Experten und Patienten kritisieren: Cannabis auf Rezept kaum erhältlich
Im März ist in Deutschland ein Gesetz in Kraft getreten, das dazu beitragen soll, dass bestimmten Patienten der Zugang zu medizinischem Cannabis erleichtert wird. Doch offenbar hat die Neuregelung kaum Verbesserungen für Schmerzpatienten gebracht. Im Gegenteil: Für manche Kranke habe sich die Situation dadurch verschlechtert.
Cannabis auf Rezept
Seit dem 10. März 2017 ist in Deutschland ein neues Gesetz in Kraft, das Schwerkranken erleichtern soll, Cannabis auf Rezept zu erhalten. Die Neuregelung sieht die vollständige Kostenübernahme der Krankenversicherungen vor. Mittlerweile ist jedoch Kritik aufgekommen. Das neue Gesetz zur Verordnung von Cannabis-Präparaten hat bislang kaum Verbesserungen für Schmerzpatienten gebracht. Für manche hat sich die Situation seit der Neuregelung sogar verschlechtert.
Neues Gesetz soll schwer Kranken helfen
Seit März dürfen Ärzte hierzulande Cannabis-Präparate verordnen, wenn alle anderen Behandlungswege ausgeschöpft wurden. Schon vor der Verabschiedung des Gesetzes wurde Marihuana in Deutschland zu medizinischen Zwecken eingesetzt.
Die Patienten brauchten dafür aber eine Sondergenehmigung, die das zuständige Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erteilen musste. Rund Tausend schwer Kranke erhielten eine solche Genehmigung.
Mit dem neuen Gesetz ist diese Ausnahmeerlaubnis nicht mehr notwendig. Wer gesetzlich krankenversichert ist und medizinisches Marihuana verschrieben bekommt, erhält einen Anspruch auf Kostenerstattung durch seine Krankenkasse.
„Allerdings müssen sich die Versicherten bereit erklären, an einer Begleitforschung teilzunehmen“, heißt es in der Mitteilung der Bundesregierung.
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe erklärte: „Schwerkranke Menschen müssen bestmöglich versorgt werden. Dazu gehört, dass die Kosten für Cannabis als Medizin für Schwerkranke von ihrer Krankenkasse übernommen werden, wenn ihnen nicht anders wirksam geholfen werden kann.“
Doch von bestmöglicher Versorgung kann offenbar keine Rede sein.
Situation von Patienten hat sich teilweise verschlechtert
Wie der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft „Cannabis als Medizin“, der Arzt Franjo Grotenhermen, laut einer Mitteilung der Nachrichtenagentur dpa erklärte, habe das neue Gesetz für viele Patienten bislang nicht zu einer Verbesserung geführt.
Betroffene müssten zunächst einmal einen Kassenarzt finden, der ihnen überhaupt etwas verschreibe. Und anschließend müsse die erste Verordnung für jeden Patienten von den Krankenkassen genehmigt werden. Die werde häufig verweigert.
Zudem drohe Ärzten laut Grotenhermen wegen der hohen Kosten für Cannabis ein Regress wegen Überschreitung ihres Budgets. Der Verwaltungsaufwand sei für die Mediziner mit Cannabis-Patienten insgesamt groß. „Da muss die Politik nachbessern“, so der Mediziner.
Das Selbsthilfenetzwerk Cannabis Medizin (SCM) geht in der Kritik noch einen Schritt weiter.
In einem „Protestmailer“ schreiben sie, dass sich inzwischen herausgestellt habe, „dass der überwiegende Teil der oftmals überforderten Patienten mit neuen Hürden und Stolpersteinen konfrontiert wird und für viele derjenigen Kranken, die ihr Cannabis bisher aufgrund einer Ausnahmegenehmigung der Bundesopiumstelle in Apotheken erwerben konnten, die Situation sich sogar drastisch verschlechtert hat“.
Auch sie verweisen darauf, dass sich viele Ärzte weigern, Cannabis zu verschreiben, da sie teilweise Angst vor Regressforderungen der Kassen haben.
Cannabis hilft bei zahlreichen Erkrankungen
Eine staatliche Cannabisagentur des Bundes kümmert sich um den Import von medizinischen Cannabis-Arzneimitteln. Je nach Bedarf vergibt sie auch Aufträge über den Anbau von Medizinalhanf.
Ab 2019 will die Agentur in Deutschland Marihuana anbauen lassen. In den Jahren 2021 und 2022 sollen hierzulande jeweils 2.000 Kilogramm Cannabis geerntet werden.
Bei welchen Krankheiten Cannabis hilft, ist teilweise auch in wissenschaftlichen Studien belegt worden.
Laut dem Deutschen Hanfverband waren die fünf häufigsten Diagnosen, wegen denen deutsche Patienten eine Ausnahmegenehmigung zum Kauf und Besitz von medizinischem Cannabis erhielten, chronische Schmerzen, Multiple Sklerose, ADHS, Tourette-Syndrom und depressive Störungen.
Darüber hinaus kann Marihuana Übelkeit und Erbrechen bei Chemotherapien unterdrücken und den Appetit bei Aids anregen.
Außerdem soll Cannabis hilfreich gegen Migräne sein. Bekannt ist zudem, dass Marihuana die Bronchien erweitert und somit die Atmung von Asthma-Patienten verbessern kann. Dafür sollte das Rauschmittel aber nicht mit Tabak als Joint geraucht werden. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
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