In welchen Anwendungsbereichen Cannabis-Medikamente hilfreich sind
Am 10. März 2017 ist in Deutschland das Gesetz „Cannabis als Medizin“ in Kraft getreten. Nun zeigt einen Auswertung von Daten zur Therapie mit Cannabis-Arzneimitteln , die das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) über einen Zeitraum von fünf Jahren gesammelt hat, dass solche Präparate vor allem bei schwerwiegenden Erkrankungen und bei starken Schmerzen einen positiven Effekt haben.
Dass Cannabis eine Heilpflanze mit weitreichendem therapeutischen Potenzial ist, ist schon lange bekannt. Vor allem gegen Schmerzen können Cannabis-Medikamente Vorteile bringen. Das zeigt auch eine Begleiterhebung, deren Ergebnisse auf der Webseite des BfArM heruntergeladen werden können.
Seit fünf Jahren als medizinische Wirkstoffe eingesetzt
Wie die Deutsche Schmerzgesellschaft e.V. in einer vom idw – Informationsdienst Wissenschaft veröffentlichten Mitteilung erklärt, dürfen Cannabis-Medikamente in Deutschland seit rund fünf Jahren als medizinische Wirkstoffe eingesetzt werden.
Den Angaben zufolge wurde die Möglichkeit, medizinisches Cannabis in begründeten Einzelfällen zu verschreiben, 2017 an ein begleitendes Monitoring gekoppelt, an das die behandelnden Ärztinnen und Ärzte ihre Erfahrungen mit der Therapie melden sollten.
Bis zum Abschluss der auf fünf Jahre angelegten Erhebung gingen Informationen zu rund 21.000 Behandlungen ein, etwas mehr als 16.800 dieser Datensätze waren vollständig, so dass sie in die aktuelle Auswertung einbezogen werden konnten.
Nicht alle Daten flossen in die Erhebung ein
„Damit wird jedoch nur ein Teil der tatsächlich erfolgten Behandlungen abgebildet“, erläutert Professor Dr. med. Frank Petzke, Leiter der Schmerzmedizin an der Klinik für Anästhesiologie am Universitätsklinikum Göttingen und Sprecher der Ad-hoc-Kommission „Cannabis in der Medizin“ der Deutschen Schmerzgesellschaft e.V.
Denn nur die Daten von gesetzlich Versicherten, deren Behandlungskosten von der Kasse tatsächlich auch übernommen wurden, flossen in die Erhebung ein; Privatversicherte sowie Selbstzahlende wurden nicht berücksichtigt.
Auch aus einem weiteren Grund sind die Daten aus der Begleiterhebung vermutlich nicht repräsentativ. „Die Teilnahme war zwar für alle verschreibenden Ärzte und Ärztinnen verpflichtend – wer sich daran hielt und wer nicht, wurde jedoch nicht überprüft“, so Petzke.
Fest stehe aber, dass die Bereitschaft zur Meldung sehr unterschiedlich gewesen sei: Obwohl bekannt ist, dass die Cannabis-haltigen Präparate vor allem über die hausärztlichen Praxen abgegeben wurden, stammten über die Hälfte der in die Begleiterhebung eingespeisten Daten von Anästhesistinnen und Anästhesisten, also auf Schmerzmedizin spezialisierten Ärztinnen und Ärzten.
Am häufigsten bei chronischen Schmerzen eingesetzt
Dennoch liefern die vom BfArM veröffentlichten Daten einige wichtige Informationen. So gibt die Erhebung einen Überblick über das Spektrum der Erkrankungen und Beschwerden, bei denen Cannabis-Arzneimittel zum Einsatz kommen.
„Die mit Abstand häufigste Indikation ist der chronische Schmerz“, sagt Petzke. Chronischer Schmerz mache drei Viertel der Behandlungen aus, gefolgt von Spastik (9,6 Prozent) und Anorexie oder Wasting mit 5,1 Prozent. Die zugrundeliegende Erkrankung war in 14,5 Prozent der Fälle eine Tumorerkrankung, in knapp sechs Prozent eine Multiple Sklerose (MS).
Begrenzte Aussagen sind auch zu den eingesetzten Arzneimitteln möglich. So wurde am häufigsten das Cannabis-Medikanet Dronabinol verschrieben – es stellte mit 62,2 Prozent fast zwei Drittel der Verordnungen. Cannabis-Blüten dagegen wurden zwar deutlich seltener, besonders jedoch an jüngere, männliche Patienten abgegeben; auch wiesen sie eine höhere THC-Dosis auf.
Verschreibung ohne großen bürokratischen Aufwand
Aber welche Schlüsse lassen sich in Bezug auf die Wirksamkeit der Cannabis-Präparate ziehen, und unter welchen Umständen sollten die Krankenkassen die Kosten für die Therapie übernehmen? Einen positiven Effekt der Cannabis-Mittel sahen die behandelnden Ärztinnen und Ärzte vor allem bei schwerwiegenden Erkrankungen und bei starken Schmerzen.
„Bei chronischen Schmerzen sowie in der Palliativmedizin sollte es daher weiterhin möglich sein, medizinisches Cannabis ohne großen bürokratischen Aufwand zu verschreiben“, meint Petzke. Die Kriterien hierfür sollten allerdings im Rahmen von Studien weiter charakterisiert werden.
Bevor die Krankenkassen die Cannabis-Therapie für weitere Indikationen öffneten, sollte aber wie bei allen anderen Medikamenten ein evidenzbasiertes Zulassungsverfahren durchlaufen werden – mit doppelblinden, placebokontrollierten Studien, auf die bislang verzichtet wurde, heißt es in der Mitteilung der Schmerzgesellschaft. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte: Cannabis als Medizin: BfArM veröffentlicht Abschlussbericht zur Begleiterhebung (veröffentlicht 06.07.2022), Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.