Kassen-Chefs sehen Mitschuld der Arbeitgeber am Anstieg der psychischen Erkrankungen
08.09.2014
Das vermehrte Auftreten von psychischen Problemen wie Burnout oder Depressionen bei Arbeitnehmern ist nach Ansicht mehrerer Krankenkassen-Chefs auch auf Fehlverhalten der Arbeitgeber zurückzuführen. Letztere würden ihren Angestellten zu selten Ruhepausen gönnen und so die Entwicklung psychischer Beschwerden forcieren, lautet der Vorwurf des Vorstandsvorsitzenden der Barmer GEK, der Techniker Krankenkasse (TK) und der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) im Gespräch mit der „Welt am Sonntag“.
Im Sinne der Gesundheitsvorsorge in den Betrieben ist es nach Ansicht der Kassen-Chefs erforderlich, den Stress durch die Dauererreichbarkeit deutlich zu reduzieren. „Die Veränderungen in unserer Arbeitswelt zum Beispiel durch den Gebrauch von Smartphones und die damit verbundene ständige Erreichbarkeit führen zu immer mehr Stress“, erläuterte Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der Barmer GEK gegenüber „Welt Online“. Dieser Stress ist nach Ansicht der Experten eine maßgebliche Ursache für den massiven Anstieg der psychischen Probleme bei Arbeitnehmern. Hier ist den Vorstandsvorsitzenden von Barmer GEK, TK und KKH zufolge auch über gesetzliche Regelungen zur strikten Einhaltung von Ruhezeiten nachzudenken.
Umdenken der Arbeitgeber gefordert
Beispielweise erklärte Christoph Straub, es sollte „niemand immer erreichbar sein müssen“ und hier könne ein Gesetz durch klare Maßstäbe gegen Dauerstress die Gesundheit der Beschäftigten schützen.“ Bisher würden die Unternehmen ihre Verantwortung für die Beschäftigen an dieser Stelle vernachlässigen. Tatsächlich dürften die meisten Arbeitgeber eher erfreut als verärgert sein, wenn Mitarbeit auch nach Feierabend ihre Emails abrufen. Langfristig kann dies jedoch zu einem Nachteil werden, wenn die Beschäftigten wegen psychischer Probleme für längere Zeit ausfallen. Der Vorstandsvorsitzende der KKH, Ingo Kailuweit, sieht hier "die Unternehmen in der Pflicht, um ihre Mitarbeiter gezielt auf einen verträglichen Umgang mit dem wachsendem Stress vorzubereiten". Der TK-Chef Jens Baas ergänzte: „Hier müssen die meisten Arbeitgeber umdenken.“ Verstärkte Investitionen in das betriebliche Gesundheitsmanagement seien erforderlich, wobei „jeder Euro gut angelegt“ ist, so Baas.
Bundesgesundheitsminister plädiert für verbesserte Prävention
Die Forderungen der Krankenkassen finden auch beim Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) Unterstützung. Der Minister erklärte gegenüber „Welt Online“, dass gute Präventionsprogramme dazu beitragen könnten, „dass Krankheiten wie Burnout oder körperliche Beschwerden als Folge beruflicher Belastungen gar nicht erst entstehen.“ Schließlich müsse es im eigenen Interesse der Betriebe liegen, die Gesundheit und Zufriedenheit der Beschäftigten zu fördern. „Unternehmen, die das erkennen, steigern letztlich auch ihre Wettbewerbsfähigkeit“, so Gröhe gegenüber dem Nachrichtenmagazin.
Risiken der permanenten Verfügbarkeit
Auch die Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM) hatte Anfang des Monats auf die Risiken der permanenten Verfügbarkeit in der Arbeits- und Lebenswelt hingewiesen. „Nichts hat unseren Alltag in den letzten 20 Jahren so entscheidend verändert, wie die neuen Kommunikationsmedien“, berichtete die DGAUM. So sei die „permanente Erreichbarkeit und damit leider auch permanente Verfügbarkeit für viele Menschen zu einer Selbstverständlichkeit geworden.“ Dabei sind es allerdings „nicht immer nur die Arbeitgeber, die diese Erreichbarkeit einfordern“, so die Fachgesellschaft weiter. Viele Arbeitnehmer wollen „immer und zu jeder Zeit alle Entwicklungen im beruflichen, aber auch privaten Umfeld mitverfolgen“, berichtet die DGAUM. Bislang falle eine Beurteilung der hiermit einhergehenden Gesundheitsrisiken jedoch durchaus schwer, da derzeit noch keine Langzeitstudien zu diesem Themenbereich vorliegen. Im Sinne der Prävention gebe es auf politischer Ebene dennoch bereits Bestrebungen durch eine „Anti-Stress-Verordnung“ die Verfügbarkeit von Arbeitnehmern grundsätzlich zu regeln, so die Mitteilung der DGAUM. (fp)
Bild: Wolfgang Pfensig / pixelio.de
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