AOK: Niedergelassene Ärzte arbeiten zu wenig
03.09.2011
Der Bundesverband der Allgemeinen Ortskrankenkassen AOK kritisierte am Freitag die niedergelassenen Praxisärzte in Deutschland. Die gesetzlich Versicherten erhalten zu wenig Gesundheitsleistungen, für das was monatlich an Beiträgen für die Krankenversicherung bezahlen. Dafür müssen sie teilweise Wochen oder Monate auf einen Facharzttermin warten, auch wenn sie sehr krank sind. Der designierte AOK-Bundesvorstand Jürgen Graalmann wirft den Ärzten vor, zu wenig Stunden für Patienten aufzubringen und dennoch das volle Honorar zu kassieren.
Ärzte bringen zu wenig Zeit für Kassenpatienten auf
Der künftige AOK Bundesvorsitzende Jürgen Graalmann hat eine neue Debatte um Versorgungslücken im ambulanten Gesundheitssystem entfacht. Nach Ansicht des Vorstandes, würden Wartezeiten für Termine bei Fachärzten vor allem aufgrund der zu geringen kassenärztlichen Arbeitsstunden zurückzuführen sein. Zu diesem Ergebnis ist eine repräsentative Umfrage im Auftrag des AOK Bundesverbandes von niedergelassenen Haus- und Fachärzten gelangt. Demnach werden Kassenpatienten bei Deutschlands Fachärzten 39 Stunden und bei den Hausärzten 47 Stunden pro Woche behandelt. Kalkuliert sind aber laut Vergütungsvereinbarungen zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Krankenkassen 51 Stunden pro Woche, die auch von den Kassen bezahlt werden. Somit belaufe sich „die Minderleistung vieler Fachärzte auf 23 Prozent", wie Graalmann am Rande eines Kassenseminar in Joachimsthal bei Berlin kritisierte.
Der AOK-Bundeschef forderte die Kassenärztlichen Vereinigungen auf, dafür zu sorgen, dass die Ärzte den Kassenpatienten nicht länger die vereinbarten Arbeitsleistungen vorenthalten. Schließlich zeigen die Studienergebnisse, dass die Ärzte zwar immer höhere Vergütungen erhalten, aber gleichzeitig immer mehr Sprechzeiten für Patienten verkürzen. Würden Vertragsärzte die vereinbarten Arbeitsstunden voll ausschöpfen, so könnte die Versorgung der Patienten auch ohne zusätzlichen Maßnahmen der Politik und ohne weitere Kostensteigerungen verbessert werden. Zudem müssten Patienten nicht wochenlang auf einen Termin bei einem Facharzt warten.
Laut der Umfrageergebnisse des Instituts „Psychonomics“ arbeiten die meisten Hausärzte etwa 60 und die Fachärzte 50 Stunden pro Woche. Bei den Hausärzten entfällt hierbei ein Anteil von 47 Praxisstunden für die Betreuung von gesetzlich Versicherten (inklusive Verwaltungsarbeiten und Abrechnungswesen). Fachärzte wie Kardiologen oder Urologen arbeiten hingegen nur 39 Stunden für Kassenpatienten je Woche. Die Hauptkritik entfällt auf die Fachärzte, weil sich die Allgemeinmediziner mit durchschnittlich acht Prozent Minus noch „im Toleranzbereich bewegen“. Bei 23 Prozent entsteht bereits ein massives Missverhältnis zwischen geleisteter Behandlungszeit und gezahlten Honoratioren. Graalmann schätzt, dass aufgrund der nicht geleisteten Arbeitsstunden ein Schaden von rund vier Milliarden Euro pro Jahr entsteht. Die AOK wolle die Gelder nicht zurück fordern oder eine neue Diskussion über Ärztehonorare anfachen. Es gehe darum, die Wartezeiten für Arzttermine auf „mindestens eine Woche zu verkürzen“. Einem solchen Appell „sollten sich Ärzte nicht verschließen“, mahnte Graalmann.
Ärztevereinigung weist Kritik zurück
Die Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) kann die Kritik nicht verstehen. Vielmehr sei es so, dass die Ärzte trotz Unterbezahlung für ihre Patienten zu jederzeit und im Notfall auch am Wochenende bereitstehen. Schließlich hätten Patienten nur dadurch in Deutschland noch Wartezeiten, „die sich aber im europäischen Vergleich im Rahmen halten", sagte der KBV Chef Dr. Andreas Köhler. Köhler rechnet gänzlich anders, als die AOK. Zwischen den Ärzteverbänden und Krankenkassen seien schließlich 20 Sprechstunden pro Woche vereinbart. Der Bundesverband der gesetzlichen Krankenkassen habe aber erst im April diesen Jahres seinerseits festgestellt, dass die Hausärzte durchschnittlich über 30 Stunden und Fachärzte über 26 Sprechstunden ableisten. Die restlichen Stunden würden für Arztbriefe und Diagnostika sowie für Verwaltungstätigkeiten verwendet. (sb)
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Gerd Altmann / pixelio.de
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