Arteriosklerose: Molekül mit schützender Rolle
Millionen Menschen in Deutschland leiden an Arteriosklerose. Die Erkrankung schreitet langsam voran und verursacht lange keine spürbaren Beschwerden. Doch sie ist eine der häufigsten Todesursachen weltweit. Forschende berichten nun über ein Molekül, das ein neuer Angriffspunkt für ein Medikament sein könnte.
Ein Forschungsteam um Prof. Dr. Sabine Steffens vom Institut für Prophylaxe und Epidemiologie der Kreislaufkrankheiten (IPEK) des LMU Klinikums in München hat die molekularen Vorgänge der Plaque-Bildung bei Arteriosklerose (im Volksmund auch Arterienverkalkung genannt) untersucht. Die Studienergebnisse wurden vor kurzem in der Fachzeitschrift „Nature Cardiovascular Research“ veröffentlicht.
Molekulare Vorgänge der Plaque-Bildung untersucht
Wie es in einer Mitteilung des LMU Klinikums heißt, werden Herzinfarkt oder Schlaganfall getrieben durch den Prozess der Arteriosklerose. Zu diesem Phänomen kommt es, wenn Immun- und Entzündungszellen in Fettablagerungen in der Wand von Blutgefäßen einwandern.
Dort baut sich dann eine schädliche Entzündungsreaktion auf, die sich verselbstständigt, chronisch wird und zu Verkalkungen und Engstellen führt und die Gefäße verstopft. Mehr noch: Aus diesen sogenannten „Plaques“ können sich Gerinnsel lösen, durchs Blut wandern und kleine Gefäße im Herzen oder im Gehirn blockieren. Dann drohen Herzinfarkt oder ein Schlaganfall.
Forschende um Prof. Dr. Sabine Steffens vom Institut für Prophylaxe und Epidemiologie der Kreislaufkrankheiten (IPEK) des LMU Klinikums untersuchen die molekularen Vorgänge der Plaque-Bildung. Sie haben jetzt herausgefunden, dass ein GPR55 genanntes Molekül den gefährlichen Prozess bremsen könnte.
Antikörper können krankhaften Prozess fördern oder bremsen
Unser Körper ist ein haarfein abgestimmtes Geflecht von Milliarden Zellen, das Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erst ansatzweise durchschauen. Die Fachleute interessiert unter anderem, wie die Zellen ihre täglich Abermillionen Botschaften austauschen und wie die Signalvermittlung funktioniert.
„G-Proteine“ und ihre Aktivatoren, die sogenannten Rezeptoren in der Zellhülle, gelten dabei als eines der wichtigsten Kommunikationssysteme.
Das Forschungsteam in München hat nun einen dieser Rezeptoren, den sogenannten G‐protein coupled receptor 55 untersucht. „GPR55 sitzt auf der Oberfläche bestimmter Immunzellen, den B-Zellen“, sagt Prof. Dr. Sabine Steffens.
Im Zuge der Arterienverkalkung nehmen B-Zellen grundsätzlich eine janusköpfige Rolle ein. Sie produzieren Antikörper, die den krankhaften Prozess einerseits fördern, ihn aber andererseits auch bremsen können.
Molekül scheint schützend zu wirken
GPR55 scheint laut den Forschenden eher schützend zu wirken. In aufwändigen Experimenten haben sie dies mit Mäusen nachgewiesen, deren B-Zellen den Rezeptor nicht mehr herstellen konnten.
Zudem analysierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler menschliche arteriosklerotische Plaques aus der Halsschlagader. Zum Einsatz kamen modernste bildgebende sowie molekularbiologische Verfahren.
“Diese Ergebnisse bestätigten einen kausalen Zusammenhang zwischen der GPR55-Signalübertragung von B-Zellen und der Arteriosklerose, was auf eine schützende Rolle mit potenzieller Bedeutung für die menschliche Pathophysiologie hindeutet“, so Steffens.
Ob und wie sich die neue Entdeckung therapeutisch nutzen ließe, ist aber noch nicht ganz klar. Womöglich ist GPR55 ein neuer Angriffspunkt für ein Medikament, das gegen den arteriosklerotischen Prozess schützen soll. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- LMU Klinikum: Ein Schutz gegen Arteriosklerose, (Abruf: 04.12.2022), LMU Klinikum
- Raquel Guillamat-Prats, Daniel Hering, Abhishek Derle, Martina Rami, Carmen Härdtner, Donato Santovito, Petteri Rinne, Laura Bindila, Michael Hristov, Sabrina Pagano, Nicolas Vuilleumier, Sofie Schmid, Aleksandar Janjic, Wolfgang Enard, Christian Weber, Lars Maegdefessel, Alexander Faussner, Ingo Hilgendorf & Sabine Steffens: GPR55 in B cells limits atherosclerosis development and regulates plasma cell maturation; in: Nature Cardiovascular Research, (veröffentlicht: 11.11.2022), Nature Cardiovascular Research
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.