Neuartiger Impfstoff gegen Corona- und Grippeviren
Das Coronavirus SARS-CoV-2 und das Influenza-A-Virus (IAV) sind bekannte Viren zoonotischen Ursprungs, die globale Pandemien mit schwerwiegenden Folgen für die menschliche Gesundheit und die Wirtschaft verursacht haben. Es besteht weiterhin ein medizinischer Bedarf an Impfstoffen gegen solche Krankheitserreger. Helfen kann dabei ein Herpesvirus. Denn wie Forschende nun berichten, haben sie einen neuartigen Impfstoff gegen Corona- und Grippeviren auf Basis des Zytomegalievirus entwickelt.
Viren begegnen uns meistens als Krankheitserreger. Doch virusbasierte Impfplattformen können auch zum Schutz vor verschiedenen Krankheiten beitragen. Forschende haben jetzt einen neuartigen Impfstoff gegen verschiedene Atemwegsviren auf Basis des Zytomegalievirus entwickelt. Eine einzelne Dosis des Vakzins, das aus einem Zytomegalievirus besteht, dem ein Gen des Coronavirus oder Influenza A hinzugefügt wurde, schützte Mäuse effizient vor den Atemwegsinfektionen.
Aus der Familie der Herpesviren
Wie es in einer aktuellen Mitteilung des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig heißt, erlebten vektorbasierte Impfstoffe ihren öffentlichen Durchbruch mit der Entwicklung mehrerer COVID-19-Impfstoffe. Bei dieser Technologie transportieren harmlose Helferviren den genetischen Code für ein Antigen in Wirtszellen, die wiederum das Antigen produzieren und es auf ihrer Oberfläche präsentieren, was eine Immunreaktion auslöst.
Während die SARS-CoV-2-Vektorimpfstoffe auf modifizierten Adenoviren beruhen, haben Forscherinnen und Forscher um Prof. Luka Cicin-Sain, Leiter der HZI-Abteilung „Virale Immunologie“, einen vielversprechenden alternativen Kandidaten für eine vektorbasierte Impfstoffplattform identifiziert: das Zytomegalievirus (CMV).
Den Angaben zufolge ist CMV ein Mitglied der Familie der Herpesviren, das bei einer Infektion in der Regel nur leichte Symptome hervorruft und lange Zeit im Körper verbleiben kann.
„Schutzwirkung gegen Influenza und SARS-CoV-2“
In der aktuellen Studie haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des HZI gemeinsam mit nationalen und internationalen Partnerinnen und Partnern, darunter das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung (DZIF), das Deutsche Primatenzentrum – Leibniz-Institut für Primatenforschung (DPZ), die Technische Universität Braunschweig und die Universität Rijeka in Kroatien, mit murinem CMV (MCMV) in einem Tierinfektionsmodell gearbeitet, da das humane CMV keine Mäuse infizieren kann.
„Es ist eine Besonderheit von CMV, dass es eine starke und dauerhafte Aktivierung von T-Zellen verursacht, die helfen, das Virus unter Kontrolle zu halten“, erläutert Cicin-Sain. Um MCMV als Vektor zum Schutz vor anderen Atemwegsinfektionen zu nutzen, integrierten die Forschenden genetische Sequenzen von Influenza A- oder SARS-CoV-2-Proteinen in das MCMV-Genom. Nach Injektion dieser Trägerviren entwickelten die Mäuse eine Immunantwort, die sie vor einer Infektion mit Influenza beziehungsweise SARS-CoV-2 schützte.
Wie in der Mitteilung erklärt wird, besteht das adaptive Immunsystem aus zwei Teilen: Antikörperproduzierende B-Zellen bilden den humoralen Arm, während T-Zellen den zellulären Arm bilden. Für eine effiziente und langlebige Immunantwort sollten laut den Fachleuten beide Arme angesprochen werden.
„Während die Immunantwort auf CMV von einer T-Zell-Antwort dominiert wird, zeigen wir in unserer Studie, dass dieser Vektor auch eine Schutzwirkung gegen Influenza und SARS-CoV-2 durch Antikörper hervorrufen kann“, so Cicin-Sain. Für SARS-CoV-2 konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch zeigen, dass die Antikörper gegen verschiedene Varianten des Virus, wie Alpha (B.1.1.7) und Beta (B.1.351), aktiv waren.
Qualität der Antikörper verbesserte sich
Den Angaben zufolge bot eine einzelne Dosis des CMV-Impfstoffs nicht nur einen langfristigen Schutz, sondern die Qualität der Antikörper verbesserte sich auch im Laufe der Zeit durch einen Prozess, der als Affinitätsreifung bezeichnet wird.
„Eine dauerhafte Immunität erfordert in der Regel mehrere Impfstoffinjektionen. Mit unserer Plattform beobachten wir sie mit einer einzigen Dosis“, erläutert Yeonsu Kim, Doktorandin in der Abteilung „Virale Immunologie“ und Erstautorin der Studie. „Das macht CMV zu einem idealen Vektorkandidaten, um mit einfacher Logistik einen guten Schutz zu erzielen“, sagt die Forscherin.
„Insgesamt zeigen wir, dass unsere Impfstoffplattform einen starken Antikörper-vermittelten Schutz gegen zwei verschiedene Atemwegsviren erzeugen kann. Daher glauben wir, dass die Wirkung nicht spezifisch für das Zielvirus ist, sondern dass die CMV-Plattform auch auf andere Viren angewendet werden kann“, so Cicin-Sain. „Der Ansatz besitzt das Potential, die notwendigen weiteren präklinischen und klinischen Entwicklungsschritte zu durchlaufen.“
Die Ergebnisse zu dem neuen Impfstoffkandidaten, der noch nicht marktreif ist, wurden in der Fachzeitschrift „Cellular & Molecular Immunity“ veröffentlicht. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung: Forschungsteam des HZI entwickelt neuartigen Impfstoff gegen Corona- und Grippeviren auf Basis des Zytomegalievirus, (Abruf: 18.01.2022), Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung
- Yeonsu Kim*, Xiaoyan Zheng*, Kathrin Eschke*, M. Zeeshan Chaudhry*, Federico Bertoglio, Adriana Tomić, Astrid Krmpotić, Markus Hoffmann, Yotam Bar-On, Julia Boehme, Dunja Bruder, Thomas Ebensen, Linda Brunotte, Stephan Ludwig, Martin Messerle, Carlos Guzman, Ofer Mandelboim, Michael Hust, Stefan Pöhlmann, Stipan Jonjić, Luka Čičin-Šain (* trugen zu gleichen Teilen bei): MCMV-based vaccine vectors expressing full-length viral proteins provide long-term humoral immune protection upon a single-shot vaccination; in: Cellular & Molecular Immunity, (veröffentlicht: 07.01.2022), Cellular & Molecular Immunity
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.