Die genauen Ursachen für die Entstehung und Entwicklung der Alzheimer-Krankheit sind bislang unklar. Bekannt ist, dass eine Reihe von Faktoren, wie hohes Lebensalter, Vererbung und verschiedene Erkrankungen eine Rolle spielen. Forscher haben nun zwei Proteine im Visier. Diese könnten der Schlüssel zu einer erfolgreichen Therapie sein.
Verschiedene Faktoren spielen eine Rolle
Das Portemonnaie liegt nicht auf dem Tisch, sondern im Kühlschrank und die Brille wird im Mülleimer abgelegt: Alzheimer beginnt schleichend und wird häufig erst spät diagnostiziert. Es wurden zwar eine Reihe von Faktoren identifiziert, die bei der Entstehung und Entwicklung der Alzheimer-Krankheit eine Rolle spielen. Dazu zählen unter anderem ein hohes Lebensalter, eine genetische Veranlagung, Erkrankungen wie Diabetes mellitus Typ 2, Metabolisches Syndrom, Oxidativer Stress oder Entzündungen. Definitive Ursachen sind aber noch immer unklar. Eine Heilmethode ist bislang nicht bekannt. Doch erst kürzlich haben Wissenschaftler über Ultraschall als Hoffnungsschimmer bei Alzheimer berichtet. Einem Artikel der „Welt“ zufolge untersucht nun eine neue Studie bei gesunden Senioren, wie sich die Kombination zweier Eiweiße im Gehirn verhält. Diese könnte der Schlüssel zu einer erfolgreichen Therapie sein, die vermutlich schon früh beginnen muss.
1,2 Millionen Alzheimer-Patienten in Deutschland
Weltweit leiden 35 Millionen Menschen an Alzheimer oder einer anderen Form der Demenz. In Deutschland gibt es laut Schätzungen 1,2 Millionen Alzheimer-Patienten. Bei der Suche nach den Auslösern konzentriert sich die Forschung hauptsächlich auf die senilen Plaques, Ablagerungen aus Bruchstücken des Eiweißes Beta-Amyloid im Gehirn. Doch auch die aus dem Tau-Protein bestehenden faserförmigen Ablagerungen, die sogenannten Neurofibrillenbündel, spielen bei der Entstehung der Gedächtnislücken laut Autopsiestudien eine Rolle. Mit Hilfe von modernen Bildgebungsverfahren können diese Bündel auch beim lebenden Menschen sichtbar gemacht werden. Dies stellt womöglich eine Chance dar, die Auslöser der Demenz zu ermitteln. Und darauf basierend könnte ein neues Medikament Alzheimer bei noch gesunden, aber gefährdeten Menschen abwehren.
Zwei Eiweiße lagern sich im Gehirn Älterer ab
Sogenannte Tau-Scans stehen im Mittelpunkt der neuen sogenannten A4-Studie („Anti-Amyloid Treatment in Asymptomatic Alzheimer’s“). Die Wissenschaftler wollen den Angaben zufolge verfolgen, wie sich die beiden Eiweiße Amyloid und Tau im Gehirn älterer Menschen ablagern, und zwar lange bevor sie Gedächtnislücken bekommen. Die Neurologin Reisa Sperling von der medizinischen Fakultät der Universität Harvard erklärte: „Die Kombination aus Amyloid und Tau ist wirklich ein toxisches Duo.“ Sperling leitet die A4-Studie mit Teilnehmern aus den USA, Australien und Kanada. „Das zu beobachten, ist beeindruckend.“ Insgesamt sollen 1.000 gesunde Senioren in die Studie aufgenommen werden. Unter ihnen ist auch die 77-jährige Judith Gilbert, die lange für die Regierung arbeitete und kürzlich in Rente ging. Sie hat zwar geistig keine Ausfallerscheinungen, doch durch die Studie erfuhr sie, dass sich in ihrem Gehirn Plaques aus dem Beta-Amyloid-Peptid angesammelt haben. Damit steigt bei ihr die Gefahr, Alzheimer zu bekommen. Sie wurde anschließend mit einem PET-Scanner auf das Tau-Protein untersucht. „Wir wissen, dass Tau an einem bestimmten Punkt ins Spiel kommt, nur wissen wir nicht, wann“, erläuterte die wissenschaftliche Leiterin beim amerikanischen Alzheimerverband, Maria Carrillo.
Womöglich wurde die Behandlung bislang nicht früh genug begonnen
Wie es heißt, waren bisherige Tests mit Medikamenten, die sich gegen das Protein Amyloid richten, nicht erfolgreich. Möglicherweise auch deshalb, weil mit der Behandlung nicht früh genug begonnen wurde. Wissenschaftler nehmen an, dass Alzheimer in aller Stille beginnt, bereits über zehn Jahre bevor die ersten Symptome auftreten. Hirnuntersuchungen zeigen, dass auch viele gesunde Senioren die Plaques in sich tragen. Auch wenn dies keine Garantie dafür ist, dass sie eines Tages Alzheimer bekommen, besteht für sie aber ein erhöhtes Risiko. Jüngere Untersuchungen wie etwa eine große Autopsiestudie der Mayo Clinic, deuten zudem darauf hin, dass auch das Tau-Protein eine entscheidende Rolle bei der Entstehung von Alzheimer spielt. Der neuesten Theorie zufolge stellt Amyloid ein Risiko dar, aber die spätere Ablagerung von Tau beschleunigt die Zerstörungen im Gehirn. Es ist demnach die Kombination aus beiden Ablagerungen, die die Krankheit möglicherweise auslöst. Das Tau-Protein dient normalerweise als eine Art Eisenbahnschiene, die Nervenzellen dabei unterstützt, Moleküle zu transportieren. Die Stränge des Proteins kollabieren während der Alzheimer-Erkrankung und erzeugen ein Wirrwarr. Letztendlich stirbt die Zelle. Nach dem 70. Lebensjahr weisen die meisten gesunden Menschen eine kleine Menge von funktionsgestörtem Tau im Gehirn auf. Die Amyloid-Plaques führen aber dazu, dass sich dieses veränderte Tau in das Gedächtniszentrum des Gehirns hinein ausbreitet.
Medikament soll geistigen Abbau verlangsamen
Die A4-Studie soll jetzt weitere Erkenntnisse liefern. Bis zu 500 Menschen sollen im Laufe von drei Jahren je dreimal auf Tau untersucht werden. Die Forscher wollen so herausfinden, wann und wie sich das Protein in den gesunden Studienteilnehmern bildet. Die Probanden werden das Ergebnis nicht erfahren. Es ist noch zu wenig über die tatsächliche Rolle des Tau-Proteins bei der Entstehung der Krankheit bekannt. Sämtliche Teilnehmer der Studie erhalten gleichzeitig entweder das experimentelle Medikament Solanezumab mit Antikörpern gegen Beta-Amyloid oder ein Placebo. Solanezumab konnte in früheren Untersuchungen den Patienten mit voll entwickeltem Alzheimer zwar nicht helfen, es schien jedoch den geistigen Abbau bei Patienten mit einer milderen Form zu verlangsamen. Daher interessieren sich die Forscher für die Auswirkungen des Medikaments auf gesunde Senioren. Finanziert wird die 140 Millionen US-Dollar teure Studie unter anderem von der US-Gesundheitsbehörde und dem amerikanischen Pharmakonzern Eli Lilly & Company. Die Kosten für die Tau-Scans wurden vom Alzheimerverband mit Sitz in Chicago übernommen.(ad)
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Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.