Wie sich Burn-out und Arbeitsstress gegenseitig verstärken
Die Diagnose Burn-out beziehungsweise Burnout-Syndrom ist heute längst keine Seltenheit mehr und oft wird ein Zusammenhang mit dem Stress bei der Arbeit erkennbar, der allerdings laut einer aktuellen Studie in beide Richtungen wirkt. So kann Arbeitsstress das Risiko eines Burn-outs erhöhen und bei vorliegendem Burn-out steigt auch der empfundene Stress auf der Arbeit. Letzterer Effekt scheint dabei sogar weit ausgeprägter.
„Arbeitsstress und Burn-out schaukeln sich gegenseitig auf – aber der Effekt von Arbeitsstress auf Burn-out ist überraschenderweise viel kleiner als der umgekehrte Effekt von Burn-out auf den Arbeitsstress“, berichtet die Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) von den neuen Studienergebnissen.Veröffentlicht wurde die Studie in dem Fachmagazin „Psychological Bulletin“.
Wie zeigt sich ein Burn-out?
Typische Anzeichen für einen Burn-out sind Erschöpfung, Zynismus sowie geminderte Leistungsfähigkeit. „Das wichtigste Burn-out-Symptom ist tatsächlich das Gefühl, erschöpft zu sein und zwar in einem Ausmaß, das sich nicht durch die normalen Erholungsphasen am Abend, am Wochenende oder im Urlaub beheben lässt“, erläutert Professor Dormann.
Leistungsdruck als Ursache?
Der steigende Leistungsdruck und die Belastungen am Arbeitsplatz werden dabei oftmals als einleuchtende Ursache für den Burn-out verantwortlich gemacht. Doch die aktuellen Studienergebnisse stellen die übliche Sichtweise, dass Arbeitsstress die treibende Kraft bei Burn-out ist, infrage oder relativieren sie zumindest, berichten Prof. Dr. Christian Dormann und Dr. Christina Guthier von der JGU sowie Prof. Dr. Manuel Völkle von der Humboldt-Universität zu Berlin.
Auswertung früherer Studien
Anhand einer Auswertung von 48 Längsschnittstudien zu Burn-out und Arbeitsstress haben die Forschenden die Zusammenhänge auch im zeitlichen Verlauf überprüft. Insgesamt 26.319 Teilnehmende (44 Prozent Männer) waren in den Studien erfasst und der Altersdurchschnitt lag bei knapp 42 Jahre zum Zeitpunkt der Erstbefragung.
Die Studien stammten aus den Jahren 1986 bis 2019 und wurden in verschiedenen Ländern durchgeführt, „darunter überwiegend europäische Länder, Israel, die USA und Kanada, Mexiko, Südafrika, Australien, China und Taiwan“, beichtet die JGU weiter.
Burn-out und Arbeitsstress beeinflussen sich gegenseitig
Bei der Studienauswertung wurde deutlich, dass sich Stress bei der Arbeit und Burn-out gegenseitig aufschaukeln, aber entgegen der allgemeinen Auffassung wirkte sich Burn-out viel stärker auf den Stress am Arbeitsplatz aus als umgekehrt. „Das bedeutet, je weiter sich Burn-out entwickelt, umso mehr Stress, wie zum Beispiel Zeitdruck, nehmen die Menschen bei der Arbeit wahr“, erläutert Professor Dormann.
„Burn-out kann, muss aber nicht von der Arbeitssituation angestoßen werden“, betont der Experte. Sobald der Prozess in Gang gesetzt wurde, entwickele er sich schleichend und schaukele sich allmählich auf. Denn „bei Erschöpfung nimmt die Belastbarkeit für gewöhnlich ab. Dadurch können bereits kleinere Aufgaben als deutlich anstrengender wahrgenommen werden“, erklärt Dr. Guthier. So steigt der empfundene Arbeitsstress.
Rechtzeitige Hilfe erforderlich
Zwar hatten die Forschenden nach eigenen Angaben einen Effekt von Burn-out auf den empfundenen Arbeitsstress erwartet, die Stärke des Effektes war für sie dennoch „sehr überraschend“. Beschäftigte, die unter Burn-out leiden, sollten daher rechtzeitig eine angemessene Unterstützung erhalten, um zunehmenden Arbeitsstress zu vermeiden und damit den Teufelskreis von Stress und Burn-out zu durchbrechen, so das Forschungsteam weiter.
Etwas abgemildert werden könne der Effekt von Burn-out auf den empfundenen Arbeitsstress, wenn die Beschäftigten mehr Kontrolle über ihre eigene Arbeit haben und Unterstützung aus dem Kreis der Mitarbeitenden und Vorgesetzten erhalten.
So müssen Interventionen hier nach Ansicht der Forschenden vor allem beim Führungsverhalten ansetzen und Beschäftigte sollten die Möglichkeit haben, jederzeit Rückmeldung zu ihrem Arbeitsstress zu geben. Außerdem könne möglicherweise auch die richtige Erholung helfen, die Abwärtsspirale zu durchbrechen
Rückkopplungseffekt weiter untersuchen
Der starke Rückkopplungseffekt von Burn-out auf den Arbeitsstress wurde zuvor noch nicht untersucht und eröffnet nun zahlreiche neue Fragen, beispielsweise wie die Auswirkungen von Burn-out auf den wahrgenommenen Arbeitsstress verringert werden können und wie sich der Teufelskreis verhindern lässt, resümieren die Forschenden. (fp)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Christian Dormann, Christina Guthier, Manuel Völkle: Reciprocal effects between job stressors and burnout: A continuous time meta-analysis of longitudinal studies. Psychological Bulletin. (veröffentlicht 29.10.2020), apa.org
- Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JUG): Teufelskreis bei Arbeitsstress wird von Burn-out weiter angetrieben (03.11.2020), idw-online
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.