Verbreitung und Übertragung multiresistenter Krankheitserreger neu zu bewerten
Der Austausch von Krankheitserregern zwischen Menschen, Haus- und Wildtieren hat maßgeblichen Einfluss auf die Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen, so das Ergebnis einer internationalen Studie unter Beteiligung von Forschern der Freien Universität Berlin und des Robert Koch-Instituts (RKI). Ihre Studienergebnisse haben die Forscher in dem Fachmagazin „PLoS Genetics“ veröffentlicht.
Die Wissenschaftler fanden heraus, dass „eine weltweit vorkommende, multiresistente ESBL-produzierende E. coli-Variante in großem Umfang zwischen Menschen, Haus- und Wildtieren übertragen werden“ kann, so die Mitteilung des RKI. Dies haben die Analysen des Erreger-Stammbaums ergeben. Der Austausch zwischen den verschiedenen Spezies hat demnach einen maßgeblichen Einfluss auf die Ausbreitung der multiresistenten Erreger.
Stammbaum-Analysen unverzichtbar beim Infektionsschutz
Neben den Forschern um Alan McNally von der Nottingham Trent University waren unter anderem Sebastian Günther und Katharina Schaufler von der Freien Universität Berlin sowie der Präsident des RKI, Lothar H. Wieler, an der Studie beteiligt. Mit Hilfe einer neuen bioinformatischen Methode konnten die Forscher den Stammbaum der Erreger in einer bislang einmalig hohen Auflösung darstellen. Derartige „Stammbaum-Analysen (phylogenetische Analysen) sind unverzichtbar, um die Entwicklung, Verbreitung und Übertragung von Krankheitserregern und Antibiotikaresistenzen zu verfolgen und den Infektionsschutz zu verbessern“, berichtet das RKI.
Erreger zirkulieren zwischen Menschen, Wild- und Haustieren
Das internationale Forscherteam hat im Rahmen der aktuellen Studie den Austausch sogenannter ESBL-bildender E. coli Bakterien zwischen Menschen, Haus- und Nutztieren analysiert. Wissenschaftler gehen bereits seit einiger Zeit davon, „dass die Erreger – und die Erbanlagen, die die Resistenzen überhaupt erst ermöglichen – zwischen Mensch, Tier und Umwelt zirkulieren“, so die Mitteilung des RKI. Ein Beispiel hierfür seien die multiresistenten ESBL-produzierenden E. coli Bakterien, welche spezielle bakterielle Enzyme bilden (sogenannte Extended Spectrum Beta-Lactamasen, ESBL) und damit verschiedene Antibiotika inaktivieren.
Analysen des Kerngenoms sowie des akzessorischen und regulativen Genoms
Mehr als 200 Isolate einer bestimmten ESBL-produzierenden E. coli-Variante (Sequenztyp 131; ST131), die aus verschiedenen Ländern und Wirten stammten, haben die Forscher analysiert. Für ihre Untersuchung kombinierten sie erstmals die detaillierte Analyse des Kerngenoms mit der Analyse des akzessorischen und regulativen Genoms, berichtet das RKI. Das Genom beschreibe die Gesamtheit aller vererbbaren Informationen eines Organismus und das Kerngenom komme bei allen Vertretern einer Art vor. Daneben gebe es jedoch zusätzlich Gene, die variieren können, welche in ihrer Gesamtheit als akzessorisches Genom bezeichnet werden. Zudem können Bakterien „ihr Erbgut auch gezielt steuern“ und „die dafür verantwortlichen Bereiche heißen regulatorisches Genom“, erläutert das RKI.
Blick auf die Evolution der Erreger
Die Kombination der Analyse aller drei Genombereiche ermöglichte den Wissenschaftlern laut eigener Aussage einen Blick mit bislang einmaliger Auflösung in die Evolution und die Verbreitung dieser Erreger. Grundsätzlich werde „die molekulare Surveillance, die vollständige Untersuchung von Erregergenomen und die Analyse der Entwicklung und Verbreitung, im Infektionsschutz immer wichtiger“, so die Mitteilung des RKI. Denn multiresistente gramnegative Bakterien (MRGN) würden zunehmend den medizinischen Fortschritt in der Human- und Veterinärmedizin bedrohen. Eine wesentliche Voraussetzung für die molekulare Surveillance seien leistungsfähige Sequenzierautomaten und die Expertise von Bioinformatikern. (fp)
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