Bauernhofleben schützt Kinder vor Asthma
Es ist schon länger bekannt, dass Kinder, die auf einem Bauernhof leben, seltener unter Allergien leiden. Das Bauernhofleben bringt aber noch mehr gesundheitliche Vorteile mit sich. Einer neuen Studie zufolge kann es vor Asthma im Kindesalter schützen. Laut den Forschenden gibt es Hinweise, dass der Darm einen Einfluss auf die Lungengesundheit haben kann.
Wie der Lungeninformationsdienst des Helmholtz-Zentrums in München erklärt, ist Asthma bronchiale die häufigste chronische Erkrankung im Kindes- und Jugendalter. In Deutschland sind etwa zehn Prozent aller Kinder unter 15 Jahren betroffen. Forschende des Helmholtz Zentrums München und des Dr. von Haunerschen Kinderspitals der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) berichten nun, dass Bauernhofkinder ein geringeres Asthmarisiko haben, als Kinder, die nicht auf einem Bauernhof leben.
Schutzwirkung vor Asthma
Ab der Geburt sind wir einer Umwelt voller kleiner Organismen ausgesetzt, sogenannte Mikrobiota, heißt es in einer Mitteilung der LMU und des Helmholtz Zentrums München. In den ersten Minuten und Stunden unseres Lebens beginnen sie unser Immunsystem herauszufordern, es jedoch auch zu trainieren. Das größte Immunorgan ist der Darm, weshalb die Reifung des Immunsystems untrennbar mit der Reifung der kolonisierenden Bakterien, dem sogenannten Darmmikrobiom, verbunden ist.
Nach tiefgreifenden Veränderungen im ersten Lebensjahr, dem Reifungsprozess, stabilisiert sich die Zusammensetzung des Darmmikrobioms allmählich und begleitet uns laut den Fachleuten ein Leben lang. Frühere Studien der Münchner Forschenden zeigten, dass ein vielfältiges Umweltmikrobiom zu einer Schutzwirkung vor Asthma führt, die besonders bei Bauernkindern ausgeprägt ist. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchten nun, ob dieser Effekt auf den Reifungsprozess des Darmmikrobioms bei Kindern zurückzuführen sein könnte.
Reifung des Darmmikrobioms wird gefördert
Die Forschenden analysierten dazu Stuhlproben von über 700 Kindern im Alter von zwei bis zwölf Monaten, die teilweise auf traditionellen Bauernhöfen aufwuchsen. Die Proben stammten aus PASTURE, einer europäischen Geburtenkohorte, die bereits seit fast 20 Jahren läuft und von der Europäischen Kommission gefördert wird.
„Wir stellen fest, dass ein vergleichsweise großer Teil der Schutzwirkung des Bauernhofs vor Asthma im Kindheitsalter auf die Reifung des Darmmikrobioms im ersten Lebensjahr zurückzuführen ist“, erläutert Dr. Martin Depner, Biostatistiker am Helmholtz Zentrum München. „Dies deutet darauf hin, dass Bauernhofkinder mit Umweltfaktoren, wahrscheinlich Mikrobiota, in Berührung kommen, die mit ihrem Darmmikrobiom interagieren und diesen Schutzeffekt herbeiführen.“
Das Forschungsteam ging davon aus, dass die Ernährung zur Reifung des Darmmikrobioms beiträgt. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler waren jedoch überrascht, dass bauernhofspezifische Einflüsse wie der Aufenthalt in Tierställen einen starken Einfluss auf die Reifung hatten. Das bestätigt, dass die Umwelt, in der man aufwächst, eine Rolle für die Schutzwirkung vor Asthma im Kindesalter spielt. Für die Zeit der ersten zwei Lebensmonate trugen eine vaginale Geburt sowie Stillen des Kindes ebenfalls zur Schutzfunktion des Mikrobioms bei.
