Magen-Darm-Blutungen können ein Zeichen für Darmkrebs sein
Patientinnen und Patienten, die mit blutverdünnenden Medikamenten gegen Herzrhythmusstörungen behandelt werden, sollten immer auf Darmkrebs untersucht werden, wenn sie an Magen-Darm-Blutungen leiden. Zu diesem Schluss kommen Forschende in einer Studie, die in dem Fachmagazin „European Heart Journal“ veröffentlicht wurde.
Millionen Menschen in Deutschland nehmen täglich Gerinnungshemmer ein. Es ist bekannt, dass diese Antikoagulanzien, die umgangssprachlich auch als „Blutverdünner“ bezeichnet werden, das Risiko für gefährliche Blutungen erhöhen können. Doch wenn Patientinnen oder Patienten, die solche Medikamente einnehmen, an Magen-Darm-Blutungen leiden, kann dies auch ein Anzeichen für Darmkrebs sein.
Blutungen bei Personen mit Vorhofflimmern
Wenn Ärztinnen und Ärzte bei Patientinnen und Patienten mit Vorhofflimmern Blutungen feststellen, können sie oft davon ausgehen, dass diese auf orale Antikoagulanzien zurückzuführen sind, und daher die Behandlung ändern, anstatt auf Darmkrebs zu überprüfen, heißt es in einer Mitteilung der European Society of Cardiology (ESC).
Doch die Studie mit fast 125.500 dänischen Patientinnen und Patienten mit Vorhofflimmern zeigt, dass bei denen, bei denen Blutungen auftraten, eine 11- bis 24-mal höhere Wahrscheinlichkeit für die Diagnose von Darmkrebs bestand als bei denjenigen ohne Magen-Darm-Blutung.
Dr. Peter Vibe Rasmussen vom Herlev-Gentofte-Universitätsklinikum, Universität Kopenhagen, Dänemark, der die Forschung leitete, sagte: „Wir stellten fest, dass bei vier bis acht Prozent der Vorhofflimmer-Patienten, bei denen eine Blutung aus dem unteren Magen-Darm-Trakt festgestellt wurde, die Diagnose Darmkrebs erhielten.“
Und: „Bei weniger als einem Prozent der Patienten, die keine Blutung hatten, wurde Darmkrebs diagnostiziert.“
Bei Blut im Stuhl sofort zum Arzt
„Diese hohen absoluten Darmkrebsrisiken im Zusammenhang mit Blutungen sprechen dafür, dass Ärzte sich Sorgen machen sollten, wenn im Stuhl von Patienten, die mit oralen Antikoagulanzien behandelt werden, Blut nachgewiesen wird“, so der Wissenschaftler.
„Unsere Ergebnisse unterstreichen den wichtigen Punkt, dass Patienten mit Magen-Darm-Blutungen immer eine sorgfältige klinische Untersuchung angeboten werden sollte, unabhängig davon, ob sie Antikoagulanzien einnehmen oder nicht.“
Es sollte nicht der Fehler gemacht werden, dies als bloße Folge einer gerinnungshemmenden Behandlung anzusehen.
„Unsere Studie ist auch eine Erinnerung daran, dass die Aufklärung und Information unserer Patienten von größter Bedeutung ist. Wenn Patienten mit der Einnahme von Antikoagulanzien beginnen, sollten wir ihnen sagen, dass sie immer ihren Arzt konsultieren sollten, wenn sie Blut im Stuhl bemerken. Eine rechtzeitige Untersuchung könnte möglicherweise zur Früherkennung von Darmkrebs führen.“
Krebs wird oft erst spät erkannt
Patientinnen und Patienten mit Vorhofflimmern bekommen häufig orale blutverdünnende Medikamente wie Warfarin, Dabigatran, Rivaroxaban und Apixaban verschrieben, um die Bildung von Blutgerinnseln zu verhindern, die zum Schlaganfall führen können.
Als Nebenwirkung kann es aber zu Blutungen aus dem Magen-Darm-Trakt kommen. Diese treten Schätzungen zufolge jedes Jahr bei etwa ein bis zwei Prozent dieser Patientinnen und Patienten auf.
„Krebs im unteren Teil des Verdauungssystems entwickelt sich über längere Zeiträume oft ohne Symptome“, erklärte Dr. Vibe Rasmussen. „Infolgedessen wird der Krebs häufig erst diagnostiziert, wenn beim Patienten Symptome auftreten“, so der Forscher.
„Die Behandlung mit blutverdünnenden Medikamenten, wie sie häufig bei Patienten mit Herzerkrankungen empfohlen wird, erhöht das Risiko einer Blutung aus dem Magen-Darm-Trakt. In dieser Studie wollten wir die Hypothese prüfen, dass eine durch orale Antikoagulanzien ausgelöste Blutung auf die Aufdeckung eines nicht diagnostizierten okkulten Krebses zurückzuführen sein könnte.“
Altersabhängiges Risiko
Die Forschenden griffen in der Studie auf Daten aus den dänischen nationalen Registern zurück. Dabei wurden alle Personen im Alter zwischen 18 und 100 Jahren identifiziert, bei denen zwischen dem 1. Januar 1996 und dem 31. Dezember 2014 Vorhofflimmern diagnostiziert wurde.
In die Studie wurden Patientinnen und Patienten, die ein orales Antikoagulans eingenommen hatten, miteinbezogen und bis Ende 2015 nachuntersucht. Nach dem Ausschluss einiger Personen aus bestimmten Gründen, beispielsweise weil sie nicht in Dänemark lebten, bereits eine Darmkrebsdiagnose hatten oder vor kurzem an Hüfte oder Knie operiert wurden, kamen insgesamt 125.418 Personen für die Aufnahme in die Studie in Frage.
Während einer Behandlungsdauer von maximal drei Jahren identifizierten die Forschenden 2.576 Patientinnen und Patienten mit Blutungen aus dem unteren Gastrointestinaltrakt. Von diesen wurde bei 140 innerhalb des ersten Jahres nach dem Nachweis der Blutung Darmkrebs diagnostiziert.
Das Risiko der Diagnose von Darmkrebs im ersten Jahr nach der Blutung hing vom Alter der Betroffenen ab. Bei Patientinnen und Patienten mit Blutungen im Alter von 65 Jahren oder jünger war die Wahrscheinlichkeit, dass Darmkrebs festgestellt wurde, 24-mal höher als bei denjenigen ohne Blutungen.
Und bei Personen mit Blutungen im Alter von 71 bis 75 Jahren war das Risiko elfmal höher als bei Gleichaltrigen ohne Blutungen.
Kein Darmkrebs durch blutverdünnende Medikamente
„Wir fanden das höchste absolute Darmkrebsrisiko nach Blutungen bei Patienten im Alter von 76 bis 80 Jahren. Bei acht Prozent der Patienten dieser Altersgruppe wurde innerhalb des ersten Jahres nach der Blutung Darmkrebs diagnostiziert“, so Dr. Vibe Rasmussen.
Die Forschenden wiesen darauf hin, dass mit einer alternden Bevölkerung in vielen Ländern die Prävalenz von Vorhofflimmern zunimmt, mehr Menschen mit blutverdünnenden Medikamenten behandelt werden und daher Magen-Darm-Blutungen häufiger auftreten dürften.
Es gibt keinen Hinweis darauf, dass orale Antikoagulanzien Darmkrebs verursachen.
Des Weiteren wurde darauf hingewiesen, dass Blutungen aus dem unteren Gastrointestinaltrakt in der Regel als frisches Blut im Stuhl auftreten. Darauf konzentrierte sich die Studie. Blutungen im oberen Gastrointestinaltrakt können als Erbrechen oder als schwarzer, stinkender Stuhl auftreten.
Stärken und Schwächen der Studie
Wie es in der ESC-Mitteilung heißt, ist die Hauptstärke der Studie ihre Größe und die Tatsache, dass alle in Dänemark mit Vorhofflimmern diagnostizierten Personen eingeschlossen waren.
Einschränkungen der Studie sind: Es handelt sich um eine Beobachtungsstudie. Es lagen keine Daten zu Risikofaktoren wie Alkoholkonsum, Ernährungsgewohnheiten und Fettleibigkeit vor.
Die Einhaltung der oralen Antikoagulationstherapie wurde unter der Annahme angenommen, dass die Betroffenen ihre Rezepte einlösen.
Zudem können Verzerrungen aufgrund der Tatsache aufgetreten sein, dass Patientinnen und Patienten mit schwereren Blutungen in Kombination mit anderen potenziell krebsbedingten Symptomen häufiger zur weiteren Untersuchung überwiesen werden als diejenigen mit leichten Blutungen und ohne andere Symptome. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- European Society of Cardiology (ESC): Bleeding may be a sign of bowel cancer not just a side-effect of blood-thinning drugs: study of 125,500 atrial fibrillation patients, (Abruf: 10.02.2020), European Society of Cardiology (ESC)
- Peter Vibe Rasmussen, Frederik Dalgaard, Gunnar Hilmar Gislason, Axel Brandes, Søren Paaske Johnsen, Erik Lerkevang Grove, Christian Torp-Pedersen, Lars Dybro, Louise Harboe, Anna-Marie Bloch Münster, Lasse Pedersen, Paul Blanche, Jannik Langtved Pallisgaard, Morten Lock Hansen: Gastrointestinal bleeding and the risk of colorectal cancer in anticoagulated patients with atrial fibrillation; in: European Heart Journal, (veröffentlicht: 07.02.2020), European Heart Journal
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.