnose an die lokale Alzheimer Gesellschaft verwiesen. Durch den Kontakt zu anderen jüngeren Betroffenen konnte sie sich Stück für Stück mit der Krankheit arrangieren. „Normalerweise schaffen es gerade Menschen mit wenig sozialen Kontakten erst viel später, sich Hilfe zu suchen“, erläuterte Sozialpädagogin Dagmar Aimer, die Frau T. in der Einrichtung betreut. Die Patientin nimmt Missgeschicke inzwischen mit Humor: So bemerke sie manchmal erst abends, dass sie sich die Hose auf links angezogen hat. Einen Obstsalat, den sie glaubt, zu Weihnachten vorbereitetet zu haben, habe sie bis heute nicht wiedergefunden. Sie nimmt es locker: „Noch stinkt es nicht in der Wohnung.“ Dennoch hat sie das Kochen sicherheitshalber aufgegeben.
Medizinisch ist bei Alzheimer wenig zu machen
Ein Pflegedienst bringt einmal wöchentlich die Medikamente vorbei. „Die gucken, ob ich noch da bin.“ Allerdings ist Experten zufolge medizinisch bei Alzheimer wenig zu machen. Spezielle Beratungsangebote, die im Alltag helfen, wären daher umso nötiger. Viele der Patienten in jüngeren Jahren stehe noch im Berufsleben, haben Kinder im Haus und zudem mit der Diagnose einen sofortigen Berentungsgrund. „Gerade in strukturschwachen Regionen fehlen die Anlaufstellen“, so Jessen. Die DAG-Expertin Jansen sagte, es mangele im ganzen Land an speziellen Heimen oder Tagespflege. Gudrun T. hat vielen von ihrer Demenz erzählt: „Am Anfang habe ich mich schwer getan. Jetzt gehe ich sehr offen damit um.“ Zwar reagierten Menschen oft positiv, doch längst nicht alle. Vor allem in der Anfangszeit vermisste sie Unterstützung. „Jetzt brauche ich die auch nicht mehr“, erzählte sie ärgerlich. Für Angehörige sei die Lage oft schwierig: „Es sollte nicht sein, dass Ehen und Freundschaften durch die Krankheit kaputt gehen.“ Ein Ziel von „Rhapsody“ ist ein E-Learning-Programm, mit dem Angehörige in der Krankheitsbewältigung geschult werden können. Gudrun T. weiß, dass ihr Gedächtnis sie mehr und mehr im Stich lassen wird. Für Betreuungsleistungen und den Besuch von Alzheimer-Gruppen bekommt sie von der Pflegekasse rund 200 Euro im Monat. „Mehr wird es wohl erst, wenn man ins Heim kommt.“ Sie hofft, dass es noch lange dauert, bis es soweit ist. (ad)
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Autoren- und Quelleninformationen
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