Arterienverkalkung: Gehirn kommuniziert mit erkrankten Blutgefäßen
Trotz intensiver Forschung und weiter Verbreitung sind einige Mechanismen bei Arteriosklerose (Arterienverkalkung) noch unklar. Laut einer deutschen Arbeitsgruppe könnte dies daran liegen, das bislang an der falschen Stelle gesucht wurde. Denn offenbar spielt das Gehirn eine unerwartet große Rolle in dem Krankheitsgeschehen.
Forschende der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) konnten erstmals nachweisen, dass zwischen erkrankten Blutgefäßen und dem Gehirn eine bislang unbekannte Kommunikation stattfindet. Die Erkenntnisse, die kürzlich in dem Fachjournal „Nature“ präsentiert wurden, könnten von immenser Bedeutung für die kausale Therapie bei Arteriosklerose sein.
Risikofaktoren für Arteriosklerose
Es sind zahlreiche Risikofaktoren für die Entstehung von Arterienverkalkung bekannt, darunter beispielsweise
Fokus lag bislang auf den atherosklerotischen Plaques
Im Zentrum der Arteriosklerose-Forschung standen bislang die sogenannten atherosklerotischen Plaques. Diese Ablagerungen aus Cholesterin, faserigem Gewebe und Immunzellen verstopfen das Innere von Arterien und behindern so den Blutfluss. Mögliche Folgen sind
- Herzinfarkt,
- Schlaganfall,
- Periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK) oder „Raucherbein“,
- Nierenschwäche bis hin zu Nierenversagen.
Erstmals Verbindung zwischen Arterie und Gehirn nachgewiesen
„In den letzten Jahrzehnten hat niemand gefragt, ob es eine direkte Verbindung zwischen der Arterie und dem Gehirn gibt“, erläutert Dr. Sarajo K. Mohanta aus dem Forschungsteam. Genau diese Verbindung konnte die Arbeitsgruppe der LMU nun erstmals nachweisen.
Wie erkrankte Blutgefäße mit dem Gehirn kommunizieren
Die Forschenden konnten Signale dokumentieren, die von Blutgefäßen mit atherosklerotischen Plaques ausgesendet werden. Über die Nerven werden diese Signale zum Gehirn geleitet und verarbeitet. Das Gehirn reagiert darauf und sendet entsprechende Signale zurück zu den erkrankten Blutgefäßen.
Ein neues Verständnis über Arteriosklerose
Diese neuartige Erkenntnis verändert aus Sicht des Forschungsteams das gesamte Verständnis über Atherosklerose. Da die Plaques im Inneren der Arterie keinen Kontakt zu Nervenbahnen haben, wurde eine Beteiligung des Gehirns bislang nicht in Erwägung gezogen.
„Deshalb ist bisher niemand auf die Idee gekommen, zu untersuchen, ob das periphere Nervensystem bei Atherosklerose mit Blutgefäßen in Kontakt tritt“, betont Professor Dr. Andreas Habenicht von der LMU.
„Atherosklerose ist mehr als nur Plaque“
Die Forschenden haben durch die Studie gezeigt, dass es sich bei Arteriosklerose nicht nur um Ablagerungen in den Gefäßen handelt, sondern dass die Mechanismen der Krankheit komplexer sind.
„Atherosklerose ist eben mehr als nur ein Plaque; vielmehr geht es um die Entzündung der Arterie selbst, und zwar auch an deren Außenseite“, verdeutlicht Mohanta.
Rezeptoren erkennen Plaques im Inneren der Arterie
Wie die Forschenden herausfanden, reagieren Rezeptoren, die an der Außenseite der Arterien liegen, auf die Entzündung im Inneren. Diese Rezeptoren erkennen genau, wo sich die Plaques befinden, indem sie Botenstoffe, die von der Entzündung ausgesendet werden, identifizieren.
Gehirn reagiert mit Stresssignalen
Haben die Rezeptoren solche Botenstoffe erkannt, senden sie elektrische Signale über die Nervenbahn an das Gehirn. Das Gehirn sendet daraufhin ein Stresssignal an das entzündete Blutgefäß zurück.
Durch das Stresssignal wird der Entzündungsverlauf jedoch negativ beeinflusst und die Arteriosklerose verschlechtert sich. In der Beeinflussung dieser Kommunikation sehen die Forschenden einen neuen Ansatz zur Behandlung der Entzündung.
Kausale Atherosklerose-Therapie in Aussicht
Bei Mäusen konnte die Arbeitsgruppe bereits zeigen, dass eine Beeinflussung des Signals durch eine experimentelle Therapie dazu führte, dass die Arteriosklerose weniger stark ausgeprägt war als bei einer Kontrollgruppe.
„Langfristig hoffen wir, dass Atherosklerose endlich kausal therapiert werden kann“, resümiert Mohanta. Doch die aktuellen Erkenntnisse seien nur der erste Schritt in diese Richtung. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Sarajo K. Mohanta, Daniela Carnevale, Andreas J.R. Habenicht, et al.: Neuroimmune cardiovascular interfaces control atherosclerosis; in: Nature (2022), nature.com
- LMU: Atherosklerose: Wie erkrankte Blutgefäße mit dem Gehirn kommunizieren (veröffentlicht: 27.04.2022), lmu.de
- Internisten im Netz: Arterienverkalkung: Symptome & Auswirkungen & Vorsorge (Stand: 18.08.2017), internisten-im-netz.de
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.