Bei einem Gipsarm passt sich Gehirn nach 16 Tagen an: Ruhigstellung des Armes wird kognitiv ausgeglichen
19.01.2012
Durch die Ruhigstellung eines Armes wird die Motorik des anderen trainiert. Dabei steuert die rechte Gehirnhälfte den linken Arm und die linke Gehirnhälfte den rechten. Fällt ein Arm aus, übernimmt die andere Gehirnhälfte. Dies wurde nun in einer Studie der Universität Zürich nachgewiesen.
Veränderte Hirnaktivität nachweisbar
Wird eine Hand ruhiggestellt, passen sich die zuständigen Gehirnregionen bereits nach zwei Wochen an den erzwungenen Wechsel an. In einer Mitteilung der Universität Zürich erklärt Studienautor Nicki Langer: „Die Ruhigstellung der rechten Hand verändert in Kürze die sensorischen und motorischen Hirnareale.“ Dabei nehme linksseitig die graue und weiße Hirnsubstanz, die die ruhiggestellte rechte Hand steuere, ab. Im Gegensatz dazu würden die rechtsseitigen Hirnreale, die für die Motorik der untergeordneten linken Hand zuständig seien, wachsen.
Für die Studie, die im Fachjournal „Neurology" erschienen ist, wurden zehn Rechtshänder, deren rechter Oberarm gebrochen war, untersucht. Aufgrund eines Angelegten Gipses konnten die Patienten ihre rechte Hand zwei Wochen lang nicht oder nur sehr eingeschränkt benutzen. Zum Zähneputzen und Schreiben mussten sie die linke Hand einsetzen.
Linke Gehirnhälfte schrumpft während die rechte wächst
Mittels Magnet-Resonanz-Tomographie (MRT) wurde die Gehirnstruktur der Studienteilnehmer 48 Stunden nach der Verletzung sowie 16 Tage nach der Ruhigstellung des Arms untersucht. Bei der Analyse wurde im Besonderen die graue und weiße Hirnsubstanz, die Dicke der Hirnrinde und die feinmotorischen Fähigkeiten der linken, beweglichen Hand untersucht.
Langer berichtet, dass die entsprechenden Hirnareale der linken Gehirnhälfte stark geschrumpft seien. Dieses Ergebnis sei bei allen Testpersonen in Bezug auf die Motorik beobachtet worden. Im Fall der Sensorik, also der Wahrnehmung, wiesen acht der zehn Studienteilnehmer eine Schrumpfung des entsprechenden Hirnareals auf. Für den Wissenschaftler sei die Geschwindigkeit des Prozesses besonders überraschend.
Die Analyse der rechten Gehirnhälfte ergab ein Wachstum der zuständigen Areale. Außerdem verbesserten sich die feinmotorischen Fähigkeiten der rechten Hand, berichtet Langner.
Anpassungsfähigkeit des Gehirns für Therapie von Schlaganfällen nützlich
Für die Wissenschaftler steht fest, dass dieser Effekt wichtig für die Therapie von Schlaganfällen ist. In einigen Fällen wird ein gesunder, funktionsfähiger Arm ruhiggestellt, um die Motorik und Sensorik des anderen Arms zu verbessern und das entsprechende Hirnareal für neue Fähigkeiten zu trainieren. Bei dieser Art der Therapie sollten laut Wissenschaftlern die kurzfristigen Veränderungen des Gehirns streng überwacht werden, da es neben den positiven Auswirkungen auf das gewünschte Hirnareal auch zu negativen Folgen für das gegenüberliegende kommen kann.
Das menschliche Gehirn – bis heute nicht vollständig entschlüsselt
Das menschliche Gehirn gilt als Steuerzentrale des Körpers. Alle Informationen aus dem Körper und der Umwellt laufen hier zusammen und werden zu Reaktionen verarbeitet. Daran sind rund eine Milliarde Nervenzellen, die sogenannten Neuronen, beteiligt, die in hochkomplexen Schaltkreisen miteinander verknüpft sind.
Mit einem Gewicht von durchschnittlich weniger als zwei Kilo nimmt das Gehirn nur ungefähr drei Prozent des Körpergewichts ein. Dennoch ist es das aktivste Organ, das etwa 15 Prozent des gesamten Energiebedarfs des Körpers verschlingt.
Bis heute gibt das Gehirn Forschern aus aller Welt Rätsel auf. So sind bisher die genauen neuronalen Mechanismen der Wahrnehmung noch nicht bekannt. Zwar wissen Forscher viel über die Funktionen von Neuronen und Synapsen, über ihre koordinierte Aktivität in Verbänden von vielen Millionen Zellen ist jedoch noch wenig bekannt. (ag)
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Bild: Dieter Schütz / pixelio.de
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