Bedingungsloses Grundeinkommen kann Stress reduzieren
Immer mehr Menschen leiden an Stress und Stresserkrankungen. Arbeitsdichte und Anspruch steigen. Die Konkurrenzsituation auf dem Arbeitsmarkt lässt immer mehr Menschen krank werden. Seit Anfang diesen Jahres unternimmt Finnland eine Studie zum Grundeinkommen. Rund 2000 Arbeitslose bekommen 560 EUR je Monat, statt dem regulären Arbeitslosengeld. Zusätzlich dürfen die Bezieher arbeiten, ohne dass das Geld abgezogen wird. Und niemand überprüft, wofür das Geld ausgegeben wird. Eins zeigt die Studie bereits jetzt: Der Stresslevel sinkt.
Grundeinkommen soll Sicherheit geben
Grundidee dabei ist nicht, dass jemand von den 560 Euro den Monat übersteht, sondern dass die Betroffenen die Sicherheit haben, dass dieser Sockel regelmäßig auf ihrem Konto ist. Beim Pilotprojekt soll sich zeigen, ob ein solcher Freibetrag ohne Kontrolle das Problem der existentiellen Unsicherheit lösen kann. Im finnischen Arbeitslosenhilfesystem bekommen Menschen, die in Teilzeit arbeiten, manchmal weniger Geld, als diejenigen, die nur Arbeitslosengeld erhalten.
Motivation zur Arbeitssuche
Das bedingungslose Grundeinkommen soll die Empfänger auch motivieren, zu arbeiten, wenn sie es denn können. Eine positive Auswirkung des Grundeinkommens lässt sich jetzt schon feststellen: Die Teilnehmer leiden viel weniger unter Stress als in der Zeit, da sie Arbeitslosengeld bekamen.
Die Angst fällt nämlich weg, kein Geld mehr zu bekommen, wenn sie, aus welchen Gründen auch immer, einen Job ablehnen. Betroffene berichten, dass sich ihre mentale Gesundheit seitdem verbessert hätte.
Grundeinkommen statt Hartz-IV?
Für das bedingungslose Grundeinkommen gibt es viele gute Argumente – und viele gute Argumente dagegen. Die Situation in Finnland lässt sich indessen sehr gut auf Menschen übertragen, die von Hartz-IV Mitteln leben müssen. Wer ständig mit Sanktionen rechnen muss, die ihn unter das Existenzminimun drücken, wenn er (irgend-) einen Job ablehnt, der ist permanent in Unsicherheit.
Stress macht krank
Solcher Stress führt nachweislich zu einer ganzen Reihe von Folgeerkrankungen. Dazu gehören psychische Störungen wie Depressionen oder Angststörungen und diverse psychosomatische Erkrankungen.
Schlaflosigkeit, Konzentrationsschwäche, ein unrealistisches Einschätzen von Risiken, unangemessene Reaktionen, auch Substanzmissbrauch und Suchtverhalten werden durch Stress gefördert.
Langsam denken
Die Psychologie weiß längst, dass ein „langsames Denken“, also das Durcharbeiten und Reflektieren von Situationen, die Voraussetzung für angemessene Entscheidungen ist. Das gilt umso mehr, je komplizierter die Situation sich darstellt. Insbesondere für Erwerbslose ist ein solches rationales Denken unabdingbar. Statt panisch einen Strohhalm nach dem anderen zu greifen und sich in sinnlosen Projekten zu verheddern, sollten sie so objektiv wie möglich prüfen: Was kann ich, was ist mein Potenzial, und wie kann ich es umsetzen?
Rationale Analyse statt Panik
Stress ist, biologisch betrachtet, eine körperliche Reaktion auf Gefahr – die körpereigenen Alarmsysteme laufen auf Hochtouren, wenn unser evolutionäres Programm die Entscheidung zwischen Flucht und Kampf suggeriert.
Das ist sinnvoll, wenn wir unmittelbar gefährdet sind: Wenn uns Mitglieder einer Straßengang bedrohen, entscheiden wir im Bruchteil einer Sekunde, ob wir sie außer Gefecht setzen oder weglaufen.
Für unsere Lebensplanung sind solche Reaktionen auf unmittelbare Gefahr jedoch kontraproduktiv und können fatal sein: Suchen wir zum Beispiel eine neue Wohnung, dann nehmen wir besser nicht die erstbeste, damit wir „ein Dach über dem Kopf haben“.
Hartz-IV, um in Arbeit zu kommen?
Wenn wir einen Job suchen, dann sollten wir, auch mit Hilfe anderer, einschätzen, wie wir unsere Fähigkeiten nutzen können, oder Fähigkeiten, die wir noch nicht haben durch weiterbildung entwickeln. Beides funktioniert nur, wenn wir eine Basissicherheit haben. Mit anderen Worten: Der erhöhte Stress, dem Erwerbslose im Hartz-System ausgesetzt sind, führt gerade dazu, dass das Ziel, wieder in anständige Arbeit zu kommen, in weite Ferne rückt. (Dr. Utz Anhalt)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.