Blutvergiftung: 20.000 vermeidbare Sepsis-Todesfälle pro Jahr
Die Sepsis, umgangssprachlich als Blutvergiftung bezeichnet, ist noch immer eine der häufigsten Todesursachen weltweit. Allein in Deutschland sterben jedes Jahr etwa 75.000 Menschen daran. Rund 20.000 dieser Todesfälle wären vermeidbar, berichten Fachleute anlässlich des Welt-Sepsis-Tages.
Wie es auf der Webseite der Kampagne „Deutschland erkennt Sepsis“ heißt, stirbt alle sieben Minuten in Deutschland ein Mensch an einer Sepsis. Hierzulande ist die sogenannte Blutvergiftung mit 75.000 erfassten Todesfällen jährlich die dritthäufigste Todesursache nach Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs. Und das obwohl rund 20.000 Sepsis-Fälle durch frühzeitige Erkennung, Präventionsmaßnahmen (Impfungen und Prophylaxe von Krankenhausinfektionen) und bessere Behandlung vermeidbar wären.
Intensiver mit dem Thema Sepsis befassen
Angesichts dieser dramatischen Zahlen rufen die Initiatoren und Partnerorganisationen der Kampagne „Deutschland erkennt Sepsis“ die Bürgerinnen und Bürger auf, sich intensiver mit dem Thema Sepsis zu befassen.
Laut einer Mitteilung ist es bei HIV/AIDS gelungen, die Zahl der jährlichen Todesfälle auf unter 300 zu senken.
Von der Politik, der Gesundheitswirtschaft sowie den Verantwortlichen und Beschäftigten im Gesundheitswesen fordern die Fachleute deshalb, alles in ihrer Macht Stehende dafür zu tun, um bei der Sepsis die gleichen Erfolge zu erzielen wie bei HIV/AIDS.
Auch schwere Langzeitfolgen vermeidbar
Der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge ist die Mehrzahl der Sepsis-Todesfälle vermeidbar. Das gilt auch für die mit einer Sepsis verbundenen schweren Langzeitfolgen (#LongSepsis), an denen bis zu 75 Prozent der jährlich weit mehr als 100.000 Überlebenden leiden.
Die aktuelle Corona-Pandemie hat diese Einschätzung leider in vollem Umfang bestätigt. Doch obwohl eine „Blutvergiftung“ häufiger vorkommt als Herzinfarkt oder Schlaganfall und deren Krankenhaussterblichkeit wesentlich höher ist, ist das Wissen über Sepsis in Deutschland vergleichsweise gering ausgeprägt.
„Das Ziel der Kampagne #DeutschlandErkenntSepsis (DES) ist es, dem Unwissen entgegenzuwirken, und aufzuklären ist die klügste Art für mehr Patientensicherheit zu sorgen“, sagt die Vorsitzende des Aktionsbündnisses Patientensicherheit e.V. (APS) und Initiatorin der Kampagne, Dr. med. Ruth Hecker.
Das Bündnis wird durch vier Partnerorganisationen getragen: Neben dem APS sind das der Sepsisdialog der Universität Greifswald, die Deutschen Sepsis-Hilfe e.V., sowie die Sepsis-Stiftung.
Blutvergiftung kann alle treffen
„Nur wenige Menschen wissen, dass die Sterblichkeit bei Sepsis durch drei einfache Maßnahmen drastisch reduziert werden kann: Erstens eine bessere Vorbeugung gegen Infektionen, zweitens die Früherkennung anhand bestimmter Warnzeichen, sowie drittens die Therapie der Sepsis als Notfall“, erklärt der Vorsitzende der Sepsis-Stiftung, Professor Dr. med. Konrad Reinhart.
„Deshalb müssen auch bei der Sepsis die gleichen Anstrengungen zur gesundheitlichen Aufklärung und der Entwicklung präziser Diagnostika und effektiver Therapeutika unternommen werden, die zu der erfreulichen Reduzierung der Todesfälle bei HIV/AIDS geführt haben“, so der Experte.
„Aus eigener Erfahrung weiß ich: Sepsis kann jeden und jede treffen, auch völlig gesunde Menschen. Dann ist es überlebenswichtig, dass das Umfeld, Angehörige, Kollegen und ganz besonders das medizinische Personal, Sepsis auf dem Radar hat, um vermeidbare Verzögerungen und damit schwere Verläufe zu vermeiden“, hebt Arne Trumann, Stellvertretender Vorsitzender der Sepsis-Hilfe e.V. hervor.
„Deshalb ist uns als weltweit erster Selbsthilfeorganisation von Sepsisbetroffenen die Aufklärung der Bevölkerung, die wir mit der Kampagne #DeutschlandErkenntSepsis voranbringen wollen, so wichtig!“
Sterblichkeit deutlich gesenkt
„Nötig ist auch eine stärke Orientierung des Gesundheitssystems an der Patientensicherheit und die Einführung und adäquate Nutzung von Qualitätssicherungsmaßnahmen und dem Instrumentarium des klinischen Risikomanagements, etwa Critical Incident Reporting Systems (Meldesysteme für Beinahe-Zwischenfälle)“, sagt APS-Vorsitzende Hecker.
„Allein durch krankenhausweite Schulungsmaßnahmen, interdisziplinäre und berufsgruppenübergreifende Zusammenarbeit und die Unterstützung von Qualitätssicherungsmaßen durch den Krankenhausvorstand konnte am Universitätsklinikum Greifswald die Sepsis-Sterblichkeit um 15-20 Prozent gesenkt werden“, so PD Dr. med. Matthias Gründling, Initiator des Sepsisdialogs an der Universitätsmedizin Greifswald.
Fälle in über 50 Prozent der Fälle nicht dokumentiert
Wie es in der Mitteilung heißt, ist die genaue Zahl der Sepsis-Fälle in Deutschland unbekannt: Sepsis-Fälle werden häufig nicht als solche erkannt und in über 50 Prozent der Fälle nicht dokumentiert.
Exaktere Zahlen aus vergleichbaren Ländern legen für Deutschland jedoch eine jährliche Häufigkeit zwischen 500 und 700 pro 100.000 Einwohnern nahe.
Inzwischen ist bekannt, dass auch bei der Mehrheit der bisher über 92.000 Todesfälle durch COVID-19 die letztliche Todesursache eine virale Sepsis ist. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Aktionsbündnis Patientensicherheit: „Deutschland erkennt Sepsis“ informiert: Unwissen über Sepsis ist tödlich. Am 13. September ist Welt-Sepsis-Tag, (Abruf: 13.09.2021)
- Aktionsbündnis Patientensicherheit und Partner: Sepsis ist ein Notfall, (Abruf: 13.09.2021), Deutschland erkennt Sepsis
- World Health Organisation: Improving the prevention, diagnosis and clinical management of sepsis, (Abruf: 13.09.2021), World Health Organisation
- C. Fleischmann-Struzek, D. Schwarzkopf & K. Reinhart ML: Inzidenz der Sepsis in Deutschland und weltweit; in: Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin, (veröffentlicht: 28.01.2021), Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin
- Karakike at al.: Coronavirus Disease 2019 as Cause of Viral Sepsis: A Systematic Review and Meta-Analysis; in: Critical Care Medicine, (veröffentlicht: 12.07.2021), Critical Care Medicine
Wichtiger Hinweis:
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