Darm mit Einfluss auf die Lungengesundheit
Darüber hinaus stellten die Forschenden in der im Fachmagazin „Nature Medicine“ veröffentlichten Studie eine inverse Assoziation von Asthma mit der gemessenen Konzentration von Butyrat im Stuhl fest. Wie in der Mitteilung erklärt wird, ist Butyrat eine kurzkettige Fettsäure, von der bekannt ist, dass sie bei Mäusen eine asthmaschützende Wirkung hat.
Das Team kam zu dem Schluss, dass Darmbakterien wie Roseburia und Coprococcus, die kurzkettige Fettsäuren produzieren, auch beim Menschen zum Asthmaschutz beitragen könnten. Den Fachleuten zufolge wiesen Kinder mit einem ausgereiften Darmmikrobiom im Vergleich zu anderen Kindern eine höhere Menge an Roseburia- und Coprococcus-Bakterien auf.
„Unsere Studie liefert weitere Hinweise darauf, dass der Darm einen Einfluss auf die Gesundheit der Lunge haben kann. Die Atemwege der untersuchten Kinder wurden durch ein ausgereiftes Darmmikrobiom mit einem hohen Gehalt an kurzkettigen Fettsäuren geschützt. Dies spricht für die Idee einer relevanten Darm-Lungen-Achse beim Menschen“, so Dr. Markus Ege, Professor für klinisch-respiratorische Epidemiologie am Dr. von Haunerschen Kinderspital.
„Das bedeutet aber auch, dass ein unreifes Darmmikrobiom zur Entstehung von Krankheiten beitragen kann. Umso wichtiger sind Präventionsstrategien im ersten Lebensjahr, wenn das Darmmikrobiom noch leicht beeinflusst werden kann.“
Probiotika zur Asthma-Prävention
Weiterhin zeigt die Studie, dass es kein einziges Bakterium gibt, das alleine für den Asthmaschutz verantwortlich ist. Vielmehr ist demnach die Reifung des gesamten Darmmikrobioms der Schlüsselfaktor. Den Forschenden zufolge stellt diese Erkenntnis den Einsatz einzelner Bakterien als Probiotika zur Asthma-Prävention in Frage. Vielmehr sollten Probiotika im Hinblick auf ihre nachhaltige Wirkung auf die Zusammensetzung des Darmmikrobioms sowie dessen Reifung geprüft werden.
Milch zur Asthma- und Allergien-Vorbeugung
Ernährungsspezifische Aspekte der Studie können für Präventionsstrategien genutzt werden, beispielsweise Kuhmilch. Doch wegen des Risikos lebensbedrohlicher Infektionen wie EHEC kann unverarbeitete Rohmilch nicht empfohlen werden. Derzeit führen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft des Dr. von Haunerschen Kinderspitals eine klinische Studie über die Auswirkungen von minimal verarbeiteter, aber mikrobiologisch sicherer Milch zur Vorbeugung von Asthma und Allergien durch (MARTHA-Studie). (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Ludwig-Maximillians-Universität München (LMU): Wie Bauernhöfe vor Asthma im Kindesalter schützen, (Abruf: 03.11.2020), lmu.de
- Martin Depner, Diana Hazard Taft, Pirkka V. Kirjavainen, Karen M. Kalanetra, Anne M. Karvonen, Stefanie Peschel, Elisabeth Schmausser-Hechfellner, Caroline Roduit, Remo Frei, Roger Lauener, Amandine Divaret-Chauveau, Jean-Charles Dalphin, Josef Riedler, Marjut Roponen, Michael Kabesch, Harald Renz, Juha Pekkanen, Freda M. Farquharson, Petra Louis, David A. Mills, Erika von Mutius, PASTURE study group & Markus J. Ege: Maturation of the gut microbiome during the first year of life contributes to the protective farm effect on childhood asthma; in: Nature Medicine, (veröffentlicht: 02.11.2020), Nature Medicine
- Helmholtz Zentrum München: Asthma bronchiale bei Kindern und Jugendlichen, (letzter Abruf: 19.07.2024), Lungeninformationsdienst
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.