Risiko für kognitiven Rückgang durch intensive Blutdruckkontrolle senken
In einer neuen Studie hat sich gezeigt, dass Personen, die ihre systolischen Blutdruckwerte intensiv senkten, ein geringeres Risiko für eine wahrscheinliche Demenz oder eine leichte kognitive Beeinträchtigung hatten.
Laut einer neuen Studie unter der Leitung von Forschenden aus China kann eine intensive Blutdruckkontrolle das Risiko für kognitive Probleme bei mehr Menschen senken als bisher angenommen. Die Studienergebnisse wurden kürzlich in der Zeitschrift „Hypertension“ der American Heart Association (AHA) veröffentlicht.
Geringeres Risiko für eine wahrscheinliche Demenz
Wie die AHA in einer Mitteilung schreibt, wurden vor einigen Jahren in der Fachzeitschrift „JAMA“ Studienergebnisse veröffentlicht, die darauf hindeuteten, dass eine intensive Senkung des Blutdrucks das Risiko eines kognitiven Rückgangs bei Menschen ab 50 Jahren mit Bluthochdruck verringern könnte.
Es blieben jedoch Fragen offen, ob die Strategie bei Menschen, deren diastolischer Blutdruck – der untere Messwert bei einer Blutdruckmessung – niedrig war, sicher oder wirksam ist. Einige Daten deuteten darauf hin, dass eine intensive Kontrolle das Demenz-Risiko in dieser Gruppe erhöhen könnte.
Die neue Studie legt nun etwas anderes nahe. Sie zeigt keinen Beweis dafür, dass eine intensive Kontrolle des systolischen Blutdrucks (oberer Messwert) für Personen mit niedrigem diastolischem Blutdruck schädlich ist.
Im Vergleich zu Menschen, deren systolischer Blutdruck auf normale Werte gesenkt wurde, hatten diejenigen, die ihre systolischen Werte intensiv senkten, ein geringeres Risiko für eine wahrscheinliche Demenz oder eine leichte kognitive Beeinträchtigung, unabhängig davon, ob ihre diastolischen Werte vor der Behandlung hoch oder niedrig waren.
Vorteile der meisten Menschen
„Ich denke, dies unterstützt die allgemeine Vorstellung, dass eine intensive Blutdruckkontrolle für die meisten Menschen sicher ist und potenzielle Vorteile hat“, sagt Dr. Rebecca Gottesman, Leiterin der Schlaganfallabteilung am National Institute of Neurological Disorders and Stroke Intramural Research Program in Bethesda, Maryland.
Frühere Studien haben einen hohen systolischen Blutdruck, insbesondere in der Lebensmitte, als Risikofaktor für kognitiven Verfall und Demenz festgestellt und gezeigt, dass eine Senkung dieses Risikos diese Gefahr verringert.
Bei einer leichten kognitiven Beeinträchtigung (MCI für englisch „mild cognitive impairment“) haben Betroffene größere Schwierigkeiten beim Denken, Erinnern und Argumentieren als andere Menschen im gleichen Alter. Bei Demenz sind Betroffene beeinträchtigt, grundlegende Funktionen des täglichen Lebens auszuführen.
Reduzierung des Risikos für Herz-Kreislauf-Erkrankungen
In der neuen Analyse verwendeten die Forschenden Daten aus der SPRINT MIND-Studie, kurz für Systolic Blood Pressure Intervention Trial – Memory and Cognition In Decreased Hypertension, die Personen ab 50 Jahren mit hohem systolischem Blutdruck nach dem Zufallsprinzip einem intensiven Blutdruckkontrollziel zuordnete (weniger unter 120 mmHg) oder einem Standardziel (unter 140 mmHg).
Die kognitive Funktion wurde mit einer Reihe von Tests zu Beginn und während des gesamten Verlaufs der Nachsorge gemessen.
Die auf fünf Jahre angelegte SPRINT-Studie wurde nach etwas mehr als drei Jahren abgebrochen, als deutlich wurde, dass eine intensive Blutdrucksenkung das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Tod signifikant reduziert.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler analysierten die bis zu diesem Zeitpunkt gesammelten Daten für den MIND-Teil der Studie weiter, in dem untersucht wurde, wie sich eine intensive Blutdruckkontrolle auf das Demenz-Risiko auswirkte.
Sie fanden heraus, dass eine intensive Kontrolle im Vergleich zur Standard-Blutdruckkontrolle das Demenz-Risiko nicht reduzierte, aber einen signifikanten Einfluss auf die Reduzierung von MCI hatte.
Beziehung zwischen Blutdruckkontrolle und Demenz-Risiko
Diese neueste Forschungsarbeit befasste sich eingehender mit der Beziehung zwischen intensiver Blutdruckkontrolle und dem Demenz-Risiko, wobei der Schwerpunkt darauf lag, ob eine intensive Kontrolle die kognitiven Funktionen bei Menschen mit sehr niedrigem diastolischem Blutdruck beeinträchtigen könnte.
Es wurde auch untersucht, ob eine intensive Kontrolle den Blutfluss zum Gehirn verringert, ein Zustand, der mit einem beschleunigten kognitiven Verfall und einem höheren Demenz-Risiko verbunden ist.
Der zerebrale Blutfluss wurde bei einer Untergruppe von 348 Teilnehmenden (193 in der Intensivgruppe und 155 in der Standardgruppe) mittels Magnetresonanztomographie zum Zeitpunkt der Einschreibung und 48 Monate nachdem die Personen ihren blutdrucksenkenden Gruppen zugeordnet wurden, gemessen.
Es gab 4.278 Personen in der intensiven Blutdruckkontrollgruppe und 4.285 in der Standardgruppe mit einem Durchschnittsalter von 68 Jahren.
Die Forscherinnen und Forscher teilten jede Gruppe basierend auf ihrem diastolischen Druck weiter in vier Untergruppen ein. Diejenigen im niedrigsten Viertel hatten diastolische Druckwerte von weniger als oder gleich 70 mmHg, und die in der höchsten Gruppe hatten diastolische Werte von 87 mmHg oder höher.
Ergebnisse nicht zu hoch bewerten
Die neue Analyse zeigte, dass Menschen mit den niedrigsten diastolischen Druckwerten eine höhere Rate an kognitivem Verfall hatten als Menschen mit höherem diastolischem Druck.
Unabhängig vom diastolischen Druck hatten die Personen in der intensiv blutdrucksenkenden Gruppe jedoch niedrigere Raten wahrscheinlicher Demenz oder leichter kognitiver Beeinträchtigung als die Personen in der Standardgruppe.
Es gab keine Hinweise darauf, dass eine intensive Blutdruckkontrolle den zerebralen Blutfluss beeinträchtigte.
Die Ergebnisse deuten laut Gottesman darauf hin, dass eine intensive Blutdruckkontrolle für Menschen mit sehr hohem diastolischem Druck einen größeren kognitiven Nutzen haben könnte als für Personen mit sehr niedrigen diastolischen Werten. Aber diese Ergebnisse sollten der Expertin zufolge nicht zu hoch bewertet werden.
Zum einen unterscheiden sich Menschen mit sehr niedrigem diastolischem Druck von denen mit höherem Druck, sagt sie. Und die Autorinnen und Autoren stellten fest, dass diejenigen in der Gruppe mit dem niedrigsten diastolischen Wert mit größerer Wahrscheinlichkeit älter sind und mehr gesundheitliche Probleme haben.
Es ist auch möglich, dass sich die Menschen in der Gruppe mit niedriger Diastole bereits in den frühen Stadien der Demenz befanden, so Gottesman. „Es gibt einige Hinweise darauf, dass Menschen mit Demenz einen Blutdruckabfall haben, und deshalb wird kein Nutzen in der Gruppe mit sehr niedrigen diastolischen Werten gesehen.“
Eine Schwäche der Studie, so Gottesman, sei, dass aufgrund des vorzeitigen Abbruchs der SPRINT-Studie weniger als vier Jahre Follow-up-Daten analysiert werden konnten.
„Als sie aufhörte, war es möglicherweise zu früh, um kognitive Ergebnisse zu zeigen, weil es länger dauert, bis sie anfallen“, meint die Wissenschaftlerin. „Wenn dies jahrzehntelang so weitergehen würde, weiß ich nicht, ob es zeigen würde, dass eine intensive Blutdruckkontrolle für diese Menschen sicher ist.“ (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- American Heart Association: Intensive blood pressure control may lower risk for cognitive problems in more people, (Abruf: 30.01.2023), American Heart Association
- Chao Jiang, Sitong Li, Yufeng Wang, Yiwei Lai, Yu Bai, Manlin Zhao, Liu He, Yu Kong, Xueyuan Guo, Songnan Li, Nian Liu, Chenxi Jiang, Ribo Tang, Caihua Sang, Deyong Long, Xin Du, Jianzeng Dong, Craig S. Anderson & Changsheng Ma: Diastolic Blood Pressure and Intensive Blood Pressure Control on Cognitive Outcomes: Insights From the SPRINT MIND Trial; in: Hypertension, (veröffentlicht: 23.01.2023), Hypertension
- The SPRINT MIND Investigators for the SPRINT Research Group: Effect of Intensive vs Standard Blood Pressure Control on Probable Dementia; in: JAMA, (veröffentlicht: 28.01.2019), JAMA
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.