Patienten müssen alle wichtigen Informationen bekommen
Ärzte müssen sicherstellen, dass ihre Patienten wichtige Informationen bekommen, etwa aus dem Arztbrief einer Klinik. Ein Verstoß kann als grober Behandlungsfehler gewertet werden und Schadenersatzansprüche des Patienten rechtfertigen, wie der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem am 24. August 2018 veröffentlichten Urteil entschied (Az.: VI ZR 285/17). Verzichtbar ist die Patienteninformation danach nur, wenn sicher ist, dass auch der weiterbehandelnde Facharzt oder der Patient selbst die Informationen erhalten hat.
Im Streitfall war der Patient mit Schmerzen im linken Bein und Fuß zu seiner langjährigen Hausärztin gegangen. Sie verwies ihn an eine Fachpraxis. Gut zwei Monate später hatte der Mann starke Schmerzen im Knie und kam als Notfallpatient in ein Krankenhaus. Eine Magnetresonanztherapie zeigte ein etwa ein Zentimeter großes Geschwulst in der linken Kniekehle. Diesen Befund teilte das Krankenhaus der Fachpraxis mit, nicht aber der Hausärztin.
Nach weiteren drei Wochen überwies die Fachpraxis den Patienten in ein anderes Klinikum. Dort wurde das Geschwulst mikrochirurgisch entfernt. Ein erster Arztbrief ging an die Hausärztin und nachrichtlich an die Fachpraxis.
Erst nach weiteren zwei Monaten lagen allerdings die Ergebnisse der Gewebeuntersuchung vor. Entgegen der ursprünglichen Vermutung war danach das Geschwulst nicht gutartig, sondern ein bösartiger Nervenscheidentumor. Dies teilte das Klinikum in einem zweiten Arztbrief nur der Hausärztin mit. Der Patient solle an ein onkologisches Spezialzentrum verwiesen werden. Eine Kopie dieses Arztbriefs erhielt die Fachpraxis diesmal nicht.
Dies fiel erst auf, als der Patient nach weiteren anderthalb Jahren wegen einer Handverletzung in die Hausarztpraxis kam. Unterdessen hatte es einen Rückfall gegeben, in der Kniekehle hatte sich ein neues Tumor-Geschwulst gebildet.
Von seiner Hausärztin verlangte der Patient Schadenersatz und Schmerzensgeld. Die Ärztin habe ihn über den zweiten Arztbrief informieren müssen. Dies zu unterlassen, sei ein Behandlungsfehler gewesen.
Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf wies die Klage ab. Selbst wenn man einen Behandlungsfehler unterstelle, habe der Patient nicht nachweisen können, dass dieser für den negativen weiteren Krankheitsverlauf ursächlich war. Zudem sei die Hausärztin in die Behandlung des Geschwulstes gar nicht mehr einbezogen gewesen.
Der BGH hob dieses Urteil nun auf und stellte klar: „Die Beklagte (Hausärztin) hat ihre ärztlichen Pflichten gegenüber dem Kläger verletzt, weil sie ihn über die Diagnose eines malignen (bösartigen) Nervenscheidentumors und die Behandlungsempfehlungen des Klinikums nicht informiert hat.”
Hier gehe es um einen „bedrohlichen Befund”, der Anlass zu umgehender weiterer Behandlung gegeben habe. Daher liege ein „schwerer ärztlicher Behandlungsfehler” vor. Ob auch anderen Ärzten Versäumnisse vorzuwerfen seien, spiele dabei keine Rolle.
In solchen Fällen müssten Ärzte den Patienten kurzfristig neu einbestellen, forderten die Karlsruher Richter. Zwar habe hier die Hausärztin die Behandlung an die Fachpraxis abgegeben. Der zweite Arztbrief sei aber nur an die Hausärztin gerichtet gewesen und diese aufgefordert worden, den Patienten in ein onkologisches Spezialzentrum zu schicken.
Offenbar habe das Klinikum die Hausärztin hier als behandelnde Ärztin angesehen. Auch wenn dies ein Irrtum war, habe sie den Arztbrief nicht ignorieren und „sehenden Auges eine Gefährdung ihres Patienten hinnehmen” dürfen. Auch nach einer Überweisung treffe Ärzte eine „nachwirkende Schutz- und Fürsorgepflicht”.
Daher habe die Hausärztin nicht einfach annehmen dürfen, dass auch die Fachpraxis oder der Patient selbst die Informationen des Klinikums erhalten hätten. Denn darauf gebe es in dem zweiten Arztbrief keinerlei Hinweise. Gerade bei langjährigen Patienten müssten Hausärzte auch damit rechnen, dass Patienten sie im Krankenhaus als Ansprechpartner angeben.
Mit seinem jetzt schriftlich veröffentlichten Urteil vom 26. Juni 2018 verwies der BGH den Streit an das OLG Düsseldorf zurück. Entscheidend ist dabei, dass der BGH den Fehler der Hausärztin als grob bewertet hat. Dies führt nach ständiger Rechtsprechung zu einer sogenannten Beweislastumkehr. In der Neuverhandlung ist daher nun nicht mehr der Patient in der Beweispflicht. Vielmehr muss nun die Hausärztin nachweisen, dass es auch bei einer sofortigen Information über den Befund zu einem Neuaufleben des Tumors gekommen wäre. Gelingt ihr das nicht, kann der Patient Schadenersatz und Schmerzensgeld verlangen. mwo/fle
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