Tipps zu Arzt- und Krankenhausbesuchen während der Corona-Pandemie
Sollte man sich trotz der Corona-Pandemie zu jährlichen Kontrollen begeben und sich in die Wartezimmer der Arztpraxen setzen? Viele Menschen haben nun Angst, sich bei Ärztinnen und Ärzten mit dem neuen Coronavirus zu infizieren. Gesundheitsfachleute geben Tipps, wie man mit der Situation umgehen sollte.
Die jährliche Kontrolle, der Termin beim Spezialisten: Viele Arzttermine stehen Monate im Voraus fest. Und jetzt ist da plötzlich diese Pandemie. Soll ich mich trotzdem ins Wartezimmer setzen? Die Corona-Pandemie ist noch lange nicht vorbei. Unser Alltag wird auch die nächsten Monate ganz anders aussehen. Da stellt sich die Frage: Womit sollte ich zum Arzt gehen und was kann warten?
Telefonisches Vorabgespräch sinnvoll
Im Zweifelsfall den Arzt selbst fragen, am besten telefonisch. Denn jede Praxis und jede erkrankte Person ist anders. Pauschale Antworten sind daher schwierig. „Es gibt in Deutschland etwa eine Milliarde Arzt-Patientenkontakte pro Jahr“, sagt Roland Stahl, Sprecher der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Viele dieser Arztbesuche seien notwendig und sollten nicht geschoben werden. „Gerade bei chronisch kranken Menschen ist es weiter wichtig, dass sie regelmäßig zum Arzt gehen.“ Auch Vorsorgeuntersuchungen sollten Patienten nur in Absprache mit ihrem Arzt absagen oder verschieben. „Denn der hat am ehesten den Überblick, was sein muss und was nicht.“
Vor jedem Gang zum Hausarzt nachdenken
All das gilt besonders für die Hausarztpraxis. Schließlich ist sie nicht nur erste Anlaufstelle bei medizinischen Problemen aller Art, sondern auch direkt am Kampf gegen die Corona-Pandemie beteiligt.
Doch müssen Patienten sie deshalb meiden? Nein, sagt Anke Richter-Scheer, Hausärztin im niedersächsischen Bad Oeynhausen und Vorstandsmitglied im Deutschen Hausärzteverband: Es schade aber nicht genau zu überlegen, welcher Arztbesuch wirklich sein muss – vor allem, solange die Kontaktsperre noch gilt.
Im Akutfall nicht zögern
Wer akute Beschwerden hat, sollte weiter zum Arzt gehen. Das gilt nicht nur bei starken Schmerzen. „Auch bei einer einfachen Blasenentzündung sollte man als Patient nicht warten, sondern sich zeitnah an den Hausarzt wenden, um eventuell auftretende Komplikationen zu vermeiden“, sagt Richter-Scheer.
Auch Parkinson-Patienten, Diabetiker und andere Menschen mit chronischen Krankheiten müssten weiter versorgt werden, so die Ärztin. Vorsorgetermine ohne akute Beschwerden müssten hingegen zurzeit eher warten. „Klar ist aber auch: Vorsorge ist wichtig.“ Im Zweifelsfall zuerst in der Praxis anrufen.
Was tun bei Corona-Verdacht?
Wer Husten, Halsschmerzen, Fieber oder Schnupfen hat – also Covid-19-Symptome oder einen Verdacht auf eine Infektion – sollte auf jeden Fall erst einmal zu Hause bleiben und telefonieren. Auch eine Krankschreibung ist bei solchen Symptomen aktuell noch per Telefon möglich.
Je nach Fall und Bundesland gibt es unterschiedliche Regelungen, so Richter-Scheer – von Behandlungs- oder Diagnosezentren bis zu Fieberambulanzen. Zudem gibt es in Hausarztpraxen sogenannte Infektionssprechstunde extra für solche Patienten. So kommen diese nicht mit anderen Besuchern der Praxis in Kontakt.
Sonderregeln von Kinder- bis Frauenarzt
Akutfall ja – Vorsorge eher nein – Infektionssprechstunde bei Erkältungssymptomen: Dieser Dreiklang gilt derzeit bei Hausärzten und abgewandelt in vielen anderen Facharztpraxen.
Bei Kinderärzten sind viele zeitliche Vorgaben gelockert: Eltern und Ärzte können mit der Vorsorgeuntersuchung U6, die zwischen dem zehnten und zwölften Lebensmonat stattfinden soll, Termine zu einem späteren Zeitpunkt nachholen. Für die U2 bis U5 gilt das nicht: Sie sollten weiter wie geplant und vorgegeben stattfinden.
Bei Zahnschmerzen nicht warten
Die Bundeszahnärztekammer erklärt: Wer Zahnschmerzen hat, muss natürlich weiter zum Arzt gehen. Auch geplante Behandlungen, vom Zahnstein bis zum Weisheitszahn, sollten erst einmal weitergehen – zu groß sei sonst die Gefahr von Komplikationen. Kontrolltermine können dagegen, in Absprache mit dem Arzt, erst einmal warten.
