Starke RS-Viren-Infektionswelle sorgt für zahlreiche Erkrankungsfälle
Derzeit wird aus vielen Regionen Deutschlands über eine hohe Zahl von Infektionen mit dem Respiratorischen Synzytial-Virus (RSV) berichtet. Die dadurch verursachten Atemwegserkrankungen können vor allem bei kleinen Kindern gefährlich werden. Fachleute erklären, worauf Eltern jetzt achten sollten.
Fieber, Schnupfen, Husten, Halsschmerzen – aktuell liegen viele Babys und Kleinkinder mit einer Infektion im Bett. Der Auslöser ist oft das sogenannte Respiratorische Synzytial-Virus (RSV). Was es damit auf sich hat und was Eltern beachten sollten, erläutert Privatdozent Dr. Martin Wetzke, Oberarzt an der Klinik für Pädiatrische Pneumologie, Allergologie und Neonatologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) in einer Mitteilung.
Infektionen vor allem in den kalten Monaten
Das RS-Virus ist ein weltweit verbreiteter Erreger von akuten Erkrankungen der oberen und unteren Atemwege in jedem Lebensalter und einer der bedeutendsten Erreger von Atemwegsinfektionen bei Säuglingen, insbesondere Frühgeborenen und Kleinkindern, erklärt das Robert Koch-Institut (RKI).
In Saisonalität (besonders oft Fälle zwischen November und April) sowie Symptomatik ähneln RSV-Infektionen der Influenza.
In den ersten drei Lebensmonaten können diese Infektionen besonders schwer verlaufen, berichtet der Lungeninformationsdienst des Helmholtz-Zentrums in München auf seiner Webseite.
Frühgeborene, Kinder mit Vorerkrankungen der Lunge (beispielsweise bronchopulmonale Dysplasie oder zystische Fibrose) sowie Kinder mit Herzfehlern haben demnach ein besonderes Risiko für schwere RSV-Verläufe.
Bis zum Ende des zweiten Lebensjahres haben laut den Fachleuten nahezu alle Kinder mindestens eine RS-Virus-Infektion durchgemacht. Etwa zwei Prozent von ihnen werden deshalb in einem Krankenhaus behandelt.
Ältere Kinder sowie Erwachsene entwickeln in aller Regel nur leichte, erkältungsähnliche RS-Virus-Symptome.
Zusammentreffen mit früher Grippewelle
Wie bereits im vergangen Jahr wird auch in diesem Jahr eine ungewöhnlich frühe Saison beobachtet. Dieses Jahr zeigt sich Dr. Martin Wetzke zufolge aber auch zusätzlich eine erhöhte Anzahl von kranken Kindern mit RSV in den Kliniken und Praxen.
Viele Kliniken stoßen inzwischen an die Grenzen ihrer Aufnahmemöglichkeiten. Dies liegt jedoch oft auch an den fehlenden Kapazitäten in den Krankenhäuser. Erschwerend hinzu kommt eine frühe Grippewelle.
„Das Zusammentreffen einer frühen Influenzawelle mit einer besonders stark die Säuglinge betreffenden Häufung von Infektionen mit dem RS-Virus führt zu erheblicher Überlastung“, wird der Vorsitzende des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte Hessen (BVKJ), Dr. Ralf Moebus, in einer Mitteilung zitiert.
Maßnahmen während Corona-Pandemie spielen eine Rolle
Wie Dr. Martin Wetzke erläutert, spielt die Corona-Pandemie eine Rolle dabei, warum es erneut zu einer starken RSV-Infektionswelle kommt.
Wegen den Schutzmaßnahmen wie Maskentragen, Abstand halten und Lockdowns haben sich in dieser Zeit erheblich weniger Menschen mit dem RS-Virus angesteckt und konnten darum auch keine Immunität aufbauen oder ihre Immunität boostern.
Seitdem es Lockerungen gibt und die genannten Maßnahmen nicht mehr verbreitet sind, kann sich der Erreger bei mehr Ungeschützten schnell verbreiten.
Der Mediziner weist darauf hin, dass Ansteckungen, die sich sonst über mehrere Jahre verteilt haben, nun konzentriert auftreten, ob die Infektionen in diesem Jahr aber auch schwerer verlaufen, kann noch nicht gesagt werden.
Kaum Immunität an Neugeborene weitergegeben
Wahrscheinlich hätten sich auch ohne Corona-Maßnahmen genauso viele Kinder mit dem RSV angesteckt, nur zeitlich ausgewogener verteilt. Laut dem Oberarzt schadet eine später stattfindende Infektion dem Immunsystem übrigens nicht, es lernt trotzdem und baut einen Immunschutz auf.
Die Situation bei Neugeborenen sieht jedoch etwas anders aus. Aufgrund der fehlenden eigenen Antikörper gegen das RS-Virus konnten schwangere Frauen auch kaum Immunität an das Ungeborene weitergeben.
Und Stillende konnten über die Muttermilch nicht genügend Immunität an die Babys weitergeben. Je weniger mütterliche RSV-Antikörper Neugeborene in der Schwangerschaft bekommen, desto empfänglicher sind sie für einen schweren Krankheitsverlauf der RSV-Infektion, erklärt Dr. Wetzke.
Keine spezifische Behandlung
Eine wirksame kausale Behandlung der RSV-Infektion gibt es nicht, erläutert das RKI. Die Therapie ist symptomatisch und besteht in ausreichender Flüssigkeitszufuhr zur Sekretmobilisation und wenn notwendig, dem Zuführen von Sauerstoff oder aber auch einer Unterstützung beim Atmen.
In den allermeisten Fällen werden die Kinder laut Dr. Martin Wetzke auf der Normalstation versorgt. Nur in wenigen Fällen ist eine Betreuung auf der Intensivstation nötig.
Auf was Eltern besonders achten sollten
„Ein Säugling mit Zeichen einer Atemwegsinfektion und Fieber sollte immer einem Kinderarzt vorgestellt werden“, mahnt Dr. Martin Wetzke.
„Wenn dabei die Atmung deutlich erschwert und schneller ist, sollte gegebenenfalls auch eine Vorstellung außerhalb der normalen Öffnungszeiten in einer Notaufnahme erfolgen“, sagt der Experte.
„Gleiches gilt, wenn Kinder im Rahmen einer Atemwegsinfektion nicht mehr ausreichend trinken.“ (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Medizinische Hochschule Hannover: Infektionswelle mit RS-Viren, (Abruf: 13.12.2022), Medizinische Hochschule Hannover
- Robert Koch-Institut: Respiratorische Synzytial-Virus-Infektionen (RSV), (Abruf: 13.12.2022), Robert Koch-Institut
- Lungeninformationsdienst des Helmholtz-Zentrums in München: Was ist das RS-Virus?, (Abruf: 13.12.2022), Lungeninformationsdienst
- Hessische Landesregierung: Hohe Zahl von Infektionen mit dem RS-Virus, (Abruf: 13.12.2022), hessen.de
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.