Welche Folgen hat ein Anstieg des Blutdrucks beim Aufstehen?
Bei Menschen mittleren Alters mit Bluthochdruck kann ein deutlicher Anstieg des Blutdrucks beim Aufstehen darauf hindeuten, dass ein höheres Risiko für schwerwiegende kardiovaskuläre Erkrankungen wie beispielsweise einen Herzinfarkt oder Schlaganfall besteht.
In einer neuen Studie unter Beteiligung von Fachleuten der University of Padua in Italien wurde festgestellt, dass bei jungen bis mittelalten Menschen mit leichtem Bluthochdruck eine übertriebene systolische Blutdruckreaktion beim Aufstehen einen unabhängigen Prädiktor für schwerwiegende unerwünschte kardiovaskuläre und renale Ereignisse darstellt.
Die Studienergebnisse wurden in der englischsprachigen Fachzeitschrift „Hypertension“ veröffentlicht.
Auswirkungen eines steigenden Blutdrucks beim Aufstehen
Normalerweise sinkt der systolische Blutdruck beim Aufstehen leicht ab. Wie es sich auswirkt, wenn stattdessen ein deutlicher Anstieg des systolischen Blutdrucks eintritt und ob ein solcher Anstieg das Risiko für Herzinfarkte und andere schwere kardiovaskuläre Ereignisse erhöht, war unklar.
Um dies herauszufinden untersuchten die Forschenden 1.207 Personen mit Bluthochdruck im Stadium I, welche Teil der HARVEST-Studie waren. Bei der Aufnahme in die Studie waren diese Menschen durchschnittlich 33 Jahre alt und 72 Prozent waren Männer.
Alle Teilnehmenden hatten vor der Untersuchung keinerlei blutdrucksenkende Medikamente eingenommen und bei allen wurde das Risiko für schwere kardiovaskuläre Ereignisse aufgrund ihres Lebensstils und ihrer Krankengeschichte als gering eingeschätzt.
Blutdruck wurde in verschiedenen Körperpositionen gemessen
Bei der Aufnahme in die Studie wurden bei allen Teilnehmenden insgesamt sechs Blutdruckmessungen in verschiedenen Körperpositionen durchgeführt, beispielsweise im Liegen und nach dem Aufstehen.
Die Forschenden stellten fest, dass bei den 120 Teilnehmenden mit dem höchsten Blutdruckanstieg im Stehen ein durchschnittlicher Anstieg von 11,4 mm Hg auftrat. Insgesamt betrug bei all diesen Personen der Anstieg mehr als 6,5 mm Hg. Bei den übrigen Teilnehmenden sank der systolische Blutdruck im Stehen dagegen durchschnittlich um 3,8 mm Hg.
Als nächstes verglich das Team Risikofaktoren für Herzerkrankungen, Labormessungen, das Auftreten größerer kardiovaskulärer Ereignisse und das Auftreten von chronischen Nierenerkrankungen bei allen Teilnehmenden.
Zusätzlich wurde in einigen der durchgeführten Analysen auch die Entwicklung von Vorhofflimmern erfasst. Vorhofflimmern gilt als ein wichtiger Risikofaktor für die Entstehung von Schlaganfällen.
Während der durchschnittlichen Nachbeobachtungszeit von 17 Jahren traten insgesamt 105 größere kardiovaskuläre Ereignisse unter den Teilnehmenden auf. Dabei waren Herzinfarkte, herzbedingte Brustschmerzen und Schlaganfälle besonders häufig, berichten die Forschenden.
Verdoppeltes Risiko kardiovaskulärer Ereignis
Es zeigte sich, dass Menschen mit dem höchsten Blutdruckanstieg im Stehen ein fast doppelt so hohes Risiko für ein schwerwiegendes kardiovaskuläres Ereignis aufwiesen, wie die übrigen Teilnehmenden.
Außer der überhöhten Blutdruckreaktion beim Aufstehen seien in der Erstuntersuchung keine Hinweise auf ein höheres Risikoprofil für kardiovaskuläre Ereignisse bei den Betroffenen feststellbar gewesen, so das Team.
Menschen mit dem höchsten Blutdruckanstieg rauchten verhältnismäßig oft, doch zeigten sie ein vergleichbares Maß an körperlicher Aktivität wie die übrigen Teilnehmenden, waren nicht häufiger übergewichtig oder fettleibig. Auch in ihrer familiären Vorgeschichte gab es keine Anzeichen für häufigere kardiovaskuläre Ereignisse.
Die Teilnehmenden mit dem höchsten Blutdruckanstieg im Stehen hatten zudem günstigere Cholesterinwerte und zusätzlich im Liegen einen niedrigeren systolischen Blutdruck als die übrigen Teilnehmenden.
Blutdruckreaktion im Stehen ein Risiko-Hinweis
Auch nach einer Bereinigung um den über 24 Stunden gemessenen Durchschnittsblutdruck blieb eine übermäßige Blutdruckreaktion im Stehen ein unabhängiger Prädiktor für unerwünschte Herzereignisse oder Schlaganfälle, fassen die Forschenden zusammen.
Frühzeitige Behandlung mit Medikamenten
„Dieser Befund könnte einen früheren Beginn einer blutdrucksenkenden Behandlung mit Medikamenten bei Patienten rechtfertigen, deren Blutdruck im Stehen übermäßig stark ansteigt“, betont Studienautor Professor Paolo Palatini von der University of Padua in einer Pressemitteilung.
„Die Ergebnisse der Studie bestätigten unsere ursprüngliche Hypothese, dass ein ausgeprägter Anstieg des Blutdrucks vom Liegen zum Stehen bei jungen Menschen mit Bluthochdruck prognostisch wichtig sein könnte“, so der Experte.
Laut Palatini war es überraschend, dass selbst ein relativ geringer Anstieg des Blutdrucks im Stehen (6-7 mm Hg) langfristig für schwerwiegende kardiale Ereignisse prädiktiv war.
Das Team berichtet weiter, dass in einer Untergruppe von 630 Teilnehmenden, bei denen die Stresshormone anhand von 24-Stunden-Urinproben gemessen wurden, das Epinephrin/Kreatinin-Verhältnis bei den Personen mit einem Anstieg des Blutdrucks im Stehen höher ausfiel, verglichen mit Teilnehmenden deren Blutdruck im Stehen nicht anstieg.
Welche Rolle spielen Stressfaktoren?
Die Epinephrinwerte stehen im Zusammenhang mit Stressreizen, was darauf hindeutet, dass Teilnehmende mit dem höchsten Blutdruck im Stehen eine erhöhte sympathische Reaktion auf Stressfaktoren aufweisen. „Insgesamt führt dies zu einem Anstieg des durchschnittlichen Blutdrucks“, erläutert Palatini.
Laut dem Experten zufolge deuten die Ergebnisse darauf hin, dass der Blutdruck im Stehen gemessen werden sollte, um die Behandlung von Menschen mit Bluthochdruck anzupassen. Außerdem sei möglicherweise ein aggressiverer Ansatz zur Änderung des Lebensstils und eine blutdrucksenkende Therapie für Menschen mit einer erhöhten (hyperreaktiven) Blutdruckreaktion im Stehen angebracht. (as)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Robert Koch-Institut: Hypertonie (abgefragt 17.03.2022) , RKI
- Paolo Palatini, Lucio Mos, Francesca Saladini, Marcello Rattazzi: Blood Pressure Hyperreactivity to Standing: a Predictor of Adverse Outcome in Young Hypertensive Patients; in: Hypertension (veröffentlicht 17.03.2022), Hypertension
- American Heart Association: If blood pressure rises upon standing, so may risk for heart attack (veröffentlicht 17.03.2022), American Heart Association
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.