Neuartiges Antibiotikum gegen gramnegative Bakterien in Sicht
Die rasche Verbreitung von Antibiotikaresistenzen ist zu einem weltweiten Problem geworden. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) stellen vor allem gramnegative Bakterien eine wachsende Bedrohung für die menschliche Gesundheit dar. Ein internationales Forschungsteam hat nun einen neuen Wirkstoff gegen diese Problemkeime entdeckt.
Ein internationales Forschungsteam mit Beteiligung der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) und dem Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) hat mit „Darobactin“ einen neuen Wirkstoff gegen gramnegative Bakterien entdeckt, der an bislang unbekanntem Wirkort ansetzt.
Immer mehr Resistenzen
Wie das DZIF in einer Mitteilung schreibt, entwickeln immer mehr bakterielle Erreger von Infektionskrankheiten Resistenzen gegen die marktüblichen Antibiotika. Typische Krankenhauskeime wie Escherichia coli und Klebsiella pneumoniae haben Resistenzen gegen die meisten – und in manchen Fällen sogar alle – Antibiotika erlangt, die derzeit zur Verfügung stehen.
Was diese Erreger so schwer angreifbar macht, ist ihre zusätzliche äußere Membran. Diese schützt die Bakterien besonders gut, indem sie viele Substanzen nicht ins Zellinnere gelangen lässt. Vor allem zur Behandlung von Krankheiten, die durch diese sogenannten gramnegativen Bakterien verursacht werden, fehlen neue Wirkstoffe.
Ein internationales Forschungsteam mit Beteiligung von Forschenden der Universität Gießen hat nun ein neuartiges Peptid entdeckt, das gramnegative Bakterien an einem bislang unbekannten Wirkort angreift. Ihre Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Nature“ veröffentlicht.
Kandidat für eine neue Klasse an Antibiotika
„Seit den 1960er-Jahren ist es nicht gelungen, eine neue Klasse an Antibiotika gegen gramnegative Bakterien zu entwickeln, aber dies könnte jetzt ein Kandidat dafür sein“, sagte Prof. Till Schäberle vom Institut für Insektenbiotechnologie der JLU und Projektleiter am DZIF. Seine Arbeitsgruppe ist an der neuen Entdeckung beteiligt.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nutzten ein Screening, einen klassischen Ansatz aus der Naturstoffforschung. Dabei testete das Team von Prof. Kim Lewis von der Northeastern University in Boston, Massachusetts (USA), Extrakte bakterieller Symbionten von insektenpathogenen Fadenwürmern auf eine Aktivität gegen E. coli. So gelang es den Forschenden, ein Peptid zu isolieren, das sie „Darobactin“ genannt haben.
Wie in der Mitteilung erklärt wird, besteht Darobactin aus sieben Aminosäuren und zeigt strukturelle Besonderheiten: Mehrere Aminosäuren sind über ungewöhnliche Ringschlüsse verknüpft. Die Substanz zeigt keine Zelltoxizität – eine Voraussetzung für den Einsatz als Antibiotikum.
Wirkort ermittelt
„Wir konnten bereits Einblicke gewinnen, wie die Bakterien dieses Molekül synthetisieren“, sagt Schäberle. „Nun arbeiten wir im Bereich Naturstoffforschung des Instituts für Insektenbiotechnologie der JLU daran, die Produktion dieser Substanz zu erhöhen und Analoga zu generieren.“
Die Forschenden ermittelten auch den Wirkort von Darobactin und stellten fest, dass Darobactin an das Protein BamA bindet, das in der äußeren Membran gramnegativer Bakterien lokalisiert ist. Dadurch wird der Aufbau einer funktionalen äußeren Membran gestört und die Keime sterben ab.
„Besonders interessant ist, dass dieser bislang unbekannte Angriffspunkt außen liegt und Substanzen ihn einfach erreichen können“, so Schäberle.
Hervorragende Wirkung bei Infektionen
Den Angaben zufolge zeigte Darobactin eine hervorragende Wirkung bei Infektionen mit sowohl Wildtyp- als auch antibiotikaresistenten Pseudomonas aeruginosa-, Escherichia coli- und Klebsiella pneumoniae-Stämmen. Somit stellt Darobactin eine vielversprechende Leitstruktur zur Entwicklung eines neuen Antibiotikums dar.
Wie dringlich dies ist, zeigt auch die Tatsache, dass die WHO den Forschungs- und Entwicklungsbedarf gegen die resistenten Erreger mit höchster Priorität für die menschliche Gesundheit eingestuft hat.
Beteiligt an der wissenschaftlichen Arbeit waren Forscherinnen und Forscher aus den USA (Northeastern University, Boston, Massachusetts; Purdue University, West Lafayette, Indiana; J. Craig Venter Institute, La Jolla, Kalifornien), Deutschland (Justus-Liebig-Universität Gießen; Deutsches Zentrum für Infektionsforschung DZIF, Standort Gießen-Marburg-Langen; European Molecular Biology Laboratory EMBL, Heidelberg) und der Schweiz (Universität Basel). (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Deutsches Zentrum für Infektionsforschung (DZIF): Neuartiges Antibiotikum gegen Problemkeime in Sicht, (Abruf: 24.11.2019), Deutsches Zentrum für Infektionsforschung (DZIF)
- Nature: A new antibiotic selectively kills Gram-negative pathogens, (Abruf: 24.11.2019), Nature
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.