Kassel (jur). Nicht nur Pflegebedürftige in ambulant betreuten Wohngruppen können den gesetzlichen pauschalen „Wohngruppen“-Zuschlag beanspruchen. Auch bei der Pflege mehrerer Personen in einer Großfamilie ist dies nicht ausgeschlossen, urteilte am 18. Februar 2016 das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel (Az.: B 3 P 5/14 R). Allerdings diene der Zuschlag nicht der Aufstockung der normalen Pflege oder der Vergütung rein familiärer Leistungen, sondern sei nur für zusätzliche Aufwendungen für das gemeinsame Wohnen gedacht.
Nach den gesetzlichen Bestimmungen können Pflegebedürftige in ambulant betreuten Wohngruppen „zum Zweck der gemeinschaftlich organisierten pflegerischen Versorgung“ monatlich einen pauschalen Zuschlag in Höhe von 205 Euro beanspruchen. In der Wohngruppe müssen mindestens drei und dürfen höchstens zwölf Menschen leben. Mindestens drei davon müssen pflegebedürftig sein.
Im jetzt entschiedenen Fall ging es um eine 1927 geborene pflegebedürftige Frau, die zusammen mit ihrem ebenfalls pflegebedürftigen Ehemann, ihrem behinderten Sohn und weiteren Kindern, volljährigen Enkeln und ihrer Schwiegertochter zusammenlebt. Der bewohnte landwirtschaftliche Hof diente als „Mehrgenerationenhaus“ für die Wohnfamilie.
Die Familienmitglieder verfügten über abgeschlossene Wohneinheiten, die Küche wurde gemeinsam genutzt. Die Pflege der Klägerin, ihrem Ehemann und dem behinderten Sohn wurde von der Schwiegertochter geleistet, unterstützt von einem ambulanten Pflegedienst.
Da die Großfamilie generationenübergreifend zusammenlebt und die Schwiegertochter für die Pflege zuständig war, beanspruchte die Klägerin von der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See den pauschalen Zuschlag für betreute Wohnformen. Nach dem Gesetz seien Familien, die gemeinschaftlich zusammenleben und die Pflege bewältigen, von dem Zuschlag nicht ausgeschlossen.
Die Knappschaft Bahn-See lehnte die Zahlung ab. Der Gesetzgeber habe mit dem Zuschlag die häusliche Pflege in neuen Wohnformen fördern wollen. Die Leistung sei aber nicht dafür da, Leistungen der familiären Pflege aufzustocken. Der Zuschlag diene vielmehr der Finanzierung einer „Präsenz- oder Koordinierungskraft“. Diese solle über die Pflege hinaus das gemeinschaftliche Zusammenleben organisieren und verwalten.
Das BSG urteilte, dass Familienverbände nicht generell von dem Zuschlag ausgeschlossen sind, so dass auch keine verfassungswidrige Benachteiligung von Familien bestehe. Der Zuschlag solle aber nicht die häusliche Pflege aufstocken. Das Geld sei dafür gedacht, dass die Mitglieder der Wohngruppe gemeinsam eine bestimmte Person beauftragen, die über die Pflege hinaus das Zusammenleben organisiert und verwaltet. Ihre Aufgabe müsse dabei deutlich von der individuellen Pflege und den familiären Verpflichtungen abgegrenzt werden.
Im vorliegenden Fall sei dies nicht geschehen, so dass kein Anspruch auf den Wohngruppenzuschlag besteht. fle/mwo
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