Forscher entdecken Methode die Bakterien zum Selbstmord treibt
23.03.2011
Nicht zuletzt weil zahlreiche Erreger mittlerweile immun gegen die gängigen Antibiotika sind, läuft die Forschung zur Behandlung bakterieller Infektionen derzeit auf Hochtouren. Ein erfolgversprechender Ansatz, den die Wissenschaft dabei verfolgt, ist, Bakterien mit Hilfe ihrer eigenen Gifte in den "Selbstmord" zu treiben.
Das Forscherteam um Anton Meinhart vom Max Planck Institut für medizinische Forschung in Heidelberg hat herausgefunden, wie die selbstproduzierten Gifte der Bakterien wirken und unter welchen Umständen dies zum Selbstmord der Bakterien führt. Ihre Erkenntnisse hoffen die Wissenschaftler künftig zur effektiven Bekämpfung gefährlicher Erreger nutzen zu können.
Zeta-Toxine verursachen Selbstmord der Bakterien
Zahlreiche gefährliche Bakterien enthalten sogenannte Zeta-Toxine, die unter bestimmten Voraussetzungen zum Absterbende der Erreger führen. Bei ungünstigen Lebensbedingungen begehen teilungsaktive Zellen mit Hilfe der selbstproduzierten Gifte Selbstmord, um die Nahrungsgrundlage für die übrigen schlummernden Erreger und so das langfristige Überleben der Bakteriengemeinschaft zu sichern. Dieses nahezu als Altruismus zu bezeichnende Phänomen, wird durch die sogenannte Zeta-Toxine ausgelöst, sobald die ebenfalls in den Bakterien enthaltenen Gegengifte ihre Funktion verlieren. Wann dies der Fall ist und wie der Prozess genau von statten geht, war bisher jedoch unklar. Die Heidelberger Forscher haben nun jedoch herausgefunden, wie die in vielen gefährlichen Bakterienarten (zum Beispiel bei den Erregern von Lungenentzündungen oder Blutvergiftungen) vorkommenden Selbstmordgifte wirken. Die Zeta-Toxine werden demnach als Enzym fortwährend von den Bakterien selber produziert, doch ihre Wirkung durch ein spezielles Gegengift aufgehoben. In Stresssituationen wie Nahrungsknappheit wird die Produktion des Gegengiftes zurückgefahren und die Zeta-Toxine lösen den programmierten Zelltod, die sogenannte Apoptose, aus.
Bakterien platzen bei der Zellteilung
Wie die Zeta-Toxine genau den Selbstmord bei der Zellteilung bewirken, konnten die Forscher aus Heidelberg ebenfalls klären: Zeta-Toxin verursacht die Bildung des Moleküls UNAG-3P. Dieses verhindert bei der Zellteilung die Ausbildung einer neuen Zellwand zur Trennung der beiden Tochterzellen und führt so zum Platzen der Zellen. Im Rahmen ihrer Untersuchungen haben die Heidelberger Forscher die Wirkung eines Zeta-Toxins, das sie aus dem Erreger der Lungenentzündung (Streptococcus pneumonia) isoliert hatten, bei dem Bakterium Echerichia coli getestet. Letzteres dient als menschliches Darmbakterium in der Laborforschung häufig als Modellorganismus für Versuche und verfügt über keine eigenen Gegengifte. Die Untersuchung habe ergeben, dass die Zeta-Toxine bei der Zellteilung zum Platzen der Bakterienzellen führen, berichten die Heidelberger Wissenschaftler in der aktuellen Ausgabe des Fachjournals „PLoS Biology“.
Forschungsansatz für die Entwicklung eines Breitbandantibiotikums
Für die Wissenschaft besonders interessant ist die Wirkung des Moleküls UNAG-3P, dessen Produktion durch die Zeta-Toxine ausgelöst wird. Denn UNAG-3P setzt bei dem kritischen Prozess der Zellteilung an und könnte im Kampf gegen die meisten bakteriellen Infektionen eingesetzt werden, so die Hoffnung der Heidelberger Forscher. Sollte es gelingen, UNAG-3P in ein Medikament zu verwandeln, könnte dies als Breitbandantibiotikum bei der Behandlung zahlreicher Infektionskrankheiten dienen, glauben die Wissenschaftler vom Max Planck Institut. Der programmierte Selbstmord der Bakterien lässt sich möglicherweise jedoch auch durch die Reduzierung der Gegengifte erreichen. Hierbei hatten Forscher der Washington University in St. Louis jüngst deutliche Erfolge erzielt, als es ihnen gelangt das Gegengift eines gefährlichen Bakteriums mit Hilfe eines neuen Wirkstoffs auszuschalten. Beide Ansätze – das Ausschalten des Gegengiftes als auch die Verwendung des Moleküls UNAG-3P – stellen eine neue Ebene der Bakterienbekämpfung dar, die anders als bisherige Antibiotika einem weit geringeren Risiko der Resistenzen unterliegen dürfte, da die Bakterien höchstwahrscheinlich nicht immun gegen ihre eigenen Gifte werden. Doch bis die neuen Methoden als Medikamente zur Verfügung stehen, wird nach Aussage der Forscher noch einige Zeit vergehen und es sind weitere umfassende Studien erforderlich, die den Prozess, der zum Selbstmord der Bakterien führt, analysieren. (fp)
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