Rückenschmerzen hat so gut wie jeder schon einmal erlebt. Oft sind diese auf Verspannungen zurückzuführen und verschwinden nach einiger Zeit wieder. Doch hinter den Beschwerden kann sich auch ein Bandscheibenvorfall verstecken. Daher sollten anhaltende Schmerzen und Symptome wie z.B. Lähmungserscheinungen in jedem Fall ernst genommen und medizinische abgeklärt werden. Im Gespräch mit der Nachrichtenagentur „dpa“ erklären Experten, woran man einen Bandscheibenvorfall erkennt und welche Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen.
Rückenschmerzen einer der häufigsten Gründe für Fehltage
Fast jeder Erwachsene war im Laufe seines Lebens mindestens schon einmal von Rückenschmerzen betroffen. Laut einer aktuellen Auswertung der DAK-Gesundheit gehören diese zu den drei häufigsten Gründen für eine Krankschreibung, jeder fünfte Fehltag (20,6 Prozent) wurde demnach durch eine solche Muskel-Skelett-Erkrankung verursacht. In den meisten Fällen werden die Beschwerden durch Muskelverspannungen oder z.B. einen blockierten Wirbel verursacht und gehen innerhalb von wenigen Wochen wieder zurück. Bleiben die Rücken- oder Kreuzschmerzen länger als vier Wochen bestehen, sollte jedoch dringend ein Arzt aufgesucht werden, um zu klären, ob möglicherweise die Bandscheiben betroffen sind. Denn ein Bandscheibenvorfall bleibt nicht selten unentdeckt, gerade wenn die Beschwerden nur gelegentlich z.B. nach längerem Sitzen auftreten.
Schmerzen können bis in den Arm oder das Bein ausstrahlen
Der akute Bandscheibenvorfall tritt meist sehr plötzlich auf. Manchmal genügt bei einer entsprechenden Vorschädigung schon eine einfache Drehung oder das Anheben einer Getränkekiste. Denn die 23 Bandscheiben, die uns als Puffer und Federung zwischen den Wirbelkörpern dienen, haben in der Mitte einen gallertartigen, weichen Kern und sind zur Stabilisierung sind von einem harten, aber zugleich elastischen „Faserrring“ („Anulus fibrosus“) umgeben. Entsteht z.B. durch das Heben der Wasserkiste ein verstärkter Druck, kann dieser Faserring reißen, wodurch Material aus dem Kern nach außen dringt und auf die umgebenden Nerven drückt.
In der Folge entstehen häufig starke, stechende Rücken- oder Nackenschmerzen, welche bis in den Arm oder das Bein ausstrahlen können. Je nach dem, welcher Teil der Wirbelsäule betroffen ist, können weitere Beschwerden wie neurologische Ausfallerscheinungen (Kribbeln, pelziges Gefühl im Bein, „Ameisenlaufen“) oder ein Verlust von Reflexen auftreten. Auch bei Lähmungserscheinungen sollte möglichst zeitnah ein Arzt aufgesucht werden, erläutert Reinhard Schneiderhan, Präsident der Deutschen Wirbelsäulenliga und Orthopäde in München, im Gespräch mit der Nachrichtenagentur.
Unkontrollierter Verlust von Stuhl oder Urin ist ein dringendes Warnsignal
Neben dem gibt es weitere wichtige Alarmzeichen, die auf einen Notfall hindeuten und dementsprechend unbedingt ernst genommen werden müssen: „Wenn Betroffene unkontrolliert Urin verlieren oder Stuhl nicht mehr halten können, muss innerhalb von sechs Stunden operiert werden”, ergänzt Prof. Bernd Kladny sagt. Der Experte fungiert als stellvertretender Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) und ist außerdem Chefarzt der Abteilung Orthopädie und Unfallchirurgie an der m&i-Fachklinik Herzogenaurach. Auch wenn die Lähmungserscheinungen sehr stark sind und dadurch eine erhöhte Sturzgefahr besteht, sei ein operativer Eingriff empfehlenswert, so Kladny weiter.
Alle anderen Fälle könne dem Experten nach konservativ behandelt werden, indem der Patient z.B. entzündungshemmende und schmerzlindernde Medikamente oder Spritzen und Infusionen erhält. Wichtig sei zudem Schonung – was aber nicht bedeute, jede Bewegung zu vermeiden. Stattdessen sollten unter Anleitung eines Physiotherapeuten normale Alltagsbewegungen trainiert und die Stabilität im Rumpfbereich verbessert werden, sagt Kladny.
