Neuer Behandlungsansatz bei Asthma, COPD und Mukoviszidose
Bei vielen chronischen Atemwegserkrankungen wie Asthma, COPD und Mukoviszidose kommt es zu einer übermäßigen Produktion von Schleim in den Atemwegen. Dieser Schleim kann lebensbedrohliche Symptome wie Atemnot hervorrufen. Ein internationales Forschungsteam stellt nun einen neuen Therapieansatz vor, bei dem überschießende Bildung von Lungenschleim verhindert werden soll.
Eine Arbeitsgruppe der Universität Ulm, der Stanford University und der University of Texas haben einen Wirkstoff entwickelt, der die krankmachende und übermäßige Bildung von Lungenschleim verhindert. Die natürliche Schleimproduktion der Lunge, die für die Abwehr von Erregern wichtig ist, bleibt dabei erhalten. Die Forschungsergebnisse wurden kürzlich in dem hochrenommierten Fachjournal „Nature“ präsentiert.
Lungenschleim ist wichtig für die Gesundheit der Atemwege
Mukus ist der Fachbegriff für Lungenschleim. In gesunden Atemwegen sorgt eine dünne Mukus-Schicht für eine Abwehr von Erregern, da Viren, Bakterien und Fremdkörper darin gefangen und abtransportiert werden.
Überschießende Mukus-Freisetzung kann lebensbedrohlich sein
Kommt es jedoch zu einer übermäßigen Schleimproduktion, wie es bei vielen entzündlichen Lungenerkrankungen wie Asthma, COPD und Mukoviszidose der Fall ist, kann der Mukus die Atemwege verstopfen und die Lungenfunktion einschränken.
Die Symptome, die mit einer übermäßigen Schleimproduktion einhergehen, reichen von Husten bis zu lebensbedrohlicher Atemnot.
Verfügbare Medikamente regulieren Schleim-Produktion nicht
Die meisten derzeit verfügbaren Medikamente gegen chronische Atemwegserkrankungen zielen darauf ab, entweder Entzündungen zu reduzieren oder die Atemwege zu erweitern. Die Produktion von Lungenschleim wird jedoch nicht reguliert.
„Ein Medikament, das die überschießende, nicht aber die lebenswichtige Basis-Schleimfreisetzung hemmt, könnte ein wirkungsvoller Therapieansatz für Millionen Lungenkranke sein“, betont Professor Manfred Frick von der Universität Ulm.
Schleim-Regulierung als neuer Ansatz bei Lungenerkrankungen
Mukus besteht aus speziellen Proteinketten, die als Muzine bezeichnet werden. Diese werden von spezialisierten Atemwegszellen freigesetzt. Der Mechanismus hinter dieser Schleimproduktion gilt als gut erforscht.
Unterschied zwischen gesunder und überschießender Schleim-Freisetzung
Die Muzine werden in kleinen separaten Räumen (Vesikel) in speziellen Atemwegszellen gespeichert. Durch ein bestimmtes Zusammenspiel von Proteinen wird das Muszin über die Zellmembran freigesetzt.
Wie die Forschenden erläutern, läuft diese Reaktion bei einer gesunden oder überschießenden Schleim-Freisetzung unterschiedlich ab. Die Arbeitsgruppe setzt an dieser Stelle an, um zu prüfen, ob eine übermäßige Freisetzung von Mukus verhindert werden kann, ohne die gesunde Schleim-Produktion zu gefährden.
Ursache für den Unterschied ausgenutzt
Aus Versuchen an Mäusen war bekannt, dass es bei den Tieren zu keiner überschießenden Schleimproduktion kommt, wenn ein bestimmtes Protein namens Synaptotagmin-2 fehlt.
„Selbst bei Entzündungsprozessen, die allergische Reaktionen oder Asthma auslösen müssten, war die Muzin-Abgabe in diesem Mausmodell sehr stark verringert“, bestätigen die drei Hauptautoren der Studie Professor Axel Brunger von der Stanford University, Professor Burton Dickey von der University of Texas und Professor Manfred Frick von der Universität Ulm.
„Dadurch konnten wir Synaptotagmin-2 als therapeutischen Angriffspunkt identifizieren“, betonen die Wissenschaftler. Im Rahmen der Studie gelang es den Forschenden ein Peptid namens SP9 zu synthetisieren, welches an Synaptotagmin-2 bindet, wodurch die übermäßige Produktion von Lungenschleim gestoppt werden konnte.
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Wirkt SP9 auch bei Menschen?
Im weiteren Verlauf der Forschungsarbeit fand das Team einen Weg, um SP9 in menschliche Zellen einzuschleusen. Anhand von menschlichen Spenderzellen konnten die Forschenden im Labor nachweisen, dass durch die Einschleusung des Wirkstoffs die überschießende Schleimbildung gehemmt, jedoch nicht die Bildung der gesundheitsfördernden Mukus-Schutzschicht unterbunden wird.
Neuer Wirkstoff könnte über Spray verabreicht werden
Die Arbeitsgruppe hält es für möglich, den neuen Wirkstoff über Aerosole zu verabreichen – also ähnlich wie ein Asthmaspray. Das Team sieht in dem Inhibitor ein großes Potenzial, um die Behandlung von zahlreichen weit verbreiteten Atemwegserkrankungen zu verbessern.
Bevor der neue Wirkstoff jedoch eingesetzt werden kann, muss die Wirksamkeit erst durch klinische Studien an Menschen überprüft werden. Unklar ist beispielsweise noch, ob es möglich ist, SP9 in ausreichender Menge über ein Spray zu verabreichen. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Universität Ulm: Neuer Behandlungsansatz für chronische Atemwegserkrankungen: Inhibitor stoppt überschießende Lungenschleim-Bildung (veröffentlicht: 30.03.2022), uni-ulm.de
- Axel Brunger, Burton Dickey, Manfred Frick, et al.: Inhibition of calcium-triggered secretion by hydrocarbon-stapled peptides; in: Nature (2022), nature.com
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.