Kampf gegen Risiken – Mehr Kliniken wollen Fehler eindämmen
Vergessene OP-Materialien oder falsche Narkosemittel: Leider sind ärztliche Behandlungsfehler keine Seltenheit. Häufig sind die Ursachen für solche Fehler in der Organisation der Kliniken zu finden. Krankenhäuser arbeiten daran, Risiken für Patienten möglichst einzudämmen.
Manche Ärzte stellen eine Gefahr für Patienten dar
Erst kürzlich wurde berichtet, dass Ärzte durch dauernde Überlastung eine Gefahr für Patienten sein können. Demnach leiden viele Mediziner unter zunehmender Überlastung, Alkohol- und Drogenproblemen, Demenz oder Selbstüberschätzung. Patientenschützer hatten daher einen besseren Schutz vor ärztlichen Behandlungsfehlern gefordert. Es sind nicht immer tödliche Klinik-Infektionen oder verheerende Schlamperei wie vergessene Tupfer im Bauchraum. Es finden sich auch viele kleinere unter den Zehntausenden Behandlungsfehlern. In einer aktuellen Mitteilung der Nachrichtenagentur dpa gibt es einen Überblick:
Ärzte und Pfleger können Probleme anonym melden
Die Schätzungen darüber, wie viele Behandlungsfehler es gibt, gehen weit auseinander. Der Bundesregierung zufolge reichen sie von jährlich 40.000 bis 170.000 Fehlern in allen Bereichen des Gesundheitssystems. Probleme in Krankenhäusern sind am stärksten im Fokus. Im Internet kann man in einem Berichtssystem für unerwünschte Ereignisse im Gesundheitswesen (CIRS) nachlesen, welche Probleme Ärzte und Pfleger anonym melden. Die Hauptquellen von Problemen sind oft in der Organisation zu finden: Unaufmerksamkeit, zu viel Stress auf der Station, zu wenig Personal. In der dpa-Meldung wird ein Beispiel angeführt, das in dem anonymen System von einem Arzt gemeldet wurde: Ein Mann, der geröntgt werden sollte, fiel einfach vom Tisch und brach sich dabei einen Arm. Für Betroffene stellt sich oft die Frage, was zu tun ist.
Wichtig zu wissen ist dabei, dass die gesetzlichen Krankenkassen dazu verpflichtet sind, ihre Versicherten bei Verdacht auf Behandlungsfehler zu beraten.
Eine Stunde länger mit geöffnetem Körper
Berichtet wird auch über zwei Beispiele, bei denen Probleme im Operationssaal ans Licht kamen. In einem Fall sollte bei einem Patienten mit einem komplizierten Knochenbruch das Metall wieder entfernt werden, wobei sich das OP-Team auf die zur Verfügung stehenden Standardwerkzeuge verließen. Doch stattdessen war ein Spezialwerkzeug nötig, welches zwar verfügbar, aber nicht steril war. Es musst daher zunächst sterilisiert werden. Der Patient lag währenddessen mit geöffnetem Körper in der Narkose – eine Stunde länger als geplant. Im zweiten Beispiel sollte ein junger Mann in Narkose versetzt werden. Diese wirkte jedoch nicht stark genug. Erst als die Ärzte das Mittel mehrmals verabreicht hatten, wurde ihnen klar, dass sie anfangs ein verdünntes Mittel verwendet hatten. Die Ampulle war falsch beschriftet gewesen.
Operationsmaterial im Körper vergessen
Doch es kommt auch zu weitaus schwereren Fehlern. So kamen allein Gutachter im Auftrag der Krankenkassen im vergangenen Jahr in 155 Fällen zu dem Ergebnis, dass Patienten an den Folgen eines Fehlers starben. Manchen Schätzungen zufolge sollen jedes Jahr Tausende wegen Fehlern und Problemen bei Behandlungen sterben. Laut dem Aktionsbündnis Patientensicherheit wird jährlich bis zu 3.000 Mal Operationsmaterial im Körper vergessen. Mittlerweile installieren immer mehr Kliniken die anonymen Fehlermeldesystem, um die Risiken einzudämmen. Eine kürzlich veröffentlichte Umfrage legt nahe, dass dies weit mehr als die Hälfte der Krankenhäuser macht. „Auch OP-Checklisten und die Kennzeichnung von Operationsgebieten sind überall da eingeführt, wo sie die Sicherheit erhöhen“, erklärte Georg Baum von der Deutschen Krankenhausgesellschaft.
Den Angaben zufolge hat sich in den vergangenen Jahren einiges getan. So sollen laut der Studie neun von zehn der befragten Kliniken Patienten systematisch auf gegen Antibiotika resistente Erreger überprüfen. Zudem helfen verstärkt Standard-Checks gegen Verwechslungen von Patienten, von Proben und Befunden, wie die Expertin Tanja Manser bei der Vorstellung der Studie sagte.
Offenheit wird nicht gefördert
Verbesserungsmöglichkeiten gibt es aber noch immer an vielen Stellen. „Wir sind in Deutschland leider noch immer sehr geneigt, Schuldige zu suchen und nicht Ursachen“, meinte Hedwig François-Kettner, Chefin des Aktionsbündnisses Patientensicherheit, in dem Ärzte, Kliniken, Kassen und Patientenorganisationen vertreten sind. Auf diese Weise werde Offenheit nicht gefördert. Laut Manser werde beispielsweise bei neuen Methoden wie Chirurgie-Robotern oft zu wenig im Vorfeld zur Vorbeugung möglicher Probleme getan. „Es ist erstaunlich, dass sich über 40 Prozent der Häuser noch keine Gedanken darüber gemacht haben.“ In der Pflege sind die Engpässe besonders groß. Jens Baas, Chef der Techniker Krankenkasse (TK), sagte: „Wir haben definitiv in vielen Krankenhäusern ein Pflegepersonalmangel.“ Dies konnten auch Gewerkschafter feststellen. Als Verdi im März in einer nächtlichen Aktion unangemeldet Kontrollbesuche in Hunderten Kliniken machte, zeigte sich, dass in 56 Prozent aller Stationen eine Fachkraft im Schnitt 25 Patienten betreuen musste. Für die Gewerkschaft ein klarer Risikofaktor.
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