Verschluckt: Arzt fand die unmöglichsten Gegenständen in den Mägen seiner Patienten
Fünfmarkstücke, Rasierklingen, Sicherheitsnadeln: Ein Arzt aus Bielefeld erzählt in einem Buch, welche Gegenstände er in den Mägen seiner Patienten gefunden hat. Die Geschichten dahinter sind oft noch kurioser als die Dinge.
Fremdkörper im Magen-Darm-Trakt
Verschluckte Kleinteile können im Magen-Darm-Trakt zu schweren Schädigungen führen. Es ist daher immer wieder erstaunlich, mit welch schlimmen Verletzungen oder Fremdkörpern im Leib Menschen überleben können.
40 Messer verschluckt
2014 wurde über einen Schamanen in Nepal berichtet, der vier zwölf bis 15 Zentimeter lange Eisenstäbe schluckte, die zwei Monate lang im Körper des 47-Jährigen blieben, bevor sie von Ärzten entfernt wurden.
Und erst vor wenigen Wochen berichtete „CNN“ über einen Fall aus Indien, bei dem 40 Messer aus dem Magen eines Mannes geholt wurden. Der 42-Jährige hatte die Teile geschluckt, weil er nach eigenen Angaben eine unglaubliche Lust auf Metall verspürte.
Verschluckte Löffel sorgten für Abwechslung
Doch auch hierzulande holen Ärzte Dinge aus den Mägen von Patienten, bei denen sich die Frage stellt, wie sie überhaupt verschluckt werden konnten. Siegfried Ernst Miederer hat in seinem Praxisalltag so einiges erlebt. Der langjährige Ex-Chefarzt einer Bielefelder Klinik mit Schwerpunkt Gastroenterologie erzählt in einer Meldung der Nachrichtenagentur dpa, was er schon alles im Inneren von Menschen gefunden hat.
Miederer zeigt auf eine Reihe Metallstielen und sagt: „Die vielen Löffelstiele hat ein Mann verschluckt. Er war Insasse einer Justizvollzugsanstalt bei Bonn und erhoffte sich dadurch Abwechslung vom Gefängnisalltag.“ Der „arme Schlucker“, wie ihn der 74-jährige Mediziner im Ruhestand nennt, hatte den eigentlichen Löffel abgebrochen, um den gut zehn Zentimeter langen Rest vom Besteck besser durch die Speiseröhre zu bekommen.
„Das brachte mindestens zwei Wochen Krankenhaus. Er kam aus dem Gefängnis heraus und konnte zudem die Pflege der Krankenschwestern genießen.“ Nachdem der Häftling über 20-mal operiert worden war, bot Miederer an, die Gegenstände mit einem Endoskop durch die Speiseröhre zu entfernen. Der Mann hörte daraufhin damit auf, Löffelstiele zu schlucken. Miederer hat die Löffelstiele, und auch andere Gegenstände wie Rollmopsspieße, Knöpfe und Schlüssel gesammelt.
Mit Endoskop in den Magen schauen
Seine Sammlung steht auch für ein Kapitel Medizingeschichte: Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts gab es die Idee, einem Patienten mit einer langen Röhre in den Magen zu schauen. Die Forschung war schließlich 1958 soweit, dass das erste flexible Endoskop vorgestellt werden konnte.
Bald darauf konnte Miederer dadurch verschluckte Gegenstände ohne Operation wieder zutage fördern. Der Arzt war später an der Medizinischen Poliklinik der Universität Bonn an der Entwicklung des ersten Desinfektionsgerätes für flexible Endoskope beteiligt, das heute in der Bonner Zweigstelle des Deutschen Museums ausgestellt ist – neben einer Reihe von „Magen-Funden“ aus Miederers Sammlung.
Sensationscharakter zwischen Ekel und Staunen
„Sie gehören zu unseren besonders stark beachteten Ausstellungsstücken. Immer wieder stehen Besucher davor und wundern sich, dass man ganze Löffel und sogar einen Zahnarztbohrer einfach verschlucken kann“, erläutert Museumsleiterin Andrea Niehaus in der dpa-Meldung. Das Museum nutzt den Sensationscharakter zwischen Ekel und Staunen, um dadurch die Aufmerksamkeit auf die Geschichte der Endoskopie zu lenken, die mit frühen Endoskopen aus den 1950er Jahren veranschaulicht wird.
Arzt musste Vater entfernte Münze abkaufen
Miederer kann zu jedem seiner kuriosen Fundstücke eine eigene Geschichte erzählen, beispielsweise zu dem Fünfmarkstück, das ein Lehrersohn beim Raufen mit dem älteren Bruder aus Versehen verschluckt hatte. Nachdem der Arzt die Münze aus dem Magen geholt hatte, steckte es der Vater sofort in die eigene Hosentasche.
„Ich musste ihm erst einen Fünfer aus meinem eigenen Portemonnaie geben, bevor er mir die Münze für meine Sammlung überließ“, erinnert sich Miederer, der ein Buch mit den interessantesten Begebenheiten rund um die Fundstücke geschrieben hat. Er berichtet darin unter anderem auch über die Batterie, die ein Junge im Grundschulalter bei einem Rennen mit Spielzeugautos verschluckt hat.
Laut dem Mediziner hatte der Junge die Batterie aus dem Wagen seines sechsjährigen Konkurrenten heimlich im Mund versteckt, um seine Gewinnchancen zu verbessern – und dann aus Versehen geschluckt.
Im Zweifelsfall ärztliche Hilfe holen
Allerdings gehen solche Zwischenfälle nicht immer glimpflich aus. „Problematisch wird es, wenn sich runde Gegenstände auf den Kehlkopf legen. Dann besteht Erstickungsgefahr“, so Miederer. Daher sollte im Zweifelsfall ein Arzt aufgesucht werden. Auch bei manch anderen Gegenständen, wie etwa bei verschluckten Magneten, sollte man sich ärztliche Hilfe holen.
Andere kleine Dinge finden aber auch von ganz allein den Weg zurück ans Tageslicht. Unterstützung ist dafür nicht nötig – außer vielleicht eine ordentliche Portion Kartoffelbrei und einige Gläser Wasser. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.