Risiken und Nebenwirkungen im Beipackzettel können verunsichern
05.03.2015
Der Beipackzettel eines Medikaments enthält nicht nur Angaben zur Anwendung und Dosierung des Mittels sondern auch Informationen über unerwünschten Nebenwirkungen. So kann ein Kopfschmerzmittel unter Umständen Hirnblutungen, Magen-Darm-Entzündungen und Übelkeit verursachen. Viele Verbraucher sind verunsichert, wenn sie von die Risiken lesen: „Soll ich das Medikament einnehmen, obwohl es meiner Gesundheit auch schaden kann?“ Die Nachrichtenagentur „dpa“ sprach mit Experten über die Informationen im Beipackzettel. Ihr Fazit: Patienten sollten sich nicht verunsichern lassen. Ein Großteil der Angaben dienten der juristischen Absicherung des Herstellers.
Patienten sollten sich nicht von Nebenwirkungen verunsichern lassen
Die Nebenwirkungen einiger Medikamente sind geradezu beängstigend. Das betrifft auch Arzneien, die nicht verschreibungspflichtig sind. Wenn ich beispielsweise eine Kopfschmerztablette einnehme, muss ich mir im Klaren sein, dass sie in seltenen Fällen Hirnblutungen auslöst. Bei einem Magengel gegen Sodbrennen soll es laut Herstellerinformation nach längerer Einnahmedauer selten zur Erweichung der Knochen kommen. Und bei einem Erkältungssirup für die Nacht ist im Beipackzettel unter anderem von Krampfanfällen im Gehirn die Rede. Dennoch sollten sich Verbraucher nicht davon abschrecken lassen, rät Ursula Sellerberg von der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (Abda) gegenüber der Nachrichtenagentur. Jeder Hersteller sei verpflichtet, sämtliche bekannte Nebenwirkungen aufzuführen
Sellerberg zufolge sorgten auch die angegebenen Wahrscheinlichkeiten von Nebenwirkungen häufig für Verunsicherung und führten zu Missverständnissen. So bedeute „häufig" bei einer Nebenwirkung nicht, dass die Wahrscheinlich hoch ist, dass sie tatsächlich auftritt. „In dem Fall betrifft das höchstens zehn Prozent der Patienten", so die Expertin. „Selten“ heiße, dass sich die Nebenwirkung im Schnitt bei bis zu zehn Menschen von 10.000 zeige.
Beipackzettel dient vor allem der juristischen Absicherung der Hersteller
Hans-Michael Mühlenfeld, Vorsitzender des Hausärzteverbands Bremen, ergänzt im Gespräch mit der Agentur, dass der Beipackzettel in erster Linie der juristischen Absicherung der Hersteller diene. „Da sitzen Juristen des Pharmakonzerns an den Formulierungen." Die Verständlichkeit spiele deshalb häufig eine untergeordnete Rolle, so dass Missverständnisse vorprogrammiert seien. Das betrifft unter anderem die Angaben, die auf Risiken hinweisen und gegen die Einnahme sprechen. „Die Angaben dazu beziehen sich auf die Substanz, nicht auf deren Dosierung oder Form." Mühlenfeld zufolge könne der Beipackzettel einer nicht verschreibungspflichtigen Cortisonsalbe deshalb die gleichen Informationen enthalten wie der von hochdosierten Cortison-Injektionen, denn der Wirkstoff sei derselbe.
Häufig verunsichert es Verbraucher auch, wenn bei der Wirkung und den Nebenwirkungen dieselben Beschwerdebilder stehen. „Aspirin-Tabletten mit 100 mg werden zur Hemmung der Blutgerinnung eingesetzt, die höher dosierten 1000 mg Einheiten gegen Fieber und Entzündungen", so Mühlenfeld. Bei den 1000 mg Tabletten sind die Beeinflussung der Blutgerinnung aber auch unter den erwünschten Nebenwirkungen aufgeführt. In solchen Fällen sollten Verbraucher mit ihrem Arzt oder dem Apotheker sprechen. Denn die individuellen Voraussetzungen des Patienten wie weitere Erkrankungen, die ebenfalls die Einnahme von Medikamenten erforderlich machen, haben einen großen Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit, dass Wechsel- oder Nebenwirkungen auftreten. Der Arzt kennt die Krankengeschichte und kann das Risiko abschätzen.
