BGH: Kindeswohl- und -wille entscheidend für Betreuung durch Eltern
Ein getrennt lebender Vater kann bei ständigen Streitigkeiten mit seiner Ex kaum die hälftige Betreuung des gemeinsamen Kindes durchsetzen. Zwar sieht das Gesetz ein solches „Wechselmodell“ gleichberechtigt vor, heißt es in einem am Montag, 27. Februar 2017, veröffentlichten Beschluss (Az.: XII ZB 601/15) des Bundesgerichtshofs (BGH) in Karlsruhe. Die Familiengerichte dürften dies aber nur anordnen, wenn es dem Kindeswohl entspricht; dies wiederum setze die Fähigkeit der Eltern zu Austausch und Zusammenarbeit voraus.
Damit kann sich ein Vater aus Franken noch Hoffnung machen, seinen 14-jährigen Sohn im wöchentlichen Wechsel mit seiner geschiedenen Ehefrau betreuen zu können. Das Paar hatte sich nach fast 25-jähriger Ehe scheiden lassen und steht seitdem regelmäßig im Streit, der immer wieder auch gerichtlich ausgefochten wird.
Die Eltern haben aber das gemeinsame Sorgerecht und konnten sich im Januar 2013 zunächst noch auf eine Umgangsregelung einigen. Danach bleibt der Sohn überwiegend bei der Mutter. Der Vater sollte den Sohn alle zwei Wochen am Wochenende zu sich nehmen. Auch der Umgang während der Ferien wurde geregelt.
Doch dem Vater war der Kontakt zu seinem Sohn schließlich zu wenig. Er verlangte eine Umgangsregelung nach dem sogenannten paritätischen Wechselmodell. Sein Sohn solle im wöchentlichen Wechsel immer zu ihm kommen.
Die geschiedene Ehefrau lehnte dies ab und begründete dies unter anderem mit den wiederkehrenden Streitigkeiten mit ihrem Ex-Mann. Das gewünschte Wechselmodell setze voraus, dass man miteinander reden könne. Hier sei das Verhältnis aber zerrüttet. Es bestehe keine ausreichende Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit.
Das Amtsgericht Schwabach und das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg wiesen den Antrag des Vaters auf gerichtliche Anordnung des Wechselmodells zurück. Das Umgangsrecht sehe eine Anordnung des paritätischen Wechselmodells nicht vor.
In seinem Beschluss vom 1. Februar 2017 widersprach dem jedoch der BGH. Das Wechselmodell sei vom Gesetz her nicht ausgeschlossen. Die gesetzliche Regelung orientiere sich zwar am sogenannten Residenzmodell, bei dem ein Elternteil die Kindesbetreuung überwiegend ausübt. Ein gesetzliches Leitbild, das andere Betreuungsmodelle ausschließt, sei dies aber nicht.
Entscheidend sei vielmehr, welches Betreuungsmodell dem Kindeswohl entspricht. Sei das Verhältnis der Eltern „erheblich konfliktbelastet“, liege ein gerichtlich angeordnetes paritätisches Wechselmodell „in der Regel nicht im wohlverstandenen Interesse des Kindes“, so der BGH. Die paritätische Betreuung dürfe auch nicht deshalb angeordnet werden, damit die Eltern erst lernen, miteinander wieder zu kooperieren.
Allerdings könne das paritätische Wechselmodell gerichtlich angeordnet werden, wenn dies nicht nur dem Kindeswohl, sondern auch dem Willen des Kindes entspricht. Je älter das Kind ist, desto eher gelte der Kindeswille, so der BGH.
Über den konkreten Fall muss nun das OLG neu entscheiden. Dieses muss das Kind persönlich anhören und bestimmen, welches Betreuungsmodell dem Kindeswohl entspricht und für den Sohn geeignet ist.
Auch unterhaltsrechtlich hat das gewählte Betreuungsmodell Auswirkungen. Während bei dem Residenzmodell derjenige Elternteil Kindesunterhalt erhält, bei dem das Kind überwiegend wohnt, sieht das beim Wechselmodell etwas anders aus. Nach einem BGH-Beschluss vom 5. November 2014 sind beide Elternteile zum Unterhalt verpflichtet (Az.: XII ZB 599/13, JurAgentur-Meldung vom 17. Dezember 2014). Verdienen beide Elternteile genau gleich, muss danach keiner dem anderen Kindesunterhalt zahlen. Hat dagegen ein Elternteil ein höheres Einkommen, muss er dies ausgleichen, indem er dem Ex-Partner Barunterhalt zahlt. fle/mwo
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