Medizinische Forschung: Krebs ist uralt
26.06.2014
In Deutschland treten jedes Jahr etwa 450.000 Neuerkrankungen von Krebs auf. Jeder zweite Betroffene überlebt die Krankheit nicht. Die Forschung arbeitet seit Jahren mit Hochdruck daran, neue Medikamente und Therapien zu finden, die die Chancen auf Heilung verbessern. Bei einigen Krebsarten konnte dadurch die Prognose deutlich verbessert werden. Bei anderen ist die Sterblichkeit noch immer hoch wie beispielsweise beim Lungen- oder Darmkrebs. „Krebs ist so alt wie das vielzellige Leben auf der Erde und lässt sich wohl nie ganz ausrotten", erläutert Professor Thomas Bosch vom Zoologischen Institut der Universität Kiel. Ein internationales Forscherteam um Bosch erreichte jüngst immerhin einen Teilerfolg. Die Wissenschaftler kamen im Rahmen ihrer Studie dem Ursprung von Krebs auf die Spur.
Bereits die ersten vielzelligen Tiere trugen Krebsgene in sich
Die grundlegenden Erkenntnisse der Forscher über die Entstehung von Krebs könnten zukünftig dazu beitragen, Therapien zu verbessern. „Unseren Feind von seiner Entstehung an zu kennen, ist der beste Weg, ihn zu bekämpfen, und viele Schlachten zu gewinnen“, betont Bosch. Zwar ist bereits seit einiger Zeit bekannt, dass sogenannte Krebsgene Tumore verursachen, jedoch war bislang unklar, wann und wie die bösartigen Tumore im Zuge der Evolution entstanden. „Bei der Suche nach dem Ursprung der Krebsgene haben wir unerwarteter Weise herausgefunden, dass viele dieser Gene von den ersten Tierarten abstammen", berichtet der Co-Autor der Studie, Tomislav Domazet-Lošo vom Ruđer Bošković Institut und der Katholischen Universität Zagreb. „Unsere Daten sagten voraus, dass schon die ersten vielzelligen Tiere die meisten der Gene hatten, die beim Menschen Krebs auslösen können.“ Es fehlte jedoch der entscheidende Beleg dafür, dass diese Tiere auch tatsächlich an bösartigen Tumoren litten. Unklar waren zudem die Mechanismen, die zur Entstehung des Krebses geführt hatten.
Bosch beschäftigt sich bereits seit langem mit Stammzellen und der Regulation von des Gewebewachstums der Polypenart Hydra, die stammesgeschichtlich sehr alt ist. „Jetzt haben wir in zwei unterschiedlichen Hydra-Arten, einem korallenähnlicher Organismus, tumortragende Polypen entdeckt", berichtet der Evolutionsbiologe. Das sei der Beweis, dass Tumore tatsächlich in primitiven und sehr alten Arten wuchern konnten.
Programmierter Zelltod greift nicht bei jeder Zelle
Im weiteren Verlauf der Untersuchungen machte das Forscherteam eine weitere wichtige Entdeckung: Stammzellen, die auf die geschlechtliche Differenzierung programmiert sind, häufen sich an und können nicht durch den programmierten Zelltod entfernt werden. Dabei konnten die Tumore, die Eierstockkrebs beim Menschen sehr ähnlich waren, nur in weiblichen Hydra-Polypen nachgewiesen werden. „Bei der weiteren molekularen Analyse der Tumore stießen wir auf ein Gen, das im Tumorgewebe drastisch hochreguliert ist und das den programmierten Zelltod normalerweise verhindert", so Alexander Klimovich, Stipendiat der Alexander-von-Humboldt Stiftung am Zoologischen Institut der Universität Kiel und Co-Autor der Studie. „Da eine nicht funktionierende Zelltod-Maschinerie auch bei vielen Krebsarten des Menschen für Wachstum und Ausbreitung der Tumore verantwortlich gemacht wird, tauchen hier frappierende Ähnlichkeiten zum Krebs bei Menschen auf."
Darüber hinaus stellten die Forscher fest, dass Tumorzellen invasiv sind. Wenn sie in gesunde Organismen eingebracht werden, können sie dort das Wachstum eines Tumors auslösen. Bosch vermutet im Hinblick auf die Forschung an den Hydra-Arten: „Auch die invasive Eigenschaft von Krebszellen ist stammesgeschichtlich uralt."
Trotz umfangreicher Krebsforschung kommt der medizinische Fortschritt bei der Bekämpfung von Krebs nur langsam voran. Weltweit sind die Kosten dafür immens. Allein in den USA wurden im Jahr 2012 über 500 Milliarden Doller in die Erforschung von Krebs auf der Suche nach neuen, verbesserten Therapieren investiert. Die Ergebnisse von Bosch und seine Kollegen sind ein weiteres Puzzleteil auf der Suche nach Heilmitteln gegen Krebs. Ihre Studienergebnisse veröffentlichten die Forscher im Fachjournal „Nature Communications“.
Erste Erfolge bei der Entwicklung eines Impfstoffs gegen Hirntumore
Krebsforschern des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) und des Universitätsklinikums Heidelberg gelang es jüngst, einen mutationsspezifischen Impfstoff zu entwickeln, der eine Immunreaktion gegen ein in Hirntumoren verändertes Protein auslöst. Wie sie in der Zeitschrift „Nature“ berichten, stoppe der Impfstoff bei Mäusen das Tumorwachstum. Eine klinische Studie zur Verifizierung der Ergebnisse ist bereits in Planung.
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