Antibiotika in der Massentierhaltung bedrohen die Gesundheit
03.05.2014
Die Zahl multiresistenter Keime, gegen die Antibiotika nichts mehr bewirken können, nimmt ständig zu. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnt, dass Antibiotika-Resistenzen eine ernsthafte Bedrohung der öffentlichen Gesundheit darstellen. Ein Grund für das Problem ist der Einsatz von Medikamenten in der Massentierhaltung.
Ernsthafte Bedrohung der öffentlichen Gesundheit
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) kommt in ihrem ersten globalen Überwachungsbericht über das Problem resistenter Keime zu dem Schluss, dass sich Antibiotika-Resistenzen weltweit auf dem Vormarsch befinden und eine ernsthafte Bedrohung der öffentlichen Gesundheit darstellen. Keiji Fukuda, Vizedirektor der WHO, erklärte, die Folgen seien fatal: „Krankenhäuser in sämtlichen Regionen der Welt melden Infektionen, die gar nicht oder nur schwierig behandelbar sind.“ Die WHO hat in insgesamt 114 Ländern Daten zu sieben weit verbreiteten Bakterienarten zusammengetragen, die eine Reihe von häufigen Krankheiten auslösen können. Wie sich zeigte, tragen inzwischen weite Teile der Weltbevölkerung Keime in sich, die nicht auf Antibiotika ansprechen. „Die genauen Zahlen mögen von Region zu Region abweichen, aber insgesamt zeigt sich doch ein einheitliches Bild“, so Fukuda. „Die Fähigkeit zur Behandlung von schweren Infekten nimmt ab und zwar in allen Weltgegenden.“
Ein täglich wiederkehrendes Problem
Der Bericht über das Ausmaß von Antibiotika-Resistenzen wird von Experten begrüßt. Er sei zudem längst überfällig gewesen. So zeigte sich etwa die Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen“ erleichtert, dass die WHO das Thema endlich ganz weit oben auf die Tagesordnung setzt. „Dies ist bei all unseren Einsätzen überall in der Welt ein täglich wiederkehrendes Problem“, erklärte Jennifer Cohn von der „Medikamentenkampagne“ der „Ärzte ohne Grenzen“ laut einem Bericht von „Deutsche Welle“ (DW). „In Niger tritt es bei Kindern auf, die unter Mangelernährung leiden und in Jordanien sehen wir es bei Patienten mit Verletzungen. Wo immer wir hinschauen, sehen wir unterschiedliche Bakterienarten, die gegen Antibiotika resistent sind.“ Auch der deutsche Infektiologe Benedikt Huttner in der Uniklinik Genf hat nach Angaben der DW mit Patienten zu tun, die sich mit multiresistenten Keimen angesteckt haben, gegen die kein Antibiotikum mehr hilft. „Die extrem resistenten Keime, die wir hier sehen, betreffen häufig Patienten, die vielleicht auf einer Intensivstation in einem anderen Land waren, zum Beispiel nach einem Autounfall in Indien oder Ägypten – und dann hierher verlegt wurden“, so der Mediziner.
Komplikationen bei Allerweltskrankheiten
Wenn Medikamente nicht mehr wirksam sind, drohen Blutvergiftungen, Lungenentzündungen, Geschlechtskrankheiten wie Tripper oder Durchfallerkrankungen wieder so lebensbedrohlich zu werden wie vor der Erfindung des Penicillins. Welche Ausmaße die Gefahr annehmen kann, kann man sich vor Augen führen, wenn man sich Erkrankungszahlen ansieht. Fukuda erläuterte: „Täglich erkranken weltweit rund eine Million Menschen an Durchfall.“ Die WHO warnt bereits vor einem „post-antibiotischen Zeitalter“. Immer öfter komme es bei Allerweltskrankheiten zu Komplikationen. Viele Erreger sind zwar für gesunde Menschen ungefährlich, doch wenn diese Keime resistent gegen Antibiotika werden und in den Körper eines Kranken gelangen, können sie dort schwere Erkrankungen hervorrufen. Unter anderem zählt der Darmkeim Klebsiella pneumoniae zu diesen Erregern, der bei Krankenhauspatienten mit geschwächtem Immunsystem tödliche Lungenentzündungen verursachen kann. Oft sind die Bakterien nicht nur gegen die gängigen Antibiotika sondern auch gegen die Reserveantibiotika resistent.
