Experten warnen vor zunehmender Pollen-Belastung
Asthmatiker und Allergiker müssen zukünftig vor allem in den Städten mit immer aggressiver werdenden Pollen rechnen. Davor warnen laut einer Mitteilung der Nachrichtenagentur „dpa“ Experten anlässlich des heutigen Welt-Asthma-Tages (2. Mai). Infolge der globalen Klimaerwärmung falle demnach die Pollensaison zunehmend deutlich länger und intensiver aus, wodurch zukünftig immer mehr Menschen unter Allergien und Asthma bronchiale leiden würden.
Obama berichtet von Aha-Erlebnis
Luftnot, Engegefühl in der Brust und ständiges Husten: Menschen mit Asthma und Allergien kennen diese Symptome nur zu gut und viele erleben die Beschwerden von Jahr zu Jahr immer stärker. Schon Barack Obama hatte zu Zeiten als US-Präsident berichtet, wie ein Asthmaanfall seiner damals vierjährigen Tochter Malia für schreckliche Ängste gesorgt hat. „Papa, ich kann kaum noch atmen“, habe das Kind demnach berichtet und musste in die Notaufnahme eingeliefert werden – der Ex-Präsident selbst habe in dieser Situation eine Art „Aha-Erlebnis“ im Zusammenhang mit der Klimaentwicklung gehabt, heißt es in der Mitteilung der „dpa“.
Verbessertes Pflanzenwachstum durch Klimaerwärmung
Nun warnen auch Experten hierzulande anlässlich des heute (2. Mai) stattfindenden Welt-Asthma-Tages vor einer zunehmenden Belastung durch Pollen. Aus Sicht der Fachleute handelt es sich dabei um erste Anzeichen der weltweiten Erwärmung, denn diese wirkt sich positiv auf das Pflanzenwachstum aus. „Es gibt ganz klare Daten: In den vergangenen 30 Jahren hat sich die Pollensaison in Deutschland schon deutlich verlängert. Aber sie ist auch intensiver geworden“, erklärt der Leiter des Allergie-Centrums der Berliner Charité, Torsten Zuberbier, laut der „dpa“.
Atemnot und Husten werden immer schlimmer
Bereits heute erleben viele Allergiker und Asthmatiker erste Konsequenzen dieser Entwicklung. „Patienten berichten uns, dass ihre Symptome von Jahr zu Jahr schlimmer werden», so die Direktorin des Instituts für Umweltmedizin des Helmholtz Zentrums München und der TU München, Claudia Traidl-Hoffmann.
Bei einer Pollenallergie und Heuschnupfen sind die oberen Atemwege betroffen, was unter anderem juckende Augen, geschwollene Lider, eine allergische Bindehautentzündung und anhaltenden Schnupfen hervorrufen kann.
Bei Asthmatikern herrscht hingegen eine chronische, entzündliche Erkrankung der unteren Atemwege. Typische Symptome sind ständiges Husten (vor allem nachts), Kurzatmigkeit, Atemnot und ein pfeifender Ton beim Ausatmen.
Jedes zehnte Kind unter 15 Jahren betroffen
Laut dem Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin haben knapp 15 Prozent der Menschen ab 18 Jahre hierzulande Heuschnupfen, knapp neun Prozent leiden unter Asthma bronchiale. Im Kindes- und Jugendalter stellt Asthma laut dem Lungeninformationsdienst am Helmholtz Zentrum München die häufigste chronische Erkrankung dar. Etwa 10 Prozent aller Kinder unter 15 Jahren sind davon in Deutschland betroffen, wobei die Krankheit in den meisten Fällen (70 %) vor dem 5. Lebensjahr ausbricht, so die Information.
Kinder haben demnach ein besonders hohes Risiko für Erkrankungen der Atemwege. „Was aber auch dramatisch ist: Wir sehen jetzt einen Anstieg von Ekzemen und Allergien bei älteren Menschen über 70 Jahren“, so Traidl-Hoffmann. Dabei würden gerade diejenigen, die noch nie damit zu tun hatten, im Alter verstärkt eine Allergie bekommen, erläutert die Expertin.
Pflanzen an Straßen mit CO2 gedüngt
Doch wie lässt sich diese Entwicklung erklären? Aus Sicht der Experten führe zum einen ein veränderter Lebensstil (z.B. weniger Bewegung an der frischen Luft) zu einer erhöhten Anfälligkeit. Neben dem seien die Menschen im Zuge des Klimawandels veränderten Umweltbedingungen ausgesetzt. Mehrere Faktoren würden schließlich zusammen dafür sorgen, dass die Pollen stärker und stärker reizend wirken als früher.
„Pollen, die im städtischen Bereich in der Nähe von Hauptstraßen gebildet werden, sind mit Dieselrußpartikeln besetzt und dadurch für die Atemwege indirekt aggressiver“, sagt Torsten Zuberbier. Dadurch könnten auch leichter Allergien entstehen, fügt der Experte hinzu. Eine weiterer Faktor seien Pflanzen wie Gräser und Kräuter, die beispielsweise an Hauptverkehrsstraßen wachsen und dort viel CO2 ausgesetzt sind. Denn diese würden dadurch mit dem Gas regelrecht „gedüngt“ und in der Folge vermehrt Pollen ausstoßen.
Stärkere Beschwerden und mehr Betroffene
Was das für die Zukunft bedeuten kann, zeigen Untersuchungen wie von Traidl-Hoffmann, die mit ihren Kollegen Pflanzen in Gewächshäusern erwartbaren Bedingungen ausgesetzt hat. „Unter Trockenstress, Ozon-, CO2- und Stickoxidbelastung setzen Pflanzen vermehrt Allergene frei, was dann auch dazu führt, dass mehr Symptome entstehen. Aber auch alle empfindungsfördernden Substanzen schüttet die Pflanze unter diesen klimatischen Stressbedingungen vermehrt aus“, so das Ergebnis der Forschung.
Den Experten zufolge könnten die Veränderungen des Klimas für Betroffene von Heuschnupfen und Asthma bedeuten, dass sie das ganze Jahr unter Beschwerden leiden. Zudem sei von einem weiteren Anstieg der Pollenallergien auszugehen.
Allein bei Personen, die gegen das Beifußblättrige Traubenkraut (Ambrosia artemisiifolia) allergisch sind, könnte es Fachleuten zufolge zu einer massiven Zunahme von Betroffenen kommen. Zu diesem Ergebnis kamen Wissenschaftler europäischer Hochschulen durch eine Hochrechnung, nach der sich die Zahl der Ambrosia-Allergiker in Europa bis zum Jahr 2060 mehr als verdoppeln könne. Es sei folglich möglich, dass bis zu 77 Millionen Menschen betroffen sein könnten, wobei Deutschland vermutlich eines der Länder mit dem größten Zuwachs sein werde, so die Experten im Fachblatt „Environmental Health Perspectives“. (nr)
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