Ein Schritt zur biologischen Kriegsführung mit Insekten?
Ein Forschungsprogramm der Forschungsbehörde des US-Verteidigungsministeriums könnte leicht zur Entwicklung biologischer Waffen missbraucht werden. Forscher machen auf die Brisanz aufmerksam.
Genome Editing (Crispr) Rechtswissenschaften
Während die erschreckende Wirkung von Chemiewaffen durch die bewaffneten Konflikte der Gegenwart in der öffentlichen Wahrnehmung präsent ist, sind biologische Waffen und ihre Wirkung weitgehend aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit verschwunden. Ein Forschungsprogramm der Forschungsbehörde des amerikanischen Verteidigungsministeriums weckt nun die Befürchtung, dass Forschung zur biologische Kriegsführung missbraucht werden könnte. In dem Projekt namens Insect Allies („Alliierte/Verbündete Insekten“) sollen Insekten als Transportmittel für Pflanzenviren dienen und diese auf landwirtschaftliche Nutzpflanzen übertragen.
Die Viren können das Erbgut der betroffenen Pflanzen mittels sogenannter Genomeditierung verändern. Auf diese Weise ließen sich bereits auf den Feldern wachsende Pflanzen wie Mais oder Tomaten schnell und in großem Stil genetisch verändern. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Evolutionsbiologie in Plön sowie der Universitäten Freiburg und Montpellier weisen im Fachmagazin Science darauf hin, dass ein solches System relativ leicht manipuliert und als biologische Waffe eingesetzt werden kann.
Die Genomeditierung eröffnet ungeahnte Möglichkeiten, das Erbgut von Nutzpflanzen zu verändern. Pflanzen können auf diese Weise beispielsweise ertragreicher oder unempfindlicher gegen Schädlinge und Trockenheit werden. Solche Eingriffe ins Erbgut können bislang jedoch nur im Labor vorgenommen werden – wachsen die Pflanzen erst einmal auf dem Feld, ist es dafür zu spät. Bei unerwarteter Dürre oder Schädlingsbefall müssen Landwirte also auf neues Saatgut für die nächste Erntesaison warten.
Ende 2016 hat die DARPA (Defense Advanced Research Projects Agency) – eine Behörde des US-Verteidigungsministeriums, die Forschungsprojekte für das Ministerium finanziert – ein auf vier Jahre angelegtes Forschungsprogramm öffentlich ausgeschrieben. Sie fördert darin Projekte im Umfang von insgesamt 27 Millionen US-Dollar mit dem Ziel, genetisch veränderte Viren freizusetzen, die das Erbgut von Nutzpflanzen im Freiland verändern können. Mitte 2017 gab das erste von drei Konsortien mehrerer amerikanischer Forschungseinrichtungen seine Teilnahme an dem DARPA-Programm bekannt. Wie aus Pressemitteilungen der für das Programm ausgewählten Institutionen hervorgeht, erforschen die beteiligten Wissenschaftler dabei, ob sie die Viren mithilfe von Grashüpfern, Blattläusen und – zu den Pflanzenläusen gehörenden – Weißen Fliegen auf Mais und Tomaten übertragen können. Bis zum Ende Programms soll die Technik in großem Stil in Gewächshäusern einsetzbar sein.
Fehlende öffentliche Debatte
In öffentlichen Stellungnahmen weist die DARPA darauf hin, dass die Erkenntnisse aus dem Insect Allies-Programm vor allem in der Landwirtschaft eingesetzt werden soll, zum Beispiel um Nutzpflanzen vor Dürre, Frost, Überschwemmung, Pestiziden oder Krankheiten zu schützen. Allerdings müssten die Zulassungsverfahren für genetisch veränderte Organismen in vielen Ländern für den Einsatz einer solchen Technologie umfassend geändert werden. Von der Verwendung solcher Verfahren wäre zudem auch Landwirte, Saatguthersteller und nicht zuletzt die Öffentlichkeit massiv betroffen. „Trotz vereinzelter Pressemitteilungen der DARPA und der am Programm beteiligten Konsortien gibt es bislang so gut wie keine öffentliche Diskussion über den Sinn und die möglichen Konsequenzen dieser Technik. Selbst in Fachkreisen ist das Programm weitgehend unbekannt“, sagt Guy Reeves vom Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie in Plön.
Den Wissenschaftlern aus Plön, Freiburg und Montpellier zufolge wäre eine breite gesellschaftliche, wissenschaftliche und rechtliche Debatte jedoch dringend angebracht. Ihrer Meinung nach gibt es keine plausiblen Gründe, Insekten zur Verbreitung von Genmaterial einzusetzen. Die Forscher sehen vor allem den Einsatz von Insekten zur Verbreitung von Genmaterial kritisch, denn die Erkenntnisse aus dem Insect Allies-Programm können relativ leicht abgewandelt werden und so für die biologische Kriegsführung angepasst werden. „So könnten Gene beispielsweise funktionsuntüchtig gemacht werden – was in der Regel leichter ist als ihre Optimierung. Das Verfahren muss also nicht einmal weiterentwickelt werden, es reicht aus, es zu vereinfachen, um es als Waffe einsetzen können“, so Reeves. Angesichts dieser Einwände könnte das DARPA-Programm den Verdacht wecken, dass es nicht friedliche Zwecke, wie von der B-Waffenkonvention gefordert, zum Ziel hat. Dies könnte wiederum zur Folge haben, dass andere Länder selbst eigene Waffen auf diesem Gebiet entwickeln.
Übereinkommen über das Verbot biologischer Waffen
Für eine völkerrechtliche Bewertung ist entscheidend, ob ein biologisches Forschungsprogramm nur friedlichen Zwecken dient. So verbietet das Übereinkommen über das Verbot biologischer Waffen den über 180 Vertragstaaten unter allen Umständen die Entwicklung, Produktion oder den Erwerb von Agenzien und Toxinen von Arten und in Mengen, „die nicht durch Vorbeugungs-, Schutz- oder sonstige friedliche Zwecke gerechtfertigt sind“. Darüber hinaus verbietet das Übereinkommen die Entwicklung oder Herstellung von „Waffen, Ausrüstungen oder Einsatzmittel, die für die Verwendung solcher Agenzien oder Toxine für feindselige Zwecke oder in einem bewaffneten Konflikt bestimmt sind“. Die Autoren argumentieren, dass es sich bei den zum Übertragen der Viren verwendeten Insekten um verbotene Einsatzmittel im Sinne des Übereinkommens handelt.
„Aufgrund dieses weitreichenden Verbotes bedarf es für besorgniserregende biologische Forschung grundsätzlich einer plausiblen Rechtfertigung durch friedliche Zwecke. Das Insect Allies-Programm könnte das Übereinkommen über das Verbot biologischer Waffen verletzen, wenn die von DARPA geltend gemachten Ziele nicht plausibel sind. Dies gilt besonders vor dem Hintergrund, dass es hier um eine Technologie geht, die leicht zur biologischen Kriegsführung genutzt werden kann“, erklärt Silja Vöneky, Rechtswissenschaftlerin an der Universität Freiburg. (sb, hr)
Autoren- und Quelleninformationen
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