Arthrose: Mit Nasenknorpel der Entzündung entgegenwirken
Eine Arthrose („Gelenkverschleiß“) lässt sich bisher nicht heilen. Um die Beschwerden zu lindern und ein Fortschreiten der Abnutzung zu verlangsamen, kommen verschiedene Therapiemöglichkeiten infrage. Die Behandlung richtet sich unter anderem nach dem betroffenen Gelenk. Bei Arthrose im Knie können auch Knorpelzellen aus der Nasenscheidewand helfen, berichten Forschende.
Arthrose ist laut der Deutschen Arthrose-Hilfe die häufigste aller Gelenkerkrankungen. Hierzulande leiden etwa fünf Millionen Frauen und Männer unter Beschwerden, die durch eine Arthrose verursacht werden, mit steigender Tendenz. Bislang gibt es keine krankheitsspezifische Therapie. Es gibt aber einiges, was Betroffenen helfen kann. Unter anderem auch Nasenknorpel.
Gelenkknorpel im Knie reparieren
Einer aktuellen Mitteilung zufolge züchtet ein Forschungsteam am Departement Biomedizin der Universität Basel und des Universitätsspitals Basel Knorpelgewebe aus Zellen der Nasenscheidewand, um Gelenkknorpel im Knie zu reparieren.
Bereits gelungen ist den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern dies im Rahmen erster klinischer Studien bei isolierten Knorpelschäden. Jetzt berichtet das Team um Prof. Dr. Ivan Martin und Prof. Dr. Andrea Barbero, dass sich der Ansatz auch bei degenerativen Gelenkserkrankungen wie Arthrose eignen könnte.
Ihre Ergebnisse sind vor kurzem in dem Fachjournal „Science Translational Medicine“ erschienen.
Von der Nase in das Knie
Arthrose zeichnet sich durch Knorpelabbau aus, wodurch es zu oft starken Schmerzen bei Bewegungen kommen kann. Die bisherige Behandlung bestand darin, die Entzündung und die Schmerzen zu behandeln, bis eine Kniegelenksprothese unausweichlich wird.
Gelenkprothesen haben aber eine beschränkte Haltbarkeit, was insbesondere bei jüngeren Patientinnen und Patienten mehrfache Operationen nötig macht. Eine mögliche Alternative könnte laut den Fachleuten die Reparatur des Gelenkknorpels mithilfe von gezüchtetem Knorpelgewebe sein.
Hierfür entnimmt das Forschungsteam in Zusammenarbeit mit orthopädischen und plastischen Chirurginnen und Chirurgen des Universitätsspitals Basel eine Gewebeprobe aus der Nasenscheidewand der jeweiligen Erkrankten, kultiviert die darin enthaltenen Knorpelzellen und züchtet daraus eine Knorpelschicht, die anschließend chirurgisch ins Kniegelenk eingesetzt wird.
Anders als zum Beispiel bei Sportverletzungen ist die Gewebeumgebung im Knie bei Arthrose von anhaltenden Entzündungsreaktionen geprägt. „Wir mussten zuerst testen, ob der Knorpelersatz durch die Entzündungsfaktoren angegriffen und degeneriert wird“, erläutert Ivan Martin.
Die Forscherinnen und Forscher um Prof. Martins Doktorandin Lina Acevedo Rua, die Projektleiterin Dr. Karoliina Pelttari und den orthopädischen Chirurgen PD Dr. Marcus Mumme testeten zunächst das gezüchtete menschliche Knorpelgewebe in Anwesenheit von Entzündungsfaktoren.
Sie nutzten dafür verschiedene Zellkultur-Modelle im Labor und kleine Versuchstiere. Anschließend prüften die Forschenden die Haltbarkeit des Knorpelgewebes auch bei gleichzeitiger entzündlicher und mechanischer Belastung. Hierfür setzten die Fachleute Knorpelzellen aus der Nase von Schafen im arthrotischen Kniegelenk derselben Tiere ein.
Vielversprechende Ergebnisse
Laut der Mitteilung waren die Ergebnisse der Tierversuche vielversprechend: Nicht nur erwies sich das Gewebe aus Nasenknorpelzellen als sehr robust, es schien sogar den Entzündungsreaktionen entgegenzuwirken.
Weitere Analysen haben ergeben, dass dieser Effekt vor allem darauf zurückzuführen ist, dass ein bei Arthrose chronisch überaktivierter molekularer Signalweg (der sogenannte WNT-Signalweg) durch die Anwesenheit der Nasenknorpelzellen gebremst wurde.
„Diese Knorpelzellen stammen – anders als die Knorpelgewebe der Gelenke – von Vorläuferzellen aus einem spezialisierten Embryonalgewebe, dem Neuroektoderm, ab und zeichnen sich daher durch eine hohe Regenerations- und Anpassungsfähigkeit aus“, erklärt Prof. Martin. „Auch aus Nasenknorpelzellen gezüchtetes Gewebe könnte diese speziellen Eigenschaften aufweisen.“
Nach den erfolgreichen Versuchen an Tieren prüften die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den Ansatz auch an zwei jungen Patienten, die aufgrund einer Fehlstellung der Beinknochen an schwerer Arthrose litten. Der nächste Schritt in ihrer Behandlung wäre ansonsten eine Kniegelenkprothese gewesen.
Schmerzreduktion und erhöhte Lebensqualität
Nach Einsetzen des Ersatzknorpels, den die Forschenden aus patienteneigenen Nasenknorpelzellen gezüchtet hatten, berichteten die beiden Patienten von einer Reduktion der Schmerzen und erhöhter Lebensqualität.
Bei einem der beiden Probanden konnten die Forschenden zudem mit MRT-Aufnahmen feststellen, dass die Knochen im Kniegelenk wieder einen größeren Abstand zueinander aufwiesen als zuvor – ein Hinweis auf eine Erholung des Gelenks.
Beim zweiten Patienten konnten die Fachleute aufgrund der Reisebeschränkungen während der Pandemie keine MRT-Aufnahmen anfertigen und konnten ihn nur zu seinen subjektiven Eindrücken befragen.
Weil zudem die Fehlstellung der Knochen bei beiden Patienten chirurgisch korrigiert und damit die wahrscheinlichste Ursache ihrer Arthrose behoben werden konnte, sind die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zuversichtlich, dass sie noch längere Zeit ohne Kniegelenksprothese auskommen werden.
„Wir haben mit unseren Ergebnissen die biologische Basis für eine Therapie gelegt und sind vorsichtig optimistisch“, sagt Martin. Jetzt müsse sich der Ansatz zunächst zur Behandlung der Patellofemoralen Arthrose in vertieften klinischen Studien beweisen.
Des Weiteren wollen die Forschenden die Methode zukünftig auch für weitere Arten von Arthrose weiterentwickeln, um ein breiteres Spektrum an Patientinnen und Patienten behandeln zu können. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Universität Basel: Nasenknorpel lindert Arthrose im Knie, (Abruf: 05.09.2021), Universität Basel
- Lina Acevedo Rua, Marcus Mumme et al.: Engineered nasal cartilage for the repair of osteoarthritic knee cartilage defects; in: Science Translational Medicine, (veröffentlicht: 01.09.2021), Science Translational Medicine
- Deutsche Arthrose-Hilfe: Wie häufig ist Arthrose?, (Abruf: 05.09.2021), Deutsche Arthrose-Hilfe
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.