Behandlung wird durch resistente Keime teurer
Ein weiteres Problem, das in diesem Zusammenhang auftaucht, ist, dass die resistenten Keime die Behandlung sowohl in Industriestaaten als auch in Entwicklungsländern viel teurer machen, erläuterte Fukuda. Und nicht nur das; in einigen Weltregionen werden auch Medikamente gegen Krankheiten wie beispielsweise Malaria, Aids oder Tuberkulose zunehmend wirkungslos. „Wir sind dabei den wichtigsten Wirkstoff in der Malariabehandlung, Artemisia, in Asien zu verlieren“, so Fukuda. Weil die schwachen Gesundheitssysteme es nicht schaffen, den Einsatz tatsächlich so zu überwachen, dass sie auch immer in der von Ärzten verordneten Weise eingenommen werden, werden Aids-Medikamente wirkungslos. Da die kostenlos ausgegebenen Aids-Medikamente oft das einzige von Wert sind, was manche Patienten besitzen, werden diese in armen Ländern häufig weiter verkauft. Zudem heißt es in der Studie, dass die Hälfte der weltweit entdeckten Fälle von Tuberkulose schon nicht mehr mit traditionell wirksamen Medikamenten behandelbar sind.
Jährlich 25.000 Tote durch Antibiotika-Resistenz
Allein in Europa sterben nach Schätzungen der WHO jedes Jahr 25.000 Menschen an den Folgen einer Antibiotika-Resistenz. Da viele Länder die Gesundheitsbedrohung durch resistente Keime nicht ernst nehmen und dementsprechend keine Daten erheben, liegen über das globale Ausmaß keine Angaben vor. Weitgehende Einigkeit herrscht über die Ursachen der Resistenzbildung: Der leichtfertige Umgang mit Antibiotika. Dabei ist auch der verbreitete Einsatz der Medikamente in der Massentierhaltung ein wesentliches Problem. „Antibiotika werden viel zu viel verschrieben, nicht nur bei Menschen, sondern auch bei Tieren: ungefähr 80 Prozent der Antibiotika werden Tieren gegeben“, so Huttner. Antibiotika stecken aber nicht nur im Fleisch, sondern werden mit der Gülle auch aus den Tiermast-Betrieben auf die Felder geschwemmt und gelangen so ins Trinkwasser.
Händewaschen gegen Infektionen
Um das Problem einzudämmen, wäre es sehr hilfreich, wenn Antibiotika nur unter ärztlicher Aufsicht abgegeben und von Patienten korrekt eingenommen würden. Wie Fukuda erklärte, seien aber Maßnahmen, die das Infektionsrisiko von Mensch zu Mensch senken, noch wirkungsvoller. Dazu gibt es teilweise einfachste Mittel und Wege. „Es gibt Impfungen, mit denen Infektionen reduziert werden können. Eine weitere Methode im Kampf gegen Infektionen ist das Händewaschen.“ Experten hoffen nun, dass der WHO-Bericht das Bewusstsein für die Gefährlichkeit der Antibiotika-Resistenz schärft. Auch Huttner plädiert für entschlossenes und koordiniertes Handeln: „Man hat in der Vergangenheit immer wieder gesehen: Wenn man das nicht frühzeitig erkennt und frühzeitig etwas unternimmt, wird es viel viel schwieriger, das zu kontrollieren. Wenn die Resistenzen einmal da sind, gehen sie in der Regel nicht so einfach wieder weg.“ (ad)
Bild: Cornelia Menichelli / pixelio.de
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