Sind schöne Beine Hinweis auf ein langes Leben?
Makellose Beine sind für viele Menschen ein Schönheitsideal. Vor allem Besenreiser oder Krampfadern gelten als „unschön“. Doch über die Schönheit hinaus könnten laut einer aktuellen Studie Beine, die frei von solchen Auffälligkeiten sind, Hinweis auf ein langes Leben sein. Denn schwere Venen- und Hautveränderungen oder chronische Wunden deuten auf eine chronisch-venöse Insuffizienz (CVI) hin. Diese Erkrankung der Beinvenen scheint auch mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen verbunden zu sein.
Forschende des Centrums für Thrombose und Hämostase (CTH) der Universitätsmedizin Mainz und des Deutschen Zentrums für Herzkreislaufforschung (DZHK) zeigen im Rahmen einer aktuellen Studie, dass mit der chronischen Venenschwäche ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen einhergeht. Die Forschungsergebnisse wurden kürzlich in der Fachzeitschrift „European Heart Journal“ präsentiert.
Schöne Beine scheinen auf gute Herzgesundheit hinzuweisen
Krampfadern und Besenreiser wurden in der Medizin bislang eher als lokales oder ästhetisches Problem betrachtet. Die Daten der Mainzer Arbeitsgruppe zeigen jedoch, dass chronische Venenschwäche auf ein erhöhtes Risiko für Herzkrankheiten und verfrühte Sterblichkeit hinweisen kann. Diese bislang unbekannten Erkenntnisse legen nahe, dass das Vorliegen einer CVI als Vorhersagekriterium für das Auftreten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen genutzt werden kann.
Bisher größte Studie dieser Art
„Unsere Untersuchung ist die erste und umfangreichste bevölkerungsbezogene Studie, die systematisch das gesamte Spektrum der Veneninsuffizienz untersucht und in Verbindung mit etablierten Herz-Kreislauf-Erkrankungen auswertet“, bestätigt Dr. Jürgen Prochaska, Oberarzt am Zentrum für Kardiologie der Universitätsmedizin Mainz und Arbeitsgruppenleiter am CTH. In der Studie wurden Daten von knapp 15.000 Personen einbezogen.
CVI ist weit verbreitet
„Wir konnten zeigen, dass die chronisch-venöse Insuffizienz ausgesprochen verbreitet ist: Bei rund 41 Prozent der 40- bis 80-jährigen Probanden der bevölkerungsbasierten Gutenberg-Gesundheitsstudie (GHS) wurde eine symptomatische chronische Venenschwäche mit Ödemen, Hautveränderungen oder offenen Wunden der unteren Gliedmaßen diagnostiziert“, erklärt Dr. Prochaska.
Risiko steigt mit zunehmendem Alter
Die Forschungsdaten zeigen zudem, dass das Risiko für eine chronisch-venöse Insuffizienz mit zunehmendem Alter deutlich ansteigt. In der Gruppe der 40- bis 50-Jährigen sei rund jede fünfte Person betroffen. Bei den 70- bis 80-Jährigen seien es zwei von drei Personen. Insgesamt trete CVI bei Frauen etwas häufiger auf als bei Männern.
Herzkrankheitsrisiko bei CVI deutlich erhöht
Eine der zentralen Erkenntnisse der Studie ist, dass Personen mit einer chronisch-venösen Insuffizienz gegenüber Personen des gleichen Alters und Geschlechts ohne CVI eine um 60 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit haben, unter einer schweren Herz-Kreislauf-Erkrankung zu leiden. Darüber hinaus war das Risiko, innerhalb der nächsten zehn Jahre eine Herz-Kreislauf-Erkrankung wie Herzschwäche oder Vorhofflimmern zu entwickeln oder einen kardiovaskulären Vorfall wie Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden, bei Personen mit CVI doppelt so hoch wie bei Personen ohne CVI.
CVI liefert Hinweis auf Gesamtsterblichkeit
„Unsere Daten offenbaren eine weitere alarmierende Erkenntnis“, ergänzt Professor Dr. Philipp Wild, Leiter der Präventiven Kardiologie am Zentrum für Kardiologie der Universitätsmedizin Mainz und Leiter der Klinischen Epidemiologie und Systemmedizin am CTH. Den Forschenden zufolge, weisen die Daten nach, dass die Gesamtsterblichkeit über alle Todesursachen hinweg bei Menschen mit chronisch-venöser Insuffizienz unabhängig von allen anderen Faktoren, wie etwa Alter, Geschlecht, Risikofaktoren und Begleiterkrankungen, deutlich erhöht ist.
CVI sollte ernster genommen werden
Die Arbeitsgruppe betont, dass die chronisch-venöse Insuffizienz mehr ist als ein Schönheitsmakel und medizinisch ernster genommen werden sollte. Laut der Studie war die Sterblichkeit von Betroffenen mit fortgeschrittener CVI im Beobachtungszeitraum von rund sechs Jahren um etwa das 1,7-fache höher als bei Personen ohne diese Erkrankung.
„Unsere Daten weisen darauf hin, dass klassische Risikofaktoren für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung, beispielsweise Bluthochdruck, Diabetes mellitus, Übergewicht oder Rauchen, zu einer fortgeschrittenen Venenschwäche beitragen“, gibt Univ.-Professor Dr. Thomas Münzel zu bedenken. Er ist der Direktor des Zentrums für Kardiologie der Universitätsmedizin Mainz. Die gemeinsamen kardiovaskulären Risikofaktoren könnten eine mögliche Ursache für die Verbindung darstellen.
Besenreiser und Krampfadern weisen auf CVI hin
Die Forschenden weisen darauf hin, dass Venenveränderungen wie sogenannte Varikosis, zu denen Besenreiser gehören, und Varizen (also Krampfadern) Hinweis auf eine CVI seien können. Bei vielen Personen entwickle sich aus solchen Venenveränderungen im Laufe des Lebens eine fortgeschrittene Venenschwäche. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz: Schönere Beine, längeres Leben? (veröffentlicht: 31.08.2021), unimedizin-mainz.de
- Prochaska JH, Münzel T, Wild PS, et al.: Chronic venous insufficiency, cardiovascular disease, and mortality: a population study. Eur Heart J. 2021, academic.oup.com
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.