Häufig reichen konservative Maßnahmen aus
Oft lassen sich die Probleme auf diesem Wege beheben – doch in einigen Fällen reichen die beschriebenen Maßnahmen nicht aus. „Bei der Frage, wie lange konservativ behandelt wird, sollte man den Patienten einbeziehen”, führt Kladny weiter aus. Patienten, die z.B. aus beruflichen Gründen schnell wieder fit sein müssen, könne demnach zunächst versuchsweise für zwei Wochen intensiv auf konservative Weise behandelt werden. Führt das nicht zum gewünschten Erfolg, sollte der Betroffene die Frage „Operation bei Bandscheibenvorfall: Ja oder Nein?“ jedoch selbst beantworten.
Bestehen bei einem Patienten z.B. erhöhte gesundheitliche Risiken durch eine OP, könne sich der Therapiezeitraum laut Kladny auch durchaus länger hinziehen. Nach spätestens sechs Wochen sei jedoch eine “kritische Größe” erreicht, so Schneiderhan. „Dann müssen Fragen gestellt werden wie: Kann sich der Betroffene wieder normal bewegen? Hat er noch Schmerzen? Kann er durchschlafen?” Ist der Patient weiterhin stark eingeschränkt, kommen verschiedene Möglichkeiten in Betracht. Bei minimalinvasiven Verfahren werden beispielsweise Vorfälle und Vorwölbungen der Bandscheiben mittels Laserenergie geschrumpft sowie die entstandene Lücke wieder verschweißt. Durch eine Operation könne das ausgetretene Gewebe der Bandscheibe entweder durch den Neurochirurg direkt oder über eine Art „Hohlrohr“ entfernt werden, erläutert der Experte. Wichtig sei es jedoch in jedem Fall, vor einem Eingriff eine zweite ärztliche Meinung einzuholen. „Man sollte weder in Hektik entscheiden noch sich überreden lassen”, gibt der Experte zu bedenken.
Vorsicht bei Bauchmuskel-Übungen wie Sit-Ups
Bei Menschen, die viel sitzen, ihren Körper einseitig bzw. falsch belasten oder generell zu wenig Bewegung haben, ist das Risiko für einen Bandscheibenvorfall erhöht, erklärt Schneiderhan. Ebenso wird der schützende Faserring mit dem Alter anfälliger für Risse und kann dementsprechend schneller reißen.
Doch soweit muss es gar nicht kommen, denn einem Bandscheibenvorfall könne laut Michael Preibsch vom Deutschen Verband für Physiotherapie vorgebeugt werden. In vielen Fällen bestehen demnach schon längere Zeit muskuläre Probleme, indem z.B. die Hüftbeugemuskulatur schlechter dehnbar ist oder die Bauchmuskeln zu schwach sind, um dem Rücken ausreichend Stabilität bieten zu können. Solche „Muskeldysbalancen“ ließen sich dem Experten zufolge jedoch durch gezieltes Training ausgleichen. Doch hier sollte Vorsicht walten, denn weit verbreitete Übungen wie z.B. Sit-Ups würden sich in erster Linie auf den Hüftbeuger auswirken und damit das Problem eher noch verstärken. „Deshalb ist gerade am Anfang eines vorbeugenden Trainings eine Anleitung wichtig”, empfiehlt Preibsch.
Telefonhörer nicht zwischen Ohr und Schulter klemmen
Neben dem sollten Fehlbelastungen möglichst vermieden werden, indem z.B. häufiger während der Arbeit aufgestanden und etwas umher gegangen wird. Auch das Abgewöhnen einiger „Marotten“ kann helfen, einem Bandscheibenvorfall vorzubeugen. Hierzu gehöre beispielsweise, den Telefonhörer eingeklemmt zwischen Ohr und Schulter zu halten oder aufgrund einer falsch eingestellten Sehhilfe ständig den Kopf nah an den Monitor vor zu strecken, erläutert Preibsch. Unverzichtbar im Rahmen der Prävention sei außerdem Bewegung, denn „es trifft oft Leute, die normalerweise nicht viel machen und dann ein Haus renovieren”, betont der Experte. Empfehlenswert wären hier Aktivitäten wie z.B. Joggen, Walken oder Radfahren, alternativ könne auch Yoga das Richtige sein. (nr)
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