Insulin-Sensitivität des Gehirns bestimmt, wo sich Fett im Körper ablagert
In zahlreichen wissenschaftlichen Untersuchungen konnte belegt werden, dass Dicksein ungesund ist. Bei Übergewicht kommt es stark auf die Fettverteilung an. Laut Fachleuten ist der Bauchumfang entscheidend für das gesundheitliche Risiko. In einer Langzeitstudie hat sich jetzt gezeigt, wie Körpergewicht und Fettverteilung bestimmt werden.
Übergewicht kann Krankheiten fördern. Das Bauchfett gilt hierbei als besonders gefährlich. Es begünstigt das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Bluthochdruck sowie Stoffwechselstörungen wie Diabetes. Forschende berichten nun, wie das Körpergewicht und die Fettverteilung bestimmt werden.
Wenn das Gehirn empfindlich auf Insulin reagiert
Wo sich Fett im Körper anlagert und wie stark man von einer Lebensstil-Intervention profitiert, hängt unter anderem von der Insulin-Sensitivität des Gehirns ab, erklärt das Deutsche Zentrum für Diabetesforschung (DZD) in einer aktuellen Mitteilung.
Reagiert das Gehirn empfindlich auf das Hormon, nimmt man deutlich an Gewicht ab, reduziert ungesundes Bauchfett und kann auch langfristig das Gewicht halten. Reagiert das Gehirn aber nur wenig oder gar nicht auf Insulin, verliert man nur zu Beginn der Maßnahme etwas Gewicht und nimmt dann wieder zu. Das viszerale Fett steigt ebenfalls langfristig weiter an.
Das sind Ergebnisse einer Langzeitstudie des DZD, die jetzt in dem Fachmagazin „Nature Communications“ veröffentlicht wurde.
Bauchfett ist besonders ungünstig
Wie ungesund Körperfett ist, hängt insbesondere davon ab, wo es gespeichert wird. Wenn sich Fett im Bauch anlagert, ist das besonders ungünstig.
Denn das viszerale Fett setzt zahlreiche Botenstoffe frei, die sich unter anderem negativ auf den Blutdruck auswirken, die Freisetzung des Hormons Insulin beeinflussen und Entzündungen auslösen können. Das erhöht das Risiko für Diabetes, Herz-Kreislauf-Krankheiten sowie bestimmte Krebsarten.
Das Unterhaut-Fett (subkutanes Fett), das sich am Po, Oberschenkeln und Hüften anlagert, hat hingegen keine bekannten negativen Auswirkungen auf die Gesundheit.
Bisher ist jedoch unklar, warum die Fettspeicherung nicht bei allen Menschen am gleichen Ort erfolgt. Laut dem DZD deuteten Untersuchungen im Tübinger Lebensstil Interventionsprogramm darauf hin, dass die Insulinwirkung im Gehirn hier eine wichtige Rolle spielen könnte.
Sie zeigten, dass Personen mit einer hohen Insulin-Sensitivität im Gehirn deutlich stärker von einer Lebensstil-Intervention mit einer ballaststoffreichen Ernährung und Sport profitieren als Menschen mit einer Insulin-Resistenz im Gehirn.
Reagiert das Gehirn empfindlich auf das Hormon, verloren die Menschen nicht nur mehr Körpergewicht, sondern wiesen auch eine gesündere Fettverteilung auf.
Manche Menschen profitieren von einer Lebensstil-Intervention
Doch wie wirkt sich die Insulin-Sensitivität langfristig auf die Verteilung des Körperfetts und das Gewicht aus? Diese Frage untersuchten Forschende des DZD, des Helmholtz Zentrums München und der Universitätsklinik Tübingen in einer Langzeitstudie.
Dazu erfassten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler über einen Zeitraum von neun Jahren die Follow-up-Daten von 15 Teilnehmenden, bei denen vor Beginn einer 24-monatigen Lebensstil-Intervention die Insulin-Sensitivität im Gehirn durch Magnetoenzephalographie bestimmt wurde.
Den Angaben zufolge zeigte sich dabei, dass Insulinwirkung im Gehirn nicht nur das Körpergewicht, sondern auch die Verteilung von Fett im Körper bestimmt.
„Probanden mit einer hohen Insulin-Sensitivität im Gehirn profitierten von der Lebensstil-Intervention mit einer ausgeprägten Reduktion des Gewichts und des viszeralen Fettgewebes. Auch nach Ende der Lebensstil-Intervention lagerten sie während der neunjährigen Nachbeobachtung nur wenig Fettmasse wieder an“, so der Leiter der Studie Prof. Dr. Martin Heni vom Universitätsklinikum Tübingen.
Im Gegensatz dazu zeigten Personen mit einer Insulin-Resistenz im Gehirn lediglich in den ersten neun Monaten des Programms eine leichte Gewichtsabnahme. „Danach stiegen das Körpergewicht und das viszerales Fett noch während der folgenden Monate der Lebensstil-Intervention wieder an“, erläutert Erstautorin PD Dr. Stephanie Kullmann.
Kein Einfluss auf die Masse des Unterhautfettgewebes
Weil die Insulinwirkung im Hypothalamus entscheidend für die Regulation des peripheren Energiestoffwechsels ist, prüften die Forschenden auch, wie die Insulin-Empfindlichkeit in diesem Hirnareal mit der Verteilung des Körperfetts zusammenhängt.
Dafür untersuchten die Fachleute eine Querschnittskohorte von 112 Teilnehmenden. Die Auswertung der Daten zeigte, dass Menschen mit hoher Insulin-Sensitivität im Hypothalamus nur wenig viszerales Fettgewebe bilden. Auf die Masse des Unterhautfettgewebes hat die Insulin-Sensitivität aber keinen Einfluss.
„Unsere Studie zeigt einen neuen und zentralen Mechanismus, der die Fettverteilung beim Menschen steuert. Die Insulin-Sensitivität im Gehirn bestimmt, wo sich Fett anlagert“, erklärt Heni.
Da viszerales Fett nicht nur bei der Entstehung von Typ-2-Diabetes eine Rolle spielt, sondern auch das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen sowie Krebs erhöht, können die Studien-Ergebnisse vielleicht auch neue Ansätze für Therapieoptionen über Stoffwechselerkrankungen hinaus eröffnen.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Tübingen arbeiten bereits an neuen Therapien, um die Insulin-Resistenz im Gehirn aufzuheben und so die Körperfettverteilung günstig zu beeinflussen. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Deutsches Zentrum für Diabetesforschung (DZD): Insulinwirkung im Gehirn bestimmt das Körpergewicht und die Fettverteilung, (Abruf: 27.04.2020), Deutsches Zentrum für Diabetesforschung (DZD)
- Kullmann et al.: Brain insulin sensitivity is linked to adiposity and body fat distribution; in: Nature Communications, (veröffentlicht: 15.04.2020), Nature Communications
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.