Verschwendung, Betrug und Rechtsverstöße bei den gesetzlichen Krankenkassen
15.08.2012
Das Bundesversicherungsamt untersuchte die Ausgaben und Strukturen zahlreicher Krankenkassen. Bei einigen Kassen deckten die Ermittler zahlreiche Unterschlagungen, Schlampereien und unnötige Ausgaben auf. Die Kassenaufsicht wirft den Krankenversicherungen vor, nicht immer korrekt mit den Geldern der Beitragszahler umzugehen.
Jedes Jahr geben die gesetzlichen Krankenkassen Milliarden Gelder aus. Die Hauptlast der Ausgaben werden durch Pharmahersteller, Kliniken und Ärzte verursacht. Grund genug, die Kassen regelmäßig zu beaufsichtigen, um unnötige Ausgaben aufzudecken. In zahlreichen Fällen deckte die staatliche Kassenaufsicht auch Schlampereien, Unterschlagungen, Verschwendung und unsinnige Anlagen der Versicherungsbeiträge auf, wie in dem aktuellen Tätigkeitsbericht des Bundesversicherungsamtes zu lesen ist.
Detektive für Kleinstbeträgen
So setzte beispielsweise eine Krankenkasse Detektive ein, um einen vermuteten Missbrauch des Krankengeldes aufzudecken. Die Detektei verlangte für die tagelange Observierung des vermeintlichen Täters 10.719 Euro. „Die Krankenkasse versuchte einen Geldschaden von täglich 14,96 Euro zu vermeiden“, heißt es in dem Bericht. Werden die Summen gegengerechnet, so zeigt sich dass dieses Vorgehen laut der Prüfer „grob unwirtschaftlich und fahrlässig“ ist.
Betrug einer Kassenmitarbeiterin
In einem anderen Fall brachte die Analyse zu Tage, dass eine Kassenmitarbeiterin über acht Jahre lang 213 Überweisungen auf zehn unterschiedliche Bankkonten unternahm. Bei der offenbaren Unterschlagung wurden so fast eine halbe Million Euro (459.000 Euro) unrechtmäßig und mit krimineller Energie unterschlagen. Im Zuge dessen forderte der Prüfdienst von den Krankenkassen „mehr Vorsorge gegenüber Unterschlagungen zu unternehmen“. Die derzeitigen Instanzen reichen offensichtlich nicht aus, um Betrügereien offenzulegen.
Aufwendige und teure Sanierungen
Vielfach fielen die Kassen auch dadurch auf, dass viele Mietverträge von Büroflächen völlig überteuert waren. Andere Kassen zeigten Probleme bei der korrekten Erfassung und Ermittlung der Beiträge. Zuletzt genannte Schwierigkeiten waren die häufigsten Fehlerquellen bei den Krankenkassen. Eine Kasse ließ seine Geschäftsräume aufwendig sanieren. Hierfür wurde ein Elektrotechnik-Meister beauftragt, der im Anschluss zusätzlich die Sanitär- und Malerarbeiten durchführte. Das Problem: Für weitere Aufträge war der Meister jedoch überhaupt nicht zugelassen. Dafür war der Handwerker aber Mitglied im Verwaltungsrat der Krankenkasse. Aufgrund der Ordnungswidrigkeit müssen das Unternehmen und die Kasse jeweils 50.000 Euro Strafe zahlen.
In einem anderen Fall mietete eine Krankenkasse für ihren Hauptsitz 4152 Quadratmeter hochwertig sanierte Büroflächen an. Im Anschluss wurden die Räume fast leer gelassen. Von den ursprünglich geplanten 117 Arbeitsplätzen wurden gerade einmal 40 Plätze belegt. Zusätzlich stellten die Prüfer fest, dass noch eine weitere Etage mit einer Größe von 633 Quadratmeter angemietet wurde, die noch immer unausgebaut leer steht. Die Prüfer ermittelten, dass die Gesamtmiete bei bestehender zehnjähriger Frist 13 Millionen Euro kostet. Der Grund: „Die betroffene Krankenkasse ist mittlerweile durch einen Zusammenschluss in einer anderen Kasse aufgegangen“. Die Miete muss dennoch gezahlt werden.
Einige Krankenkassen fielen den Überprüfern dadurch auf, dass bei Repräsentationen und Bewirtungen von Angestellten ungewöhnlich großzügig agieren. So wurden Hunderttausende allein für Betriebsfeiern ausgegeben.
Überschüsse werden nicht adäquat angelegt
Aufgrund der Milliardenüberschüsse der gesetzlichen Krankenversicherung werfen Kritiker verstärkt die Frage auf, wie die Mehreinnahmen gewinnbringend angelegt werden. So kritisieren Gesundheitsökonomen, dass zahlreiche Krankenkassen darauf verzichten, für eine ausreichende Streuung der Finanzanlagen zu sorgen und verschiedene Anlagen auszuprobieren. „Würden die Gelder weit gestreut angelegt werden, könnten Risiken zu Zeiten der Finanzkrise minimiert werden.“ Im letzten Jahr haben alle Kassen zusammengenommen rund 184 Milliarden Euro eingenommen und etwa 180 Milliarden Euro ausgegeben. So bleibt ein Jahresüberschuss von vier Milliarden Euro plus die erwirtschafteten Mehreinnahmen aus den Vorjahren.
Durch Codierungen mehr Geld aus dem Gesundheitsfonds
In einem Fall droht das Bundesversicherungsamt sogar mit strafrechtlichen Konsequenzen. Hierbei geht es um die Zuordnung einzelner Versicherter deren Krankheiten zu speziellen Listen von vorgegebenen Diagnosen hinzugefügt wurden. Zur Verständnis: Beklagt ein Versicherter eine von 80 bestimmten Krankheiten, erhält die Krankenkasse gesetzlich vorgeschrieben Zuschläge aus dem Gesundheitsfonds. Somit soll ein Finanzausgleich geschehen, damit Kassen nicht zusätzlich übermäßig finanziell belastet werden, wenn Patienten unter Kostenintensiven Krankheiten leiden. Doch eben jenes Prinzip ermöglicht den Kassen Mehrgelder zu „ergaunern“, wie in einigen Fällen ermittelt werden konnte. So ließ eine Krankenkasse zum Beispiel mittels eines Programms die Daten der Versicherten regelmäßig durchsuchen und forderte Kliniken Korrekturen bei den bereits gemeldeten Diagnosen, um mehr Geld aus dem Gesundheitsfonds zu erhalten. Aufgrund dieser Funde kündigte das Bundesversicherungsamt an, „gegen solche Rechtsverstöße konsequent vorzugehen“.
Laut den Vorgaben des Gesetzgebers sollen die Prüfer mindestens alle fünf Jahre eine Krankenkasse überprüfen. Eigens dafür sind 135 Mitarbeiter in der Behörde beschäftigt. Insgesamt unternahm die Prüfbehörde im letzten Jahr 236 Überprüfungen. Gegenüber dem Vorjahr waren es demnach 15 Auswertungen mehr. (sb)
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