Bei Schwangeren werden weiter alle Termine durchgeführt, so der Berufsverband der Frauenärzte (BVF). Auch andere Vorsorgetermine seien grundsätzlich möglich – wenn es der Terminplan der Praxis inklusive neuer Sicherheits- und Schutzvorkehrungen zulässt.
Viele Praxen takten derzeit Termine genau, damit die Wartezimmer möglichst leer sind. Pünktliches Erscheinen ist also Pflicht. Begleitpersonen sind häufig unerwünscht. Ausnahmen können gelten, wenn sich jemand etwa ohne Dolmetscher nicht verständigen kann.
Ärzte sind über fehlende Patienten besorgt
Die Krankenhäuser sollen wieder in den Regelbetrieb wechseln, aber werden auch die Patienten kommen? Mediziner sind alarmiert, weil auch schwer kranke Menschen mit akutem Behandlungsbedarf fernbleiben. Aus Angst, sich mit Corona zu infizieren, kommen nur noch sehr wenige Patienten mit ernsten Gesundheitsproblemen ins Krankenhaus.
Medizinerinnen und Mediziner in Krankenhäusern beobachten in der Corona-Krise einen beunruhigenden Trend. Aus Angst vor einer Infektion kommen sehr viel weniger Patienten mit akutem Behandlungsbedarf in die Kliniken. „Wir stellen fest, dass Diagnosen wie Schlaganfallverdacht, Herzinfarkt oder Blinddarmentzündung deutlich nachgelassen haben“, sagt Siegfried Hasenbein, Geschäftsführer der Bayerischen Krankenhausgesellschaft in München. Gleiches gilt für Krebspatienten.
Patienten bleiben mit ernsten Problemen zuhause
Eine genaue Statistik gibt es noch nicht, aber Mediziner registrieren das Phänomen deutschlandweit: „Wir haben auf einmal sehr viel weniger Patienten mit dringenden Symptomen“, sagt der Lungenkrebsspezialist Niels Reinmuth, Chefarzt für Thorakale Onkologie an der Asklepios Fachklinik in Gauting bei München. „Das ist etwas, das wir alle beobachten.“ Ein Hauptgrund ist vermutlich Furcht: „Die Angst, sich zu infizieren, ist offenbar so groß, dass viele lieber gar nicht zum Arzt gehen“, meint ein Sprecher der Deutschen Krankenhausgesellschaft in Berlin.
Folgt auf Corona eine Welle von Herzschwäche?
Aus ärztlicher Sicht ist das besorgniserregend. „Wir haben die Sorge, dass wir im Sommer viele Patienten bekommen werden, die besser vier Monate früher gekommen wären“, sagt Reinmuth. Kardiologen diskutieren bereits, ob Deutschland nach Corona eine Welle der Herzschwäche bevorstehen könnte, wie eine Münchner Fachärztin berichtet. „Man muss wirklich dringend dazu aufrufen: Bleiben Sie nicht mit ernsten Problemen zu Hause“, sagt der Onkologe.
Eingeschränkter Praxisbetrieb
Im Jahr 2018 gab es 210.000 Herzinfarkte und etwa 300.000 Schlaganfälle in Deutschland. Dass sich diese Zahlen wegen der Corona-Epidemie plötzlich verringert haben, glaubt niemand in der medizinischen Gemeinde. Zu dem Phänomen trägt mutmaßlich der Umstand bei, dass viele niedergelassene Fachärzte ihren Praxisbetrieb eingeschränkt haben, so dass weniger Patienten überwiesen werden. „Es muss aber vermieden werden, dass Angst vor dem Virus andere Krankheiten und Todesfälle verursacht“, sagt ein Sprecher der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf.
Die größte medizinische Krise der vergangenen Jahrzehnte hat für die Krankenhäuser bisher die eigenartige Folge einer außergewöhnlich schwachen Auslastung. Die befürchtete Welle von Corona-Patienten ist zur Erleichterung aller Beteiligten ausgeblieben. Alle planbaren Behandlungen – die sogenannten „elektiven“ Fälle – wurden verschoben. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft schätzt, dass derzeit bundesweit 150.000 Betten frei sind.
Schrittweise Rückkehr zum Regelbetrieb geplant
Vor diesem Hintergrund berichtete der NDR auch über Fälle von Kurzarbeit an Kliniken. Nach Angaben der Krankenhausgesellschaft ist das allerdings „kein flächendeckendes Phänomen“. Für Kliniken bestehe keine Veranlassung für Kurzarbeit, weil es einen finanziellen Schutzschirm gebe. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) verwies auf das wegen der Corona-Pandemie beschlossene Krankenhausentlastungsgesetz. Kliniken bekommen demnach für frei gehaltene Betten eine Pauschale von 560 Euro pro Tag.
Spahn hatte in der vergangenen Woche angekündigt, dass die Krankenhäuser ab Anfang Mai schrittweise „in einen Regelbetrieb“ zurückkehren könnten. Die medizinischen Fachgesellschaften erarbeiteten gerade Konzepte dafür, sagte er. „Wir wollen ja nicht auf Dauer 40 Prozent der Intensivbeatmungsbetten in Deutschland frei halten. Das ist auch nicht notwendig.“ (vb; Quelle: dpa/tmn)
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Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.