Amöben: Schlanksein hat einen drastischen Effekt auf Zellgesundheit
Größere Fettreserven gelten in der Tierwelt als ein probates Mittel, um Perioden zu überstehen, in denen es weniger Nahrung gibt. Oder es dient als Isolierschicht, wie bei den Walen oder Bären, um den Körper vor Kälte zu schützen. Bei den Amöben allerdings scheint Fett gesundheitliche Nachteile zu bringen, wie ein Forscherteam vom Institut für Biologie an der Universität Kassel herausfand.
Körperfett erfüllt viele nützliche Funktionen für lebende Organismen. Biologen der Universität Kassel haben jetzt überraschende Auswirkungen von Speicherfett auf einen primitiven Einzeller entdeckt. Die Ergebnisse der Experimente zeigen, dass schlanke Zellen ein Aushungern besser meistern als fette Zellen.
Der genutzte Einzeller Dictyostelium discoideum lebt normalerweise als Amöbe im Waldboden und ernährt sich von Bakterien. Bei Nahrungsmangel rotten sich mehrere hunderttausend Zellen zusammen und bilden einen winzigen pilzförmigen Fruchtkörper, in dem sie als Sporen überdauern können. Ob Fettreserven für die Überdauerung von Vorteil sind, war bisher unbekannt.
Körperfett bildet für warmblütige Meeressäugetiere wie Wale eine Isolierschicht unter der Haut, um das Tier vor Wärmeverlust zu schützen. Bären dient es als Energiespeicher für die Zeit des Winterschlafs. Da Fett kein Wasser bindet, wiegt es wenig und hat einen geringen Platzbedarf, was ein Vorteil für Zugvögel bei der Alpenüberquerung ist. Sogar Pflanzen statten ihre Samen mit Fett aus, weil es mehr Energie bereitstellt. Insgesamt scheint die Fettspeicherung unter natürlichen Bedingungen eine vorteilhafte Eigenschaft darzustellen.
„Da Alpenüberquerung, Winterschlaf und erhöhte Körpertemperatur für Einzeller nicht in Frage kommen“ sagt Prof. Dr. Markus Maniak, Zellbiologe vom Institut für Biologie an der Universität Kassel, „war das experimentelle Vorgehen recht offensichtlich“. In einem Experiment mischte seine Doktorandin Jessica Kornke Amöben, die Fettreserven hatten, mit solchen, die schlank waren. Die Mischung wurde anschließend ausgehungert bis sich Fruchtkörper bildeten. Die Zellen wurden verschiedenfarbig markiert, wodurch leicht zu verfolgen war, welche Zellen die direkte Konkurrenzsituation leichter meisterten. Zur großen Überraschung der Wissenschaftler setzten sich die schlanken Amöben gegen die fetten Zellen durch. Tatsächlich starben innerhalb der 24 Stunden, die für die Fruchtkörperbildung notwendig sind, etwa 80% der fetten Zellen vorzeitig.
Die Forscher waren durch das Ergebnis, dass Schlanksein einen drastischen Effekt auf die Zellgesundheit hat, angespornt weitere Experimente durchzuführen. So untersuchten Kornke und Maniak eine Reihe von Dictyostelium-Mutanten, in denen Gene defekt sind, die auch bei Menschen zu gestörtem Stoffwechsel und fehlendem Fettgewebe führen. Die Amöben waren trotz eines Überangebots an Nahrung ebenso wenig in der Lage, Fettreserven anzulegen wie Menschen mit Gendefekt. Passend zur vorherigen Erkenntnis nahmen diese „genetisch-schlanken“ Zellen auf dem Weg durch die Fastenzeit keinen Schaden und trugen in normalem Umfang zur Fruchtkörperbildung bei.
„Wir sind doch sehr verwundert“ erklärt Prof. Dr. Maniak „dass diese primitiven Einzeller Probleme zeigen, wie sie für überernährte Zivilisationen üblich sind, und müssen nun dringend herausfinden, welche molekularen Ursachen hinter der drastisch verkürzten Lebenserwartung der fetten Zellen stehen.“
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