500 Todesfälle durch Diabetes-Medikament Mediator? Französische Ermittlungsbehörden eröffnen Verfahren gegen Pharmahersteller
11.02.2011
Der Hersteller des Diabetes Arzneimittels "Mediator" muss sich vor Gericht verantworten. Der 88-jährige französische Pharmaunternehmer Jacques Servier wurde wegen des Verdachtes auf fahrlässige Tötung, Körperverletzung und Betrug angeklagt. Die Nebenwirkungen des Diabetesmedikamentes Mediator, welches später auch verbreitet als Appetitzügler eingesetzt wurde, sollen nach Schätzungen der französischen Gesundheitsbehörden bei 500 bis 2000 Menschen zum Tode geführt haben. Hierfür muss sich der Inhaber des herstellenden Pharmaunternehmens, Jacques Servier, jetzt vor Gericht verantworten Dem 88-Jährigen drohen bis zu vier Jahre Haft und dem Pharmaunternehmen Servier der Lizenz-Entzug.
Gefährliches Diabetesmedikament seit 30 Jahren verwendet
Das umstrittene Diabetesmedikament wurde bereits 1976 in Frankreich zugelassen und seither nicht nur bei Diabetes sondern in wachsendem Maße auch als Appetitzügler eingesetzt. Bis zum Verbot des Präparates im Jahr 2009 sollen den Angaben der französischen Arzneimittelaufsicht zufolge mehr als fünf Millionen Konsumenten in Frankreich Mediator verwendet haben. Über 30 Jahre hatte das zweitgrößte französische Pharmaunternehmen, Servier, das Diabetesmedikament mit den gefährlichen Nebenwirkungen verkauft, bis die Arzneimittelaufsicht Mediator vom Markt nahm.
Dem Pharmaunternehmen waren die erheblichen Nebenwirkungen offenbar jedoch bereits seit langem bekannt. Die französischen Gesundheitsbehörden teilten Ende des letzten Jahres mit, dass während der letzten dreißig Jahre in Frankreich rund 3.500 Krankenhauseinlieferungen in Folge der Einnahme des Arzneimittels Mediator erforderlich wurden und mindestens 500 Patienten aufgrund der Verwendung gestorben seien. Ende 2009 sah sich die französische Arzneimittelaufsicht wegen der massiven Nebenwirkungen (insbesondere bei Patienten mit einer Herzklappenfehlfunktion) dazu gezwungen, Mediator auch in Frankreich zu verbieten. In anderen europäischen Staaten wie zum Beispiel Deutschland hatte das umstrittene Diabetesmedikament nie eine Zulassung erhalten oder sie wurde – wie in Spanien und Italien im Jahr 2005 – nach dem Bekanntwerden der massiven Nebenwirkungen wieder zurückgenommen.
Hinterbliebene und Opfer klagen gegen Pharmakonzern Servier
In Frankreich haben sich 175 Menschen, Hinterbliebene und Opfer zusammengetan und gegen das Pharmaunternehmen Servier geklagt. Das Unternehmen habe fahrlässig die Tötung oder zumindest die schwerwiegende gesundheitliche Schädigung der Kunden in Kauf genommen und in betrügerischer Absicht versucht, das auch als Appetitzügler verkaufte Präparat auf dem Markt zu halten, so der Vorwurf der Kläger. Sowohl die staatlichen als auch die privaten Krankenversicherungen Frankreichs unterstützen die Kläger in ihrem Anliegen. Bis zuletzt hat das Pharmaunternehmen jegliche Verantwortung von sich gewiesen und die Glaubwürdigkeit der Studien, die einen eindeutigen Zusammenhang mit einer Vielzahl von Todesfällen herstellen, bezweifelt. „Es handelt sich um Schlussfolgerungen aus Hypothesen“, kommentierte noch letztes Jahr ein Sprecher des Unternehmens. Obwohl sich an dieser Grundhaltung nicht viel geändert haben dürfte, kündigte Servier nun unmittelbar vor Prozessbeginn die Einrichtung eines Entschädigungsfonds mit über 20 Millionen Euro an.
Skandal um Diabetes-Medikament birgt politische Brisanz
Angesichts der im Raum stehenden Schadensersatzforderungen in Höhe von mehr als 200 Millionen Euro, nur verständlich, dass der Pharmahersteller Servier mit der Gründung eines Entschädigungsfonds versucht, sich ein wenig besser zu positionieren. Doch fragwürdig ist, ob die Kläger sich von diesem Angebot beeindrucken lassen. Ihre Chancen auf einen Erfolg vor Gericht stehen, angesichts der Vielzahl verschiedener Untersuchung, welche die negativen gesundheitlichen Folgen von Mediator bestätigen, relativ gut. Außerdem scheint die Rückendeckung für den Pharmakonzern von politischer Seite aus allmählich zu bröckeln. Zwar hatte der französische Präsident den Firmengründer Jacques Servier noch kürzlich für seine besonderen Verdienste geehrt. Doch angesichts der Vorwürfe aus der Opposition, die Regierung habe einem Verbot von Mediator entgegen gewirkt, um die „Interessen des französischen Labors Servier (zu) schützen“, geht Präsident Sarkozy derzeit lieber auf Distanz. Für seine Skandal-geplagte Regierung wäre es eine politische Katastrophe, wenn sich herausstellen würde, dass von Seiten der Politik ein Verbot des Medikamentes, trotz der gefährlichen Nebenwirkungen, verhindert wurde. (fp)
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