Warnsignale einer Essstörung sind oft schwer zu erkennen
Essstörungen wie Magersucht (Anorexia nervosa) oder Bulimie entwickeln sich nicht von einem Tag auf den anderen. Meist zeigen die Betroffenen zunächst Verhaltensänderungen, die noch nicht als krankhaftes Essverhalten bewertet werden, aber Hinweise auf eine entstehende Essstörung sein können, berichtet die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Hier ist von Eltern und Freunden erhöhte Aufmerksamkeit für die Anzeichen einer aufkommende Essstörung geboten, da die Betroffenen dringend auf Hilfe angewiesen sind. Allerdings kann die Abgrenzung zwischen krankhaftem Essverhalten und einem extrem figurbewussten Lebenswandel durchaus Schwierigkeiten bereiten.
Oft zeigen die Betroffenen vor Entstehung der tatsächlichen Essstörung bereits ein ausgeprägtes Figurbewusstsein mit merkwürdigen Essgewohnheiten und die Übergänge zu einer krankhaften Störung sind dabei fließend, so der Hinweis der BZgA. „Gerade bei Anorexie beginnt der Leidensdruck für die Betroffenen sehr spät“, wird Professor Stephan Herpertz von der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie (DGPM) durch die Nachrichtenagentur „dpa“ zitiert. Bevor sich das Krankheitsbild abzeichnet, seien jedoch oft veränderten Verhaltensweisen festzustellen, bei denen Eltern und Freunde aufmerksam werden sollten. Auch die ausgeprägte Unzufriedenheit mit dem eigenen Aussehen ist laut Angaben der BZgA ein mögliches Warnsignal.
Essen dominiert die Gedanken
Die Basis für die Entwicklung einer Essstörung bildet meist ein äußerst geringes Selbstwertgefühl. Betroffene finden sich immer zu dick und hoffen auf Besserung, wenn sie ihr Gewicht reduzieren. Doch halten sie sich auch dann noch für zu dick, wenn andere sie zu dünn finden, erläutert die BZgA. Ihr Verhalten werde bestimmt durch die panische Angst vor einer Gewichtszunahme. Ständige Gewichtskontrollen und vermehrte Blicke in den Spiegel sind hier typisch. Auch kreisen sich die „Gedanken nur ums Essen und um die Figur“, berichtet die BZgA weiter. Werden bis auf das Essen alle anderen Themen vernachlässigt, ist daher Achtsamkeit geboten. Bei den gefährdeten Personen drehen sich die Gedanken und Gespräche ausschließlich „ums Essen, um die Ernährung und um die Kleidergröße“, zitiert die „dpa“ Professor Herpertz. Nicht selten würden sich Freunde und Bekannte daher genervt abwenden, doch eigentlich brauchen die Betroffenen gerade in dieser Situation Unterstützung.
Zwanghafte Kontrolle der Essgewohnheiten
Das Essverhalten bei Magersucht ist geprägt durch einen massiven Kontrollzwang. Lustvolles, spontanes Schlemmen ist tabu. E wird beispielsweise „nur zu bestimmten Uhrzeiten oder nur Fettarmes, nur Kalorienarmes gegessen“, erläutert die BZgA. Oft erfolge eine Einteilung der Lebensmittel in „gut“ und „schlecht/gefährlich“, wobei allerdings auch eine gesunde oder vegetarische Ernährung mit der Zeit immer weiter eingeschränkt werde. Die Betroffenen lassen einzelne Mahlzeiten häufig ausfallen, beim Essen werden winzige Portionen genommen, jeder Bissen wird viele Male gekaut, und das Essen auf dem Teller hin und her geschoben, aber nichts gegessen., so die BZgA weiter. Auch sei das plötzliche Verschwinden eines Großteils der Lebensmitteln aus dem Kühlschrank ein Warnsignal.
Betroffene bleiben auch nach Gewichtsabnahme unzufrieden
Anfangs zeigen sich die Betroffenen bei einer Gewichtsabnahme durch ihre „Diät“ zunächst durchaus zufrieden. Doch typischerweise hält dieses Gefühl bei Magersucht nicht lange an. Dabei ist die Grenze zwischen dem ausgeprägten Figurbewusstsein und der krankhaften Essstörung fließend. Niemand sei von Anfang an anorektisch, wird Porfessor Herpertz von der „dpa“ zitiert. Kritisch werde es, sobald nicht mehr das Erreichen des ursprünglich angestrebten niedrigeren Gewichts zufriedenstelle, sondern die Betroffenen immer mehr abnehmen möchten. Hier entstehe ein Sog bei dem es keine Grenze nach unten gebe.
Essattacken oft Teil der Beschwerdebildes
Viele Magersüchtige sind laut Angaben der BZgA nicht dauerhaft in der Lage, ihre Essverhalten wie gewünscht zu kontrollieren und bei „ 60 Prozent der Magersüchtigen wird die Dauerdiät im Laufe der Zeit durch Essattacken unterbrochen.“ Anschließend würden die Betroffenen versuchen diesen Essanfall durch Erbrechen, Abführmittel und andere Medikamente wieder „ungeschehen“ zu machen. Entsprechende Essattacken sind auch kennzeichnend für das Krankheitsbild der Bulimie. Bei dieser speziellen Essstörung zeigen sich entsprechende Essanfälle mitunter mehrmals pro Woche, während die übrige Zeit durch äußerst kontrollierte Nahrungsaufnahme gekennzeichnet ist. „Bei zu viel Kontrolle kann es zum Kontrollverlust kommen, der berüchtigte Essanfall, auf den die Betroffene mit noch mehr Kontrolle reagiert. Ein Teufelskreis zeichnet sich ab“, erläutert Professor Herpertz in dem Beitrag der „dpa“.
Unauffällige Hinweise auf eine Essstörung
Mögliche Hinweise auf eine vorliegende Essstörung sind laut Angaben der BZgA auch unauffällige Verhaltensänderungen wie beispielsweise vermehrte sportliche Aktivitäten, die ausschließlich zum Abnehmen betrieben werden. Häufige Toilettengänge können hier ebenfalls ein Warnsignal sein, ebenso wie der Erwerb von Abführmitteln und Mitteln zum Abnehmen. Des Weiteren seien mitunter körperliche Veränderungen feststellbar. Eingerissene Mundwinkel infolge des Erbrechens, häufiges Frieren, Kreislaufprobleme, Schwindel und Haarausfall werden hier von der BZgA als Warnsignale genannt. Paradoxerweise würden die Betroffenen zudem oftmals eine hohes Interesse an Kochbüchern beziehungsweise Rezepten zeigen und gerne für andere kochen – allerdings ohne selbst mitzuessen.
Betroffene ansprechen und Hilfe suchen
Sollten Eltern oder Freunde den Verdacht auf eine Essstörung haben, rät Professor Herpertz das Gespräch unter vier Augen zu suchen. Aktive Intervention funktioniere hier allerdings ebenso wenig wie Wegschauen.Das Gespräch sollte daher „von Sorge, nicht von elterlichem Besserwissen geprägt sein“, so Herpertz weiter. Ziel eines solchen Gespräches müsse sein, dass die Betroffenen sich mit ihrem Problem an Dritte wenden, um therapeutische Unterstützung zu erhalten. Mögliche Ansprechpartner seien Beratungsstellen, psychosomatische Kliniken, der Hausarzt oder auch niedergelassene Psychotherapeuten. (fp)
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