Aktive Sterbehilfe verboten – Beihilfe zum Suizid erlaubt?
17.02.2011
Sterbehilfe ist bis heute ein äußerst umstrittenes Thema. Obwohl Ärzte generell keine aktive Sterbehilfe leisten dürfen, bewertet die Bundesärztekammer die Beihilfe zur Selbsttötung fortan nicht mehr grundsätzlich als unethisch. Damit besteht noch lange keine rechtliche Basis für die sogenannte Sterbehilfe, doch die Ärzte müssen sich künftig nicht mehr automatisch wegen Verstößen gegen die ethischen Grundsätze vor der Bundesärztekammer verantworten. „Wenn Ärzte mit sich selbst im Reinen sind, dann brechen wir nicht den Stab über sie", kommentierte der Ärztepräsident Jörg-Dietrich Hoppe am Donnerstag in Berlin die Überarbeitung der Grundsätze zur Sterbehilfe.
Beihilfe zur Selbsttötung künftig nicht mehr unethisch
Sterbehilfe, im Sinne von Beihilfe zur Selbsttötung todkranker Patienten, wird von der Bundesärztekammer in Zukunft nicht mehr generell als unethische bewertet, sondern lediglich als „kein ärztliche Aufgabe“. So hat die Bundesärztekammer den Ärzten ein Hintertürchen für Einzelfälle geöffnet, in denen sie die „Beihilfe zum Suizid“ für ethisch vertretbar halten. Zwar betrifft die neue Formulierung bisher lediglich die Orientierungshilfe „Grundsätzen der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung“ und hat keine rechtliche Bindekraft, doch bringt sie eine veränderte Grundhaltung zum Ausdruck, bei der die Beihilfe zur Selbsttötung nicht mehr grundsätzlich ausgeschlossen wird. Das ärztliche Standesrecht, welches praktisch die Gesetzesgrundlage der Ärzte bildet, verbietet neben der aktiven Sterbehilfe vorerst weiterhin auch die Beihilfe zum Selbstmord, doch plant die Bundesärztekammer eine Überarbeitung, die bereits auf dem Deutschen Ärztetag Ende Mai in Kiel beschlossen werden könnte. Die jetzigen Anpassungen in der Orientierungshilfe werden dabei aller Voraussicht nach die Grundlage der künftigen Regelung bilden. Im Klartext: Aktive Sterbehilfe bleibt weiterhin verboten, die „Beihilfe zum Suizid“ wird unter Umständen jedoch erlaubt.
Aktive Sterbehilfe weiterhin verboten und strafbar
Die Bundesärztekammer versucht mit der neuen Formulierung, dem Problem sterbenskranker Patienten gerecht zu werden , die ihre Ärzte um einen raschen Tod beziehungsweise das Unterlassen medizinischer Maßnahmen zu ihrer Rettung bitten. Als Beispiel nannte Ärztepräsident Jörg-Dietrich Hoppe den Fall eines Arztes, der nichts unternahm, nachdem er entdeckte, dass seine todkranke Patientin zur Selbsttötung große Mengen Schlafmittel eingenommen hatte. Dieses Vorgehen wird nach Aussage des Ärztepräsident von der neuen Formulierung künftig gedeckt, die aktive Sterbehilfe bleibt indes weiterhin grundsätzlich untersagt. „Die Tötung des Patienten hingegen ist strafbar, auch wenn sie auf Verlangen des Patienten erfolgt“, so die Formulierung in den „Grundsätzen der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung“.
Rechtsprechung zur Sterbehilfe
Die Diskussion über Sterbehilfe ist nach dem Suizid der Krebsärztin Mechthild Bach im Januar 2010 erneut hochgekocht. Die Ärztin aus Hannover musste sich in dem deutschlandweit bekanntesten Sterbehilfe-Prozess wegen des Verdachts auf Tötung von 13 Patienten verantworten, hatte jedoch stets betont keine Lebens-verkürzenden Maßnahmen bei den Patienten eingesetzt zu haben. Nach einer Zwischenbilanz des Landgerichts Hannover, bei der die Beurteilung für die Angeklagte relativ schlecht ausfiel, nahm sich die Krebsärztin Ende Januar das Leben. Damit endete auch der Prozess, von dem sich Ärzte und Betroffene eine Klärung zur rechtlichen Einschätzung der Sterbehilfe erhofft hatten. Die Gesetzgebung bemüht sich bereits seit Jahren, hier eine Regelung im Sinne der Betroffenen zu entwickeln und hatte zuletzt in einem Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs (Aktenzeichen: Bundesgerichtshof 2 StR 454/09) aus dem Juni 2010 das Selbstbestimmungsrecht des Patienten gestärkt.
Sterbehilfe-Regelung sollte Rechte der Patienten berücksichtigen
In seinem Urteil betonte der Bundesgerichtshof, dass die Einwilligung des Patienten (bei vollem Bewusstsein) das Unterlassen weiterer lebenserhaltender Maßnahmen ebenso rechtfertige, wie die aktive Beendigung oder Verhinderung einer von dem Patienten nicht oder nicht mehr gewünschten medizinischen Behandlung. Dies gelte auch bei Patienten, welche in einer Patientenverfügung oder in einer mündlichen Äußerung die Einstellung lebenserhaltender Maßnahmen bestimmten, bevor sie in einem nicht mehr einwilligungsfähigen Zustand verfielen. Die Bundesärztekammer hat mit der Anpassung der Formulierungen in den Grundsätzen zur ärztlichen Sterbebegleitung nun erste Schritte unternommen, um die neuere Rechtsprechung im Sinne der Patienten und der behandelnden Ärzte in die Praxis zu übertragen. Für die Mediziner stellen entsprechende Wünsche ihrer Patienten bisher oftmals ein erhebliches moralisches Dilemma dar. Sie würden gerne helfen, doch sind ihnen rechtlich die Hände gebunden. Im vergangenen Jahr hat eine Umfrage ergeben, dass jeder dritte Arzt schon einmal um Hilfe beim Suizid gebeten wurde und 30 Prozent der befragten Ärzte sich eine Regelung wünschen, die derartige Beihilfe erlaubt.
Grundsätze beinhalten erstmals „Vetorecht“ todkranker Kinder
Die Bundesärztekammer hat bei der Neuformulierung der Orientierungshilfe zur Sterbebegleitung außerdem erstmals ein Kapitel explizit der Betreuung von schwerst kranken und sterbenden Kindern gewidmet. Diese sollen auf Basis der Neuregelung „regelmäßig und ihrem Entwicklungsstand entsprechend in die sie betreffenden Entscheidungen einbezogen werden“. Wenn die Minderjährigen ein Alter erreicht haben, in dem sie in der Lage sind, die Bedeutung und Tragweite ärztlicher Maßnahme zu begreifen und beurteilen, haben auch sie ein „Vetorecht“, so die neue Formulierung in den Grundsätzen zur ärztlichen Sterbebegleitung. Sollte der Wille eines Jugendlichen im Widerspruch zu dem seiner Eltern stehen, müsse im Zweifel ein Familiengericht entscheiden, erklärte die Bundesärztekammer. (fp)
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