Wie wirkt sich ungesunde Ernährung auf den Darm aus?
Führt die typische westliche Ernährung durch eine Beeinträchtigung des Immunsystems im Darm zu einem erhöhten Risiko für Infektionen und entzündliche Darmerkrankungen?
Der Verzehr einer westlichen Ernährung beeinträchtigt das Immunsystem im Darm auf eine Weise, die das Risiko für Infektionen und entzündliche Darmerkrankungen erhöhen könnte, so das Ergebnis einer Untersuchung unter Beteiligung von Forschenden der Cleveland Clinic und der Washington University School of Medicine in St. Louis. Die Studie wurde in dem englischsprachigen Fachblatt „Cell Host & Microbe“ publiziert.
Schäden an Paneth-Zellen durch Zucker und Fett
Die Untersuchung an Mäusen und Menschen ergab, dass eine zucker- und fettreiche Ernährung Schäden an den sogenannten Paneth-Zellen verursacht. Diese Immunzellen im Darm helfen Entzündungen im Körper unter Kontrolle zu halten, so die Fachleute. Funktionieren die Zellen nicht, ist das Immunsystem des Darms übermäßig anfällig für Entzündungen, was wiederum das Risiko für entzündliche Darmerkrankungen erhöht und die effektive Kontrolle der krankheitsverursachenden Mikroben untergräbt.
Anzahl entzündlicher Darmerkrankungen nimmt zu
„Entzündliche Darmerkrankungen waren in der Vergangenheit vor allem in westlichen Ländern wie den USA ein Problem, aber sie treten weltweit immer häufiger auf, da immer mehr Menschen einen westlichen Lebensstil annehmen”, erklärt Studienautor Professor Dr. Ta-Chiang Liu von der Washington University in St. Louis.
Westliche Ernährung beeinträchtigt Immunzellen
„Unsere Forschung zeigte, dass der langfristige Verzehr einer westlichen Ernährung mit hohem Fett- und Zuckergehalt die Funktion der Immunzellen im Darm auf eine Weise beeinträchtigt, die entzündliche Darmerkrankungen fördern oder das Risiko von Darminfektionen erhöhen könnte“, fügt der Experte hinzu.
Die Beeinträchtigung der Paneth-Zellen sei ein Hauptmerkmal von entzündlichen Darmerkrankungen. Beispielsweise hätten Menschen mit Morbus Crohn häufig nicht mehr funktionsfähige Paneth-Zellen, so das Team. Bei Morbus Crohn handelt es sich um eine Art von chronischer entzündlicher Darmerkrankung, welche durch Bauchschmerzen, Durchfall, Anämie und Müdigkeit gekennzeichnet ist.
Paneth-Zell-Dysfunktion bei Menschen wurde untersucht
Die Fachleute suchten bei ihrer Studie nach der Ursache für eine Paneth-Zell-Dysfunktion bei Menschen. Dafür analysierten sie eine Datenbank mit demografischen und klinischen Daten von 400 Personen, welche auch die Bewertung der Paneth-Zellen jedes Teilnehmenden umfasste.
Verbindung zwischen BMI und Paneth-Zellen?
Die Forschenden stellten dabei fest, dass ein hoher Body-Mass-Index (BMI) mit Paneth-Zellen verbunden war, die unter dem Mikroskop betrachtet abnormal und ungesund wirkten. Es zeigte sich, dass je höher der BMI einer Person ausfiel, desto schlechter sahen ihre Paneth-Zellen aus. Dieser Zusammenhang galt sowohl für gesunde Erwachsene, als auch für Menschen mit Morbus Crohn, so das Team.
Normale Paneth-Zellen trotz Fettleibigkeit
Um den festgestellten Zusammenhang besser zu verstehen, untersuchten die Forschenden zwei Stämme von Mäusen, welche genetisch zu Adipositas veranlagt waren. Da die Tiere eine Mutation in sich trugen, verhinderte dies, dass sie bei normaler Ernährung ein Sättigungsgefühl entwickeln. Dies führte dazu, dass die Mäuse chronisch zu viel fraßen und fettleibig wurden, so das Team.
Die Fachleute stellten zu ihrer eigenen Überraschung fest, dass die Paneth-Zellen der fettleibigen Mäuse jedoch völlig normal aussahen, solange sie sich mit den gewohnten Nahrungsmitteln ernährten.
Folgen einer fett- und zuckerreichen Ernährung
Um bei den Mäusen die Auswirkungen einer typischen westlichen Ernährung zu untersuchen, wurden die Tiere so gefüttert, dass 40 Prozent der Kalorien aus Fett oder Zucker stammten. Nach einem Zeitraum von zwei Monaten, in dem die Tiere diese Ernährung zu sich nahmen, hatten die Mäuse Fettleibigkeit entwickelt und ihre Paneth-Zellen sahen deutlich abnormal aus, berichtet das Team.
„Fettleibigkeit war nicht das Problem an sich. Das Essen von zu viel gesunder Nahrung hatte keinen Einfluss auf die Paneth-Zellen. Es war die fett- und zuckerreiche Ernährung, die das Problem darstellte“, erläutert Professor Dr. Liu in einer Pressemitteilung der Washington University School of Medicine in St. Louis.
Die Paneth-Zellen kehrten wieder zur Normalität zurück, als die Mäuse vier Wochen lang wieder gesundes Futter zu sich nahmen. Ob Menschen, die sich gewohnheitsmäßig westlich ernähren, ihre Darmimmunität durch eine Ernährungsumstellung verbessern können, bleibe allerdings abzuwarten, so Liu.
Fettleibigkeit entwickelt sich teilweise über Jahrzehnte
Es handelte sich bei der Untersuchung um ein kurzfristiges Experiment von lediglich acht Wochen. „Bei Menschen tritt Fettleibigkeit nicht über Nacht oder in acht Wochen auf. Menschen haben einen suboptimalen Lebensstil für 20, 30 Jahre, bevor sie fettleibig werden. Es ist möglich, dass, wenn man so lange eine westliche Ernährung zu sich nimmt, man einen Punkt ohne Wiederkehr überschreitet und sich die Paneth-Zellen nicht mehr erholen, selbst wenn man seine Ernährung ändert. Wir müssten mehr Forschung betreiben, bevor wir sagen können, ob dieser Prozess beim Menschen reversibel ist“, fügt der Experte hinzu.
Weitere Experimente zeigten schließlich, dass ein als Desoxycholsäure bekanntes Molekül, eine sekundäre Gallensäure, welche als Nebenprodukt des Stoffwechsels von Darmbakterien gebildet wird, das Bindeglied zwischen einer westlichen Ernährung und der Paneth-Zell-Dysfunktion bildet. Die Gallensäure erhöht die Aktivität von zwei Immunmolekülen (Farnesoid-X-Rezeptor und Typ-1-Interferon), welche die Funktion der Paneth-Zellen hemmen, berichten die Fachleute.
Ist Fett oder Zucker das Problem?
Die Forschungsgruppe untersucht jetzt, ob Fett oder Zucker die Hauptrolle bei der Beeinträchtigung der Paneth-Zellen spielt. Außerdem wurde auch mit der Analyse von Möglichkeiten begonnen, um die normale Funktion der Paneth-Zellen wiederherzustellen und die Darmimmunität zu verbessern, indem auf die Gallensäure oder die beiden Immunmoleküle abgezielt wird, so das Team. (as)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Ta-Chiang Liu, Justin T. Kern, Umang Jain, Naomi M. Sonnek, Shanshan Xiong et al.: Western diet induces Paneth cell defects through microbiome alterations and farnesoid X receptor and type I interferon activation, in Cell Host & Microbe (veröffentlicht 18.05.2021), Cell Host & Microbe
- Washington University School of Medicine in St. Louis: Western diet may increase risk of gut inflammation, infection (veröffentlicht 18.05.2021), Washington University School of Medicine in St. Louis
Wichtiger Hinweis:
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