Zusammenhang zwischen Zusammensetzung des Darmmikrobioms und Depressionen
Immer mehr Menschen leiden an Depressionen. Die psychische Krankheit wird meist mit Medikamenten (Antidepressiva) und Psychotherapie behandelt. Möglicherweise gibt es noch weitere Behandlungsmöglichkeiten. Denn wie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nun herausgefunden haben, vermindert ein Antibiotikum Depressions-Verhalten über Veränderungen der Zusammensetzung der Darmflora und hemmt dadurch einen „Entzündungsprozess“ im Gehirn.
Erst vor wenigen Wochen berichteten österreichische Forschende über neue Erkenntnisse, denen zufolge Darmbakterien zu psychischen Erkrankungen beitragen könnten. Nun erklären auch Wissenschaftler aus Deutschland, dass unsere Psyche auch durch die Darmflora reguliert wird. Zudem stellten sie fest, dass ein Antibiotikum Depressions-Verhalten vermindern kann.
Eine der häufigsten psychischen Erkrankungen weltweit
Wie die Universität Regensburg in einer Mitteilung schreibt, gehört die Depression zu den häufigsten psychischen Krankheiten weltweit. Etwa jeder Fünfte wird einmal im Leben davon betroffen. Mindestens 350 Millionen Menschen weltweit leiden an Depressionen. Die Erkrankten schildern eine alarmierende Gemütslage gezeichnet von Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit und Apathie, einem Gefühl innerer Leere und häufig dem Verlust an den schönen Dingen des Lebens, genannt Anhedonie.
Zudem kommen Müdigkeit, Antriebslosigkeit und ein vermindertes Selbstwertgefühl sowie in den schlimmsten Fällen Suizidgedanken und Suizidversuche hinzu. Die Behandlung einer klinisch manifesten Depression erfolgt heutzutage in der Regel mittels sogenannter Antidepressiva, die bei vielen Patienten zu einer zuverlässigen Verbesserung der Symptome führt. Der Heilungsprozess wird aber oft durch Nebenwirkungen erschwert, und 30 Prozent der Patienten sprechen entweder sehr spät oder gar nicht auf die Behandlung an.
Unsere Psyche wird durch verschiedene Einflüsse reguliert: dem Immunsystem, dem Zusammenspiel unserer Hormone, aber auch der Darmflora, dem Mikrobiom. Tatsächlich besteht unser Körper aus mehr Bakterienzellen im Darm als „eigenen“ Körperzellen. Die Bakterien der Darmflora sind nicht nur – wie lange angenommen – für die Verdauung wichtig, sondern die Zusammensetzung des Mikrobioms entscheidet auch maßgeblich über unser emotionales Wohlbefinden und scheint in depressiven Patienten verändert zu sein.
Weniger Depressions-ähnliches Verhalten
In einer Studie untersuchten nun Neurobiologen um Prof. Dr. Inga Neumann, Lehrstuhl für Tierphysiologie und Neurobiologie der Universität Regensburg, in Kooperation mit den Teams von Prof. Dr. Rainer Rupprecht, Lehrstuhl für Psychiatrie und Psychotherapie des Bezirksklinikums Regensburg, Prof. Dr. Andre Gessner vom Institut für Klinische Mikrobiologie und Hygiene des Universitätsklinikums Regensburg, sowie Prof. Dr. Isabella Heuser, Charite Berlin den genauen Zusammenhang zwischen Emotionalität, Depression und Mikrobiom bei Laborratten.
Die Doktorandin Anna-Kristina Schmidtner konnte dabei nachweisen, dass sich bei den Ratten, die besonders ängstlich sind und zudem ein behandlungsresistentes Depressions-Verhalten zeigen, die Zusammensetzung des Darm-Mikrobioms stark von normalen, nicht-ängstlichen Tieren unterscheidet. Wenn die ängstlichen Tiere mit dem Antibiotikum Minozyklin behandelt werden, wird nicht nur die Darmflora erwartungsgemäß stark verändert. Die Ratten verhalten sich auch aktiver und zeigen weniger Depressions-ähnliches Verhalten. Die Studienergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Translational Psychiatry“ veröffentlicht.
Zusammensetzung des Mikrobioms ändert sich
Doch wie kann es sein, dass ein Antibiotikum das Verhalten von Tieren beeinflusst? Neben seiner Wirkung auf die Darmbakterien veränderte Minozyklin im Gehirn sogenannte Glia-Zellen, vormals als „Kitt“ des Gehirns bezeichnet, die zahlreiche Gehirn-Funktionen regulieren. Den Angabe zufolge gehen Depressionen mit einer Aktivierung der Mikroglia einher, was auch als Entzündungsprozess des Gehirns interpretiert wird.
Dem Team um Prof. Neumann gelang jetzt der Nachweis, dass sich nach einer Minozyklin-Behandlung die Zusammensetzung des Mikrobioms ändert: Manche Bakterienfamilien werden seltener, andere werden häufiger, vor allem solche Bakterienfamilien, die kurzkettige Fettsäuren produzieren. Diese gelangen in die Blutbahn und können auf diesem Weg auch Einfluss auf das Gehirn nehmen.
Den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zufolge kann eine dieser Substanzen –Butyrat – sogar die Aktivierung von Mikroglia im Gehirn verhindern, also entzündungshemmend wirken. Der antidepressive Effekt von Minozyklin ist deshalb mit großer Wahrscheinlichkeit auf diese Wirkung zurückzuführen.
Gute Ergebnisse erzielt
Auch Experten aus Berlin hatten vor wenigen Monaten berichtet, dass sie bei Depressionen mit Antibiotika gute Ergebnisse erzielt haben, und zwar ebenfalls „mit Minocyclin, einem bewährten und gut verträglichen Antibiotikum aus der Gruppe der Tetracycline“, erklärte Professorin Isabella Heuser, Leiterin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Charité – Universitätsmedizin Berlin auf dem Campus Benjamin Franklin, in einer Mitteilung der Freien Universität (FU) Berlin. Dieses Medikament wird seit langem erfolgreich gegen Akne und Rheuma eingesetzt und zeigt kaum Nebenwirkungen. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Universität Regensburg: Mehr als nur ein Bauchgefühl – Gehen Depressionen durch den Magen?, (Abruf: 18.09.2019), Universität Regensburg
- Translational Psychiatry: Minocycline alters behavior, microglia and the gut microbiome in a trait-anxiety-dependent manner, (Abruf: 18.09.2019), Translational Psychiatry
- Freie Universität Berlin: Ein Antibiotikum gegen Depression?, (Abruf: 18.09.2019), Freie Universität Berlin
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.