Phytotherapie als Waffe gegen weltweit zunehmende Antibiotikaresistenz
„Es hat den Anschein, dass wir dabei sind, den heute auf dem Gebrauch von Antibiotika und Chemotherapeutika basierenden Kampf gegen Infektionserreger und Parasiten zu verlieren.“ Mit diesen drastischen Worten weist Professor Dr. Dr. Matthias F. Melzig auf die weltweit zunehmende Bedrohung durch antibiotikaresistente Krankheitserreger hin. Er hält ein kürzlich von der Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization, WHO) veröffentlichtes Programm zum bewussteren Einsatz von Antibiotika für nicht ausreichend. Im Kampf gegen Antibiotikaresistenzen setzt Melzig auf die Phytotherapie (Pflanzenheilkunde).
Pflanzenwirkstoffe können entscheidenden Vorteil bringen
In dem kürzlich in der Zeitschrift für Phytotherapie erschienenen Artikel „Phytotherapie – eine Chance im Kampf gegen die Antibiotikaresistenz“ verweist Melzig auf Pflanzenwirkstoffe, die antimikrobiell wirken oder die Wirkung von Antibiotika verstärken können. Als Beispiele nennt er unter anderem ätherische Öle, Saponine oder auch Senfölglykoside. Als Professor für pharmazeutische Biologie an der Freien Universität Berlin kennt Melzig sich auf diesem Gebiet bestens aus. Gezielt eingesetzte Pflanzenwirkstoffe können aus seiner Sicht einen „relevanten Beitrag“ im Kampf gegen Antibiotikaresistenzen leisten – und das sowohl in der Human- als auch in der Veterinärmedizin.
Breiterer Einsatz von Phytotherapeutika gefordert
Laut Professor Dr. Dr. Melzig werden Phytotherapeutika (pflanzliche Arzneimittel) bisher lediglich in der Behandlung der Rhinosinusitis (gleichzeitige Entzündung der Nasenschleimhaut und der Nasennebenhöhlenschleimhäute) sowie gegen wiederkehrende Blasenentzündungen (rezidivierende Zystitis) als alleinige Alternative zur Verabreichung eines Antibiotikums oder als Ergänzung dazu betrachtet. Melzig empfiehlt jedoch, diese Vorgehensweise erheblich auszuweiten. Dabei beruft er sich auf die aktuelle Studienlage, die der Pflanzenheilkunde eine gute Wirksamkeit gegen Infektionen bescheinigt.
Melzig dazu wörtlich: „Schaut man sich die internationale Literatur zu diesem Thema an, so ist in den vergangenen 20 Jahren eine Reihe von Studien veröffentlicht worden, die es geradezu nahelegen, bei unkomplizierten Infektionen zunächst phytotherapeutisch zu behandeln, bzw. bei Infektionen mit bereits resistenten Erregern die Kombination von Antibiotikum und Phytotherapeutikum einzusetzen.“
Pflanzliche Hilfe gegen wiederkehrende Harnwegsinfektionen
Bei wiederholt auftretenden Harnwegsinfektionen, wie zum Beispiel einer Blasenentzündung, nennt Professor Dr. Dr. Melzig Zimtrinde, Cranberry, Erd-Burzeldorn sowie Bärentraubenblätter als natürlich wirksame Helfer. Diese könnten allein oder in Kombination mit einem Antibiotikum verabreicht werden. Zudem seien sie gut verträglich und nebenwirkungsarm.
Thymian-, Salbei- oder Zimtöl wirken antibakteriell
Laut Professor Dr. Dr. Melzig wirken etwa die Öle von Oregano, Thymian, Salbei, Zimt oder Teebaum „gegen ein erstaunlich breites Spektrum von Mikroorganismen“. Dies gelte sowohl für die innerliche als auch für die äußerliche Anwendung bei Mensch und Tier. „Auch gegenüber resistenten Keimen, wie MRSA, Pseudomonas aeruginosa oder Klebsiella pneumoniae, sind bestimmte ätherische Öle wirksam, allein und besser noch in Kombination mit einem Standardantibiotikum. Das hilft, eine Infektion zu bekämpfen und Resistenzentwicklung bzw. -verbreitung zu hemmen.“
Hintergrund
Das Wort Antibiotikum (Mehrzahl: Antibiotika) leitet sich ab von den griechischen Wörtern „anti“, also „gegen“, und „bios“, was so viel wie „Leben“ bedeutet. Antibiotika werden in der Schulmedizin eingesetzt, um Krankheitserreger wie Bakterien und Parasiten abzutöten. Das wohl bekannteste Antibiotikum ist das Penicillin, dessen besondere Wirkung 1928 von Alexander Fleming entdeckt wurde.
Weil Antibiotika sowohl in der Human- als auch in der Veterinärmedizin und in der Landwirtschaft seit Jahrzehnten sehr häufig eingesetzt werden, haben sich diverse Bakterien und Parasiten inzwischen weiterentwickelt und reagieren auf viele Antibiotika nicht mehr (Resistenzentwicklung). Dadurch verlieren diese ihre Wirksamkeit.
Zum Weiterlesen
Alle wichtigen Informationen rund um die Phytotherapie (Pflanzenheilkunde) finden Sie in unserem Artikel „Phytotherapie”.
Wichtiger Hinweis
Die Wahl der passenden Therapieform gehört immer in ärztliche Hand. Auch pflanzliche Arzneimittel können – einzeln oder in Kombination mit anderen Medikamenten – erhebliche und zum Teil gefährliche Nebenwirkungen haben. Nehmen Sie daher Phytotherapeutika nicht ohne ärztliche Rücksprache ein und brechen Sie keinesfalls eine bereits laufende Therapie mit Antibiotika einfach ab. Wenn Sie sich eine natürliche Behandlungsform wünschen, sprechen Sie Ihren behandelnden Arzt oder Ihre behandelnde Ärztin am besten aktiv darauf an. (kh)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Melzig, Matthias F.: Phytotherapie – eine Chance gegen die Antibiotikaresistenz; in: Zeitschrift für Phytotherapie, Ausgabe 40 (05), Seite 193-194, 2019, Thieme Connect
- Mittal, Rajinder, Rana, Abhilash, Jaitak, Vikas: Essential Oils: An Impending Substitute of Synthetic Antimicrobial Agents to Overcome Antimicrobial Resistance; in: Current Drug Targets, Vol. 19, Seite 605-624, 2018, ResearchGate
- Shaheen, Ghazala, Akram, Muhammad, Jabeen, Farhat et al.: Therapeutic Potential of Medicinal Plants for the Management of Urinary Tract Infection: A Systematic Review; in: Clinical and Experimental Pharmacology and Physiology, Vol. 46 (7), Seite 613-624, 2019, ResearchGate
- Afshar, Kambiz et al.: Reducing antibiotic use for uncomplicated urinary tract infection in general practice by treatment with uva-ursi (REGATTA) – a double-blind, randomized, controlled comparative effectiveness trial; in: BMC Complementary and Alternative Medicine, Vol. 18 (01), Seite 203, 2018, BMC
- World Health Organization (WHO): WHO releases the 2019 AWaRe Classification Antibiotics (Abruf: 09.12.2019), www.who.int
- World Health Organization (WHO): Antibiotic resistance (Abruf: 09.12.2019), www.who.int
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.