EU-Kommission gibt Medikament „EllaOne“ frei
21.01.2015
Zukünftig können Frauen in ganz Europa die so genannte „Pille danach“ auch ohne Rezept direkt in der Apotheke erhalten. Die EU-Kommission hatte das Medikament „EllaOne“ mit dem Wirkstoff Ulipristalacetat Anfang des Jahres freigegeben, um Frauen einen schnelleren und anonymen Zugang zu dem Präparat zu ermöglichen. Die Apotheker stehen nun vor einer großen Herausforderung, denn durch den freien Verkauf des Notfallmedikaments wird zukünftig mehr Beratung und Betreuung notwendig.
Bislang war Arztbesuch und Beratungsgespräch verpflichtend
Die "Pille danach" soll zukünftig auch ohne Rezept innerhalb der EU frei erhältlich sein. Zu diesem Entschluss ist Anfang des Jahres die EU-Kommission gekommen und folgt mit der Freigabe einer Empfehlung der europäischen Arzneimittelbehörde (Ema) vom November letzten Jahres. Anders als bislang fällt für Frauen nach einer „Verhütungspanne“ damit ein vorheriger Besuch beim Arzt sowie ein Beratungsgespräch weg. Stattdessen können sich die Patientinnen das Hormon-Präparat direkt in der Apotheke abholen, um eine ungewollte Schwangerschaft zu verhindern.
Wirkstoffe hemmen oder verzögern den Eisprung und verhindern so eine Schwangerschaft
Dementsprechend wird die Pille danach von Medizinern auch als „Notfallverhütung“ bezeichnet, denn die darin enthaltenen Wirkstoffe hemmen oder verzögern den Eisprung. Wird die Pille demnach rechtzeitig eingenommen, kann mit hoher Wahrscheinlichkeit eine mögliche Schwangerschaft verhindert werden. Bislang sind zwei Präparate mit unterschiedlichen Wirkstoffen auf dem Markt: Das Mittel „Pidana“ enthält den Wirkstoff Levonorgestrel und kann bis zu 72 Stunden nach dem ungeschützten Geschlechtsverkehr eingenommen werden, „ellaOne“ hingegen enthält Ulipristalacetat und wirkt sogar bis zu fünf Tage nach dem „Unfall“.
EllaOne seit 2009 auf dem Markt
Beide Pillen waren bislang verschreibungspflichtig, doch für die neuere, seit 2009 auf dem Markt befindliche „ellaOne“ gilt diese Rezeptpflicht nun nach der EU-Freigabe zukünftig nicht mehr. Für viele Apotheker eine große Herausforderung, denn Beratung und Information der Patientinnen müssen nun von ihnen übernommen werden: „Damit liegt der schwarze Peter bei den Apotheken. Gesundheitliche Risiken, über die sonst Ärzte aufklären, können wir nicht gänzlich überprüfen. Die Wirkstoffe auf Hormonbasis können im schlimmsten Fall zu Verschlüssen in den Gefäßen führen“, so Christoph Lohstöter, Inhaber der Löwen-Apotheke in Bad Wildungen, gegenüber der „Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen“ (HNA).
Risiko eines leichtsinnigen Umgangs mit dem Medikament könnte steigen
Neben Lohstöter zeigen sich viele weitere Kollegen skeptisch gegenüber der Freigabe, gerade weil es sich um ein Medikament handele, welches ausschließlich im Notfall eingenommen werden sollte: „Ich befürworte die Freigabe des Medikaments ausdrücklich nicht. Das ist keine kleine Hormontherapie, sondern ein Mittel zum Schwangerschaftsabbruch. Damit sollte nicht leichtfertig umgegangen werden“, ergänzt die Apothekerin der Stadt-Apotheke in Waldeck, Ulrike Joachim, gegenüber der Zeitung.
Mehr Beratungsaufwand für junge Frauen?
Der Beratungsaufwand müsse dabei jedoch nicht unbedingt steigen, denn auch bislang seien die Kunden vor jeder Medikamentenabgabe entsprechend informiert worden, erklärt Ulrike Joachim weiter. Denkbar sei jedoch laut Sabine Kelling, Pharmazeutisch-technische Assistentin in der Kilian-Apotheke in Korbach, dass gerade junge Frauen durch den freien Zugang zur Pille danach leichtsinniger bei der Verhütung werden könnten. In dieser Zielgruppe könne demnach möglicherweise noch mehr Betreuungsbedarf als bisher aufkommen. „Vor allem junge Frauen begehen oft Einnahmefehler und kommen dann sowieso zur Beratung. Einen medizinischen Rat vor der Einnahme halte ich für absolut notwendig“, so die Korbacher Gynäkologin Tatjana Valentin-Ljolje gegenüber der HNA.
Bis zum Frühjahr bleibt die Rezeptpflicht bestehen
Bis zum Frühjahr bleibe die Pille danach in Deutschland jedoch nach Angaben des Bundesverbands der Frauenärzte e.V. (BVF) noch rezeptpflichtig, die Umstellung auf die Rezeptfreiheit, solle demnach jedoch nach Vorstellung des Ministeriums „zügig“ erfolgen. Doch bis dahin müssten laut dem BVF zunächst sämtliche Fragen zu Arzneimittelverschreibungen sowie Fragen der Beratung und Dokumentation in der Apotheke genau geklärt werden. „Bei beiden Arzneimitteln zur Notfallverhütung handelt es sich um hochwirksame Medikamente, die selbstverständlich außerhalb der Notfallsituation in der Rezeptpflicht bleiben", erläutert Dr. med. Klaus König, Vizepräsident des Berufsverbandes der Frauenärzte in einer Pressemitteilung des Verbands. „Apotheken haben deshalb im Prinzip bei der Abgabe dieser Arzneimittel dieselben Pflichten der Aufklärung und Dokumentation wie Ärzte, und sie müssten sich denselben Standards unterwerfen […]“, so Dr. med. Klaus König weiter. (nr)
Bild: Wilhelmine Wulff / pixelio.de
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.