Schlaganfälle als Ursache späterer Frakturen?
Die Auswirkungen eines Schlaganfalls können bei den Überlebenden zu lebenslangen Beeinträchtigungen führen, wobei vor allem halbseitige Lähmungen und neurologische Störungen zu den relativ gut untersuchten, bekannten Folgebeschwerden zählen. Forschende vermuten jedoch auch Auswirkungen auf die Knochen, welche Anteil an dem erhöhten Frakturrisiko nach einem Schlaganfall haben könnten.
Machen Schlaganfälle die Knochen brüchiger? Dieser Frage geht das Team des Forschungszentrums für Gefäßalterung und Schlaganfall VASCage und der Medizinischen Universität Innsbruck in einer neuen Studie nach. Mit Hilfe der hochauflösenden Computertomografie werden 3D-Modelle der Mikrostruktur von Schienbein- und Speichenknochen analysiert. So soll in Zukunft das Risiko für Knochenbrüche erkannt und besser verstanden werden.
Erhöhtes Risiko für Knochenbrüche
Nach einem Schlaganfall kommt es häufiger zu Stürzen, weil die Betroffenen unter Lähmungen leiden. Schwere Knochenbrüche sind die Folge. Doch sogar diejenigen, die sich komplett von diesen Lähmungen erholen und wieder sicher gehen, haben nach dem Hirninfarkt ein erhöhtes Frakturrisiko.
Umbauprozesse im Knochen?
Wissenschaftler des Forschungszentrums für Gefäßalterung und Schlaganfall VASCage und der Medizinischen Universität Innsbruck vermuten daher, dass die Schädigung des Gehirns Umbauprozesse in den Knochen auslöst. Um diesen Zusammenhang erstmals aufzuklären, wird in der Pilotstudie „Post Stroke Osteopathy“ der Knochenzustand von rund 200 Patienten und Patientinnen in höchster Genauigkeit analysiert. Über ein Jahr sollen die Veränderungen erfasst werden.
Dabei kommt ein hochauflösender Computertomograf der Medizinischen Universität Innsbruck zum Einsatz (high resolution peripheral quantitative computer tomography, HR-pQCT), ein Gerät, bei dem nur ein Teil des Schienbeines oder der Speiche untersucht wird. Unter Beteiligung von Mathematikern der Universität Innsbruck werden hochkomplexe Computerberechnungen und Machine Learning-Verfahren durchgeführt, um ein 3D-Modell zu erzeugen, das die Innenstruktur eines nur zentimetergroßen Bereichs des Knochens präzise abbildet.
„Eine derartige Untersuchung ist nicht mit einer normalen Knochendichtemessung zur Osteoporose-Diagnose zu vergleichen“, macht VASCage-Wissenschaftler und Projektmanager Benjamin Dejakum deutlich, „sie ist weitaus genauer.“ Ergänzend zur Computertomografie wird das Blut der Patienten und Patientinnen an der Universitätsklinik Erlangen auf Biomarker für Knochenumbauprozesse untersucht. „Als Sponsor dieser spannenden neuen Studie freuen wir uns, nach umfangreicher Planung nun mit der Durchführung starten zu können“, betont VASCage-Geschäftsführer Matthias Ullrich.
Gangunsicherheiten auf dem Laufband feststellbar
Die Studie wird sich aber nicht nur auf die Vorgänge im Knochen beschränken. Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen werden auch einer Laufbandanalyse unterzogen, wo die VASCage-Wissenschaftlerin und Physiotherapeutin Patricia Meier ihren Stand und Gang genau beobachtet und aufzeichnet. So soll geklärt werden, ob diese Art der Stand- und Ganguntersuchung künftig im Rahmen der klinischen Routine eine wirksame Methode sein könnte, um das Risiko für Frakturen abzuschätzen.
„Eine prospektive, also geplante Studie zu dem Thema in der Größe und mit diesem Detailreichtum ist meines Wissens einzigartig“, sagt der wissenschaftliche Leiter der Studie, Michael Knoflach von der Univ.-Klinik für Neurologie der Medizinischen Universität Innsbruck. „Wenn wir die zugrundeliegenden Prozesse besser verstehen, können wir neue innovative Behandlungsformen entwickeln, um die Patienten und Patientinnen besser vor Knochenbrüchen zu schützen.“
Die Post-Stroke Osteopathie-Studie wird mit verschiedenen Firmen- und wissenschaftlichen Partnern von VASCage durchgeführt und ist Teil der Stroke Card Registry Studie, die ebenfalls seit Kurzem im Rahmen von VASCage abläuft. Dieses Register begleitet das an der Medizinischen Universität Innsbruck etablierte Schlaganfall-Nachsorgeprogramm wissenschaftlich und baut zudem eine umfassende Biobank für die Schlaganfallforschung auf. (fp/pm)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Forschungszentrum für Gefäßalterung und Schlaganfall VASCage: Macht Schlaganfall die Knochen brüchiger? (veröffentlicht 01.06.2021), VASCage (PDF)
- Dr. Michael Knoflach, et al.: Post-Stroke Osteopathy (veröffentlicht 14.04.2021), clinicaltrials.gov
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.