Geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Blutdruckregulierung
Bluthochdruck ist sowohl bei Männern als auch bei Frauen weit verbreitet. Fast ein Drittel der erwachsenen Männer und Frauen in Deutschland hat laut Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) einen ärztlich diagnostizierten Bluthochdruck. In einer aktuellen Studie wurde nun allerdings deutlich, dass die Mechanismen der Entstehung bei Männern und Frauen sehr unterschiedlich ausfallen, was offenbar auch Auswirkungen auf die Therapiemöglichkeiten hat.
„Es gibt zahlreiche Hinweise darauf, dass das grundlegende System zur Blutdruckkontrolle zwar dasselbe ist, die Blutdruckregulierung bei Männern und Frauen jedoch etwas anders verläuft“, erläutert Dr. Mykola Mamenko vom Medical College of Georgia an der Augusta University (USA) in einer aktuellen Pressemitteilung. Der Forscher widmet sich den geschlechtsspezifischen Unterschieden bei der Entstehung von Bluthochdruck und hat für seine Studien aktuell eine Millionenförderung vom National Institute of Diabetes and Digestive and Kidney Diseases (USA) erhalten.
Unterschiedliche Hormone verantwortlich
In seinen bisherigen Untersuchungen konnte Dr. Mamenko bereits nachweisen, dass bei Frauen vermutlich das Hormon Aldosteron, das die Nieren veranlasst, mehr Natrium und damit mehr Flüssigkeit zu speichern, den Blutdruck in die Höhe treibt. Bei Männern mit Bluthochdruck scheint hingegen der starke Blutgefäßverenger Angiotensin II, das primär verantwortliche Botenmolekül zu sein.
Der Körper nutze die Nieren wie „Rückschlagventile“, um mehr Natrium und Flüssigkeit auszuscheiden, wenn der Blutdruck zu hoch wird, und um sie zurückzuhalten, wenn er gefährlich niedrig wird, erläutert der Experte. Sowohl Angiotensin als auch Aldosteron übermitteln die Botschaft, den epithelialen Natriumkanal in den Tubuli der Niere aufrechtzuerhalten, der die Wiederaufnahme von Natrium ermöglicht, so Dr. Mamenko. Doch bei Bluthochdruck sei Salz beziehungsweise Natrium ein wichtiger Bestandteil, der ausgeschieden werden sollte.
Aldosteron ein frauenspezifischer Mechanismus
In weiteren Untersuchungen an Ratten hat das Team um Dr. Mamenko nachgewiesen, dass die Blockierung von Aldosteronrezeptoren bei weiblichen Ratten mit Bluthochdruck die übereifrige, ungesunde Aktivität des epithelialen Natriumkanals verringerte und zu einer deutlicheren Senkung des Blutdrucks führte als bei männlichen Artgenossen. Dies deutet stark darauf hin, dass Aldosteron ein unerkannter, frauenspezifischer Mechanismus bei der Blutdruckregulation ist, berichtet Dr. Mamenko.
Der epitheliale Natriumkanal sei wie eine Tür, die man mit der rechten oder linken Hand öffnen kann, was zu dem gleichen Ergebnis führt, so der Experte. Im gestörten Zustand bleibe die Tür offen, und es werde mehr Salz und Flüssigkeit im Körper zurückgehalten, was den Blutdruck weiter in die Höhe treibe und schwere Erkrankungen wie Herzkrankheiten und Schlaganfälle begünstige.
In den Untersuchungen sei auch deutlich geworden, dass weibliche hypertensive Ratten mehr Rezeptoren für das starke Hormon Aldosteron in ihren Nieren haben, was eine logische Erklärung für die festgestellten Geschlechtsunterschiede sein könnte.
Allerdings würde bei einem zu hohen Aldosteronspiegel normalerweise innerhalb weniger Wochen eine Anpassung erfolgen, so dass man weniger empfindlich auf das Hormon reagiert und der Blutdruck sinken kann. Daher stellt sich die Frage, inwiefern dieser Sicherheitsmechanismus bei Frauen mit Bluthochdruck verloren geht und warum Männer weiterhin geschützt sind, zumindest vor übermäßigem Aldosteron, so Mamenko.
Die Aldosteronempfindlichkeit ist laut Aussage des Experten zudem nicht immer etwas Schlechtes. Denn während der Schwangerschaft seien Frauen zum Beispiel stark auf Aldosteron angewiesen, um die erhöhte Natriummenge zu speichern, die für die Bereitstellung des zusätzlichen Flüssigkeitsvolumens erforderlich ist, das unter anderem für die Produktion von ausreichend Fruchtwasser und die Erhöhung des Blutvolumens für Mutter und Kind benötigt wird.
Diese Fähigkeit, mit Aldosteron die Natriumeinlagerung in der Schwangerschaft zu fördern, könne sich möglicherweise jedoch gegen die Frauen wenden und zur Entwicklung von Bluthochdruck beitragen.
Gezieltere Behandlungen ermöglichen
Von der Physiologe betrachtet sei Bluthochdruck ein Symptom ähnlich wie Fieber, das darauf hinweist, dass etwas nicht in Ordnung ist, wobei es eine Vielzahl möglicher Ursachen und entsprechend viele Lösung gibt. Mit seinem Team versuche er daher, „spezifischere Gruppen zu identifizieren, auf die gezieltere Behandlungen angewandt werden können, in diesem Fall das Geschlecht“, so Mamenko.
Die Betrachtung der Nierenfunktion sei hierbei besonders interessant, da man theoretisch endlose Mengen an überschüssigem Salz und Wasser ausschütten kann, während andere Möglichkeiten zur Senkung des Blutdrucks, wie die Verringerung der Herzfrequenz oder die Erweiterung der Blutgefäße, klare Grenzen haben.
Wenn sich die Beobachtungen bestätigen, spreche dies auch dafür, dass Medikamente, die Aldosteronrezeptoren hemmen, bei Frauen effektiv wirken und wahrscheinlich eine gute erste Behandlungsmöglichkeit darstellen, erläutert der Experte. (fp)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Augusta University: Sex differences emerging in blood pressure regulation (veröffentlicht 18.10.2021), augusta.edu
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.