„Risiken müssen konkret eingeordnet werden", betont Matthias Kahnt von der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD) gegenüber der Nachrichtenagentur. Es werde aber generell bei Medikamenten das Nutzen-Risiko-Verhältnis abgewogen. So haben Arzneimittel gegen Krebs häufig starke Nebenwirkungen wie Haarausfall und eine allgemeine Schwächung des Körpers, ergänzt Sellerberg. Da eine Krebserkrankung lebensbedrohlich ist, gelten diese Risiken aber als akzeptabel. „Kopfschmerz-Mittel mit dieser Nebenwirkung würden nie auf den Markt kommen."
Angaben zur Anwendung und Dosierung müssen im Beipackzettel klar formuliert sein
Alle Medikamente müssen in ihrem Beipackzettel für den Patienten verständlich formulierte Informationen zur Anwendung der Dosierung enthalten, berichtet Kahn. Häufig schreiben Apotheker oder Ärzte zwar diese Angaben auf die Packung, jedoch ist es ratsam im Beipackzettel nachzuschauen, da dieser Details zur Anwendung des Mittels enthält. So finden sich dort beispielsweise Informationen zum Zeitpunkt der Einnahme, vor oder nach der Mahlzeit. Für das Anmischen von Antibiotika-Trockensaft für Kinder ist die exakt benötigte Flüssigkeitsmenge vermerkt. Zudem ist die einzunehmende Menge des Medikaments häufig nicht für alle Patienten gleich. „Die ist oft von Faktoren wie dem Gewicht abhängig und deshalb sehr individuell", so Mühlenfeld. Bei Säften solle darauf geachtet werden, dass der mitgelieferte Messbecher gemeint sei, wenn im Beipackzettel von einem Löffel die Rede sei, erläutert Sellerberg.
Heißt es im Beipackzettel „Dreimal täglich eine Tablette“ wie es oft bei Antibiotika der Fall ist, bedeutet dass nicht, dass die Tabletten auf einmal eingenommen werden sollten. Vielmehr werden sie über den Tag verteilt, alle acht Stunden, geschluckt. „So wird ein gleichmäßiger Wirkspiegel erreicht“, berichtet die Expertin.
Wenn Nebenwirkungen auftreten, die nicht im Beipackzettel genannt werden, sollte der Arzt informiert werden
Bei der Einnahme von großen Tabletten sollte zudem beachtet werden, dass nicht jedes Pille geteilt werden darf, auch wenn sie eine entsprechende Einkerbung hat. „Mitunter haben diese eine Ummantelung, die vor bitterem Geschmack des Wirkstoffes schützt oder dafür sorgt, dass dieser nach und nach abgegeben wird", so Sellerberg. Dann darf die Ummantelung nicht aufgebrochen werden. Auch solche Informationen finden sich im Beipackzettel oder können beim Arzt oder Apotheker erfragt werden.
Ist auf einer Medikamentenverpackung ein schwarzes Dreieck abgebildet, unterliegt das Mittel einer besonderen Risikobewertung, weil es neu auf dem Markt ist. „Für den Patient heißt die Information, dass er die Nebenwirkungen des Medikaments kritisch bewerten sollte", erläutert Kahnt. Treten tatsächlich Beschwerden auf, die noch nicht im Beipackzettel aufgeführt sind, sollten diese dem Arzt mitgeteilt werden. Dieses Prozedere soll Medikamente sicherer machen. Sorgen seien aber auch bei Mitteln mit dem schwarzen Dreieck unbegründet, so Kahnt. „Solange ein Medikament auf dem Markt ist, ist es auch sicher.“ (ag)
>Bildnachweis: Andrea Damm / pixelio.de
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