BGH: Einvernehmen des Arztes oder seiner Versicherung nicht nötig
Karlsruhe (jur). Rufen Patienten wegen einer angeblichen Fehlbehandlung die Schlichtungsstelle einer Ärztekammer an, wird die Verjährung zunächst gehemmt. Hierfür ist es nicht erforderlich, dass der Arzt oder seine Haftpflichtversicherung der Schlichtung zustimmt, wie der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem am Montag, 13. Februar 2017, veröffentlichten Urteil entschied (Az.: VI ZR 239/15).
Im Streitfall hatte ein Orthopäde eine durch einen Zeckenbiss ausgelöste Borreliose nicht erkannt. Die Infektion löste deshalb eine Arthritis in nahezu allen Körpergelenken aus.
Der Patient entschloss sich erst spät, Schadenersatz einzufordern. Entsprechende Ansprüche wären Ende 2011 verjährt. Kurz vorher, am 22. Dezember 2011, rief der Patient die Schlichtungsstelle der norddeutschen Ärztekammer an.
Im Februar 2012 stimmte der Orthopäde der Schlichtung zu. Seine Versicherung stellte sich allerdings quer: Der Arzt habe der Schlichtung erst nach Eintritt der Verjährung zugestimmt; mögliche Ansprüche seien daher verjährt.
Landgericht Erfurt und Oberlandesgericht (OLG) Jena waren dem noch gefolgt. Die Geltendmachung von Ansprüchen bei einer nichtstaatlichen Schlichtungsstelle hemme laut Gesetz die Verjährung nur, wenn das Verfahren „im Einvernehmen mit dem Antragsgegner betrieben wird“.
Mit seinem jetzt schriftlich veröffentlichten Urteil vom 17. Januar 2017 hob der BGH die Urteile der Vorinstanzen nun jedoch auf. Die Verjährung sei gehemmt gewesen, der Streit daher nicht verjährt. Daher soll das OLG die Schadenersatzforderungen nun inhaltlich prüfen.
Zur Begründung verwiesen die Karlsruher Richter auf eine weitere Gesetzesvorschrift. Danach wird bei einer Verbraucherschlichtungsstelle oder einer „branchengebundenen anderen Gütestelle“ das Einvernehmen „unwiderleglich vermutet“.
Nach dem Karlsruher Urteil ist dies auch auf die Verjährungshemmung durch Anträge bei den Schlichtungsstellen der Ärztekammern anwendbar. Auf die Zustimmung durch den Arzt oder gar seine Versicherung komme es dabei nicht an. „Dies gilt auch dann, wenn ein Schlichtungsverfahren nach der Verfahrensordnung der jeweiligen Schlichtungsstelle nur dann durchgeführt wird, wenn Arzt und Haftpflichtversicherer der Durchführung des Verfahrens zustimmen.“
Scheitert die Schlichtung, haben Patienten für eine Klage weitere sechs Monate und zehn Tage Zeit. Dabei zähle der Tag, an dem das Scheitern mitgeteilt wird, noch nicht mit, betonte der BGH. Hier habe die Schlichtungsstelle am 13. April 2012 über die Einstellung des Verfahrens informiert; am 23. Oktober 2012 – und damit gerade noch rechtzeitig – sei die Klage eingegangen. mwo